Ein Nachruf
Von Bruno Rieb
Eine seltsame Buchmesse ist am Sonntag, 24.10. 2021, zu Ende gegangen. Sie war – coronabedingt – gespenstisch leer und unspektakulär – wäre da nicht der blauäugige Umgang der Messeleitung mit einem extrem rechten Verlag gewesen. Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Tsitsi Dangarembga war ein wohltuender Kontrapunkt.36.000 Fachbesucher und 37.500 Leser waren der Buchmesse-Pressestelle zufolge zur 73. Buchmesse in Frankfurt gekommen. Statt Gedränge wie in Vor-Corona-Zeiten verlor sich das Publikum in den weiten Gängen zwischen den Ständen. Nur rund 2000 Verlage waren diesmal zugelassen. Unter die hatte die Messeleitung den extrem rechten Verlag genommen, der sich Jungeuropa nennt, und ihn ausgerechnet prominent neben die beliebte ZDF-Bühne platziert.
Die Autorin Jasmina Kuhnke sollte dort auftreten. Sie war vom Jugeuro-Verleger Philip Stein rassistisch angegriffen worden und sagte deshalb ihren Auftritt ab. Andere Autoren schlossen sich dem Boykott an.
Rassismus und Menschenfeindlichkeit
Die Messeleitung, in Erklärungsnot geraten, rechtfertigte sich mit der Meinungsfreiheit. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (DJU) in Verdi war entsetzt und forderte die Messeleitung auf, „Rassismus und Menschenfeindlichkeit keine Bühne mehr zu bieten“. DJU-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann: „Es ist erschreckend, dass Menschen gezwungen sind, sich aus Angst um Leben und Gesundheit von einem so wichtigen gesellschaftlichen Diskursraum zurückzuziehen. Das darf die Buchmesse nicht hinnehmen, die Leitung muss jetzt klar Stellung gegen rechts beziehen.“ Die DJU wies darauf hin, dass Stein in seinem Podcast angedroht hatte, einem unliebsamen Journalisten, sollte er zu seinem Messestand kommen, den Kopf scheren zu lassen und „Deutschland“ in Fraktur ins Gesicht zu tätowieren.
Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche war ein wohltuender Kontrapunkt. Mit Tsitsi Dangarembga wurde eine Schriftstellerin geehrt, die in ihren Romanen am Beispiel einer heranwachsenden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung in Simbabwe beschreibt. Bei der Preisverleihung protestierten Frankfurts Bürgermeister Peter Feldmann und die Stadtverordnete der Grünen Mirrianne Mahn dagegen, dass bei der Buchmesse rassistischen und menschenverachtenden Ideologien ein Forum gegeben wurde.
Wer die Grenzen zieht
Die Buchmesse indessen bleibt bei ihrer Position. In einer Pressemitteilung vom Sonntagabend wird Buchmesse-Geschäftsführer Jürgen Boos so zitiert: „Internationale Buchmessen leben von der Vielfalt der Meinungen und Inhalte sowie vom Austausch auf Augenhöhe. Inzwischen gibt es regelmäßig die Forderung nach Zensur und Ausschluss bestimmter Inhalte und Unternehmen – so auch in diesem Jahr. Für die Buchmesse gelten seit jeher zwei Grundsätze: Die Meinungsfreiheit darf nicht über die vom Staat gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden – das heißt für die Zulassung von Ausstellern in dubio pro libertate (Im Zweifel für die Freiheit – B.R.). und die Sicherheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen muss jederzeit maximal gewährleistet werden, so dass jede und jeder Einzelne sich frei und sicher fühlen kann, die Messe zu besuchen. Als Veranstalter der größten internationalen Buchmesse verwahren wir uns mit aller Schärfe gegen die Instrumentalisierung unserer Veranstaltungen. Die Freiheit des Wortes ist für uns nicht verhandelbar.“
Titelbild: Blick in die Halle 3.1. der Frankfurter Buchmesse.