Bescheide endlich verständlich
Die Kreisverwaltung in Gießen hat Ende 2016, begonnen, ihren Amtsbescheiden Beiblätter beizufügen, in denen die Bescheide in einfache, verständliche Sprache übersetzt werden.
Amtsdeutsch wird übersetzt
Im März 2016 schrieb der „Landbote“: „Es kommt oft vor, dass Antragsformulare oder Bescheide verschiedene Begriffe im typischen Amtsdeutsch enthalten, die für den Laien auf ärgerliche Weise unverständlich und verwirrend sind. Dies bedeutet besonders für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen zusätzliche Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden. Mehrere Städte und Gemeinden sowie Kreise in Deutschland versuchen zurzeit, diesem Misstand entgegenzuwirken, indem der Schriftverkehr verständlicher formuliert werden soll. Auch beim Kreis Gießen gibt es entsprechende Bestrebungen.“ Deshalb hatte sich, wie der „Landbote“ weiter berichtete, der Kreistags-Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen mit dem Thema anhand von Formularvorschlägen beschäftigt. Die Kreisverwaltung in Gießen hat jetzt, Ende 2016, begonnen, ihren Amtsbescheiden Beiblätter in einfacher, verständlicher Sprache beizufügen. Diese Zusatzerklärungen sind, wie die Kreis-Pressestelle erläutert, sprachlich nicht so formal gehalten, wie man es von amtlichen Bescheiden kennt. Sie sollen den Bürgerinnen und Bürgern Verwaltungshandeln besser verständlich machen.
Es geht um Barrierefreiheit
In einem ersten Schritt sind dies Bescheide aus dem Fachbereich Jugend, Soziales und Familien. Aus Gründen der Rechtssicherheit können die Bescheide selbst nicht ohne Weiteres geändert werden. Aus diesem Grund ist auf den Beiblättern jeweils der Hinweis enthalten, dass nur der originale Bescheid rechtlich gültig ist. „Wer einen Amtsbescheid nicht versteht, fühlt sich selbst oftmals unverstanden“, sagt einer der Initiatoren des Projekts, der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Dirk Oßwald. Dieses Projekt sei Ausdruck der Kundenorientierung, auf die in der modernen Verwaltung ein Hauptaugenmerk gelegt werde, erläutert er weiter.
Die Thematik wurde mit einem Antrag der ehemaligen Kreistagsabgeordneten Maren Müller-Erichsen auf die Agenda gebracht. Im November 2015 beschloss der Kreistag auf ihre Initiative hin, alle Amtsbescheide auf für die Adressaten verständliche Sprache prüfen zu lassen. Wie eingangs erwähnt, engagierte sich der Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen sich in der Folgezeit ebenfalls für die Einführung von Erklärungen zu Amtsbescheiden. „Auch hier geht es um Barrierefreiheit und darum, alle Menschen im Sinne der Inklusion ins Boot zu holen“, ergänzt der Beiratsvorsitzende Sven Germann.
Sprachbarrieren werden abgebaut
Barrierefreiheit ist ein Thema, das stetig an Bedeutung gewinnt. Im Baubereich wird eine Gestaltung der baulichen Umwelt als barrierefrei bezeichnet, wenn sie von Menschen mit Beeinträchtigungen ohne zusätzliche Hilfen genutzt und wahrgenommen werden kann. Dasselbe kann aber auch für Informationsangebote oder Kommunikation gelten. In diesem Fall gilt es, Sprachbarrieren abzubauen. Der Studienleiter des Hessischen Hochschulverbandes, Martin Lüpkes, hat die Erklärungen stilistisch geprüft und überarbeitet. „Amtsbescheide zu verstehen – das kann für jeden von uns eine Herausforderung sein. Eine Stigmatisierung unserer Bürgerinnen und Bürger ist damit nicht verbunden, im Gegenteil. Die Beiblätter werden unterschiedslos und generell immer beigefügt“, erklärt Dirk Oßwald. Für die Zukunft ist vorgesehen, die Mitarbeiter des Landkreises Gießen für die Thematik weiter zu sensibilisieren. „Die Einführung der Beiblätter im Bereich Jugend, Soziales und Familien ist nur der erste Schritt, weitere Sachgebiete mit Kundenverkehr werden bald folgen“, kündigt der Dezernent an.
Ein beispielhaftes Beiblatt für einen barrierefreien Amtsbescheid ist im Internet auf der Startseite des Landkreises unter lkgi.de zu finden.