Der Elektrolurch
Von Bruno Rieb
Mit 75 Jahren trommelt Mani Neumeier noch wie einst. Die Krautrocklegende Guru Guru lebt – und wie. Ein Konzertbesuch ist alle Gute.
Ein Brett im Bett
Meiner Frau hatte ich vor dem Konzert nichts von der Band vorgespielt. Ich wollte, dass sie mitkommt zum Konzert von Guru Guru, deren Musik dereinst durch die Wohngemeinschaften waberte. Ein Zufall hatte mir zwei Karten für deren Auftritt der Krautrocklegende am 11. Dezember 2015 in Frankfurt in die Hände gespült. Bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass die Jungs überhaupt noch aktiv sind. Eine Freundin hatte meiner Frau geraten: „Nimm Ohrenstöpsel mit, die sind verdammt laut.“ Und sie hatte gewitzelt: „Was sagt man vor Guru Guru? Kän Kän“
Das Lokal hört sich an wie ein Altenpflegeheim: Das Bett. Die vier Herren, die sich auf die Bühne schleppten, wirken wie die ältesten Bewohner, sehen aus wie die Opas von Keith Richards. Mani Neumeier ist 75. Der Auftritt in Frankfurt war der vorletzte seiner „Dreiviertel-Jahrhundert-Tour“ in diesem Jahr. Die Band gibt es seit 1968.
Bedächtig legen Roland Schaeffer und Hans Reffert die Gitarren um, nimmt Peter Kühmstedt den Bass zur Hand, setzt sich Mani Neumeier hinters Schlagzeug. Er schlägt einen mächtigen Gong an – und setzt eine unglaubliche Wandlung in Gang. Kaum sind die ersten Töne gespielt, wirken die Jungs auf der Bühne wie durch ein Wunder geheilte Gelähmte, die ihre Krücken wegwerfen und ausgelassen herumspringen. Alle vier sind großartige Musiker. Roland Scheffer spielt die indische Nadaswaran auch mal gleichzeitig mit dem Saxophon. Hans Reffert ist ein ganz großer Könner auf der Slide-Gitarre. Mani Neumeier kippt nach einem zehnminütigen Schlagzeugsolo aus einem Sack Blechschüsseln auf die Bühne und bringt sie mit seinen Schlagzeugstöcken nicht nur zum Klingen, sondern auch zum Tanzen.
Die magischen Rhythmen des Quartetts wirken wie ein Jungbrunnen auf die in Ehren ergrauten Fans: sie beginnen zu kreisen, zu hüpfen, zu toben. Darunter Pit, der seit 1968 kein Konzert von Guru Guru versäumt hat. Es sind keineswegs nur Menschen jenseits der 60, die den Weg zu Guru Guru ins Bett gefunden haben. Es sind auch viele deutlich jüngere Leute da, auch sie beinharte Fans. Der „Elektrolurch“, der Kultsong der Gruppe, wird zelebriert wie anderswo die Rocky-Horror-Picture-Show, nur ohne Reiswerfen. Jede Zeile des recht absurden Textes wird mitgesungen, etwa:
„Gestatten, hier spricht der Elektrolurch.
Ich wohne in der Lüsterklemme
Neben dem Hauptschalter.
Ich sorge für euren Saft.
Volt, Watt Ampere, Ohm –
Ohne mich gibt’s keinen Strom.“
Meine Frau war überglücklich, dabei gewesen zu sein. Die Ohrenstöpsel hat meine Frau nicht gebraucht. Und ein Titel, den die Band spielte, hieß tatsächlich „Känguru“.
Guru Guru waren ein Brett im Bett. Ihren Auftritt in der Landbote-Rubrik „Alles Gute“ haben sie sich redlich verdient.