Alles Gute

Der Weidig-Büchner Roman

Von Bruno RiebIMG_1780-682x1024

Manchmal lässt einen der Zufall Gutes entdecken: eine antiquarische Ausgabe des Romans „Georg Büchner – Eine deutsche Revolution“ zum Beispiel.

Blutbad zum Auftakt

„Als wir uns Södel wieder näherten, hörten wir Lärm und Schießen. Wir liefen. Ich sah gerade noch, wie die Reiterschwadron schwenkte, sich sammelte und zum zweiten mal lospreschte. Vor ihnen flüchtende Männer! Die Soldaten hieben mit ihren Pallaschen auf die Laufenden ein. Ich sah ein paar Tote und viele zusammengerittene Leute, von denen ich einige kannte. Auch Frauen lagen auf der Straße. Das Geschrei der Verwundeten klang wüst aus den Häusern heraus, deren Tore verrammelt waren.“ So lässt Kasimir Edschmid auf den ersten Seiten seines Romans Friedlich Ludwig Weidig das Blutbad von Södel schildern. Ein Pallasch ist ein Säbel mit zweischneidiger, schwerer Klinge. Am 1. Oktober 1830 hatten in Södel Soldaten des Großherzogtums Hessen ein Massaker unter den Dorfbewohnern angerichtet,  die gegen die hohen Zölle rebellierten. Dieses Blutbad von Södel beflügelte die Freiheitskämpfer des deutschen Vormärz.

Blickwinkel des Aufstandes

Gut hätte das Werk auch „Friedrich Ludwig Weidig – Eine deutsche EdschmidRevolution“ heißen können, denn der revolutionäre Pfarrer aus Butzbach steht mindestens so im Fokus des Romans wie Büchner. Als der Roman 1950 zum ersten Mal gedruckt wurde, war sein Titel noch „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen“. Erst die Neuauflage 1966 trug den Titel „Georg Büchner – Eine deutsche Revolution“, wohl weil Büchner im Titel verkaufsträchtiger war. 1980 erschien im Suhrkamp-Verlag eine Taschenbuchausgabe. Das war’s dann.

Kasmir Edschmid (1890 – 1966) war ein fleißiger Schriftsteller, aber keines seiner Werke hat zu Nachruhm geführt. Leider auch nicht sein Büchner-Roman. Der hätte es durchaus verdient. Er gehört jedenfalls in die Landbote-Rubrik „Alles Gute“.  Edschmid lässt den deutschen Vormärz vom Blutbad in Södel über den Frankfurter Wachensturm und den Hessischen Landboten bis zu Weidigs Tod im Darmstädter Kerker aus ständig wechselnden Blickwinkeln erzählen: mal berichtet der Weidig-Zögling Franz Zeuner, mal Weidig selbst, mal Büchner selbst, mal Büchners Braut Minni. Sogar Weidigs Folterer Richter Georgi kommt zu Wort. Edschmid kennt die Schauplätze seines Romans gut: Er stammt aus Darmstadt, hat in Gießen studiert. Und er kennt den Stoff, denn er hat die gesammelten Werke Georg Büchners herausgegeben.

Revolutionär mit dem Gesicht nach hinten

Edschmid schildert die Auseinandersetzung um den Landboten aus der Sicht Büchners. Den lässt er Weidig so beschreiben: „Er stak, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, im vorigen Jahrhundert. Er war ein Revolutionär, kein Zweifel, aber mit dem Gesicht nach hinten. Er hatte keine Axt in der Hand, sondern die Bibel, und er hieb mit ihr nicht auf die Wurzeln, sondern in die Äste der Gegenwart. Die Äste wuchsen wieder nach, und die Bibel ging dabei in Fetzen, er merkte es nicht.“

Zum Tod Weidigs im Butzbacher Kerker lässt Edschmid einen Untersuchungsrichter folgende Theorie aufstellen: Weidig „wusste, dass Georgi seit zwei Jahren an allen Gerichten bettelte, ihn schlagen lassen zu dürfen, und er suchte es fertigzubringen, dass Georgi ihn Schlug. Darauf machte er einen Selbstmordversuch, der nicht so ernst gemeint war, wie er aussah, um seinen Skandal zu bekommen. Aber Georgi benutzte die Gelegenheit, ihm den Hals abzuschneiden“.

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