„Manchen wird es sogar zu ruhig“
Fünf Monate nach Eröffnung der neuen B3 zeigen sich die Erfolge – und neue Probleme. Seit dem 11. Januar 2018 ist Nieder-Wöllstadt wieder Sackgasse. Erst Ende März wird der Anschluss nach Rodheim und Okarben wieder freigegeben. Auch an anderen Stellen tut sich noch einiges. Das Bild zeigt: Die Ortsdurchfahrt kann man jetzt ohne Lebensgefahr überqueren.
B3 – Umgehung Wöllstadt
Wieder einmal müssen die Pendler neue Wege suchen, um aus der östlichen Wetterau nach Frankfurt oder zur Autobahn zu kommen. Denn der Knoten am südlichen Ortsrand von Nieder-Wöllstadt ist geschlossen. Der Kreuzungsbau dauert dort bis zum 9. März 2018. Ans Ziel kommen die Fahrer über die neue B3 um Nieder- und Ober-Wöllstadt herum. Doch die in Richtung A5 fahrenden Autos nehmen lieber die Abkürzung durch Ober-Wöllstadt über die Homburger Straße, beobachtete der Bauausschuss-Vorsitzende Peter Dangelmaier. Und: „Sie fahren wesentlich schneller als früher“. Zu schnell auch auf der kurvigen Neubaustrecke zwischen dem Nieder-Wöllstädter Ortsschild und der Auffahrt Richtung Ilbenstadt. Da habe es seit August etliche Unfälle gegeben, sagt Dangelmaier. Schlimmer werde es wohl noch, sobald im März oder April die provisorische Ampel an der Auffahrt abgebaut wird. Auf dieser Strecke müsste die Straßenverkehrsbehörde durchgehend Tempo 50 vorschreiben und überwachen, schlägt der Wöllstädter CDU-Politiker vor.
Ein noch strengeres Tempolimit braucht nach seiner Auffassung die Homburger Straße in Ober-Wöllstadt. Diese Kreisstraße 11 müsste zur Tempo-30-Zone und auch schmaler werden, damit die durchfahrenden Pkw und Lastwagen nicht zu schnell in die zentrale Kreuzung mit der Gießener und Hanauer Straße geraten. Für die aus Nieder-Wöllstadt kommenden Autos müsste dort ein Stoppschild herbei, findet Dangelmaier außerdem.
Für Radfahrer birgt zudem die neue Einmündung von der B3 auf die Verbindungsstraße zwischen beiden Ortsteilen Gefahren. „Wir werden auf dem Radweg von den abbiegenden Autos einfach nicht gesehen“, sagt die oft zum Bahnhof radelnde Ober-Wöllstädterin Jutta Rippegather. Die Einmündung müsse besser beleuchtet werden. Demnächst soll der noch provisorische Radweg auf die alte Trasse zurück verlegt werden.
Weiter nördlich wird in einigen Tagen die alte B3 zwischen Friedberg und dem Ober-Wöllstädter Ortskern für zwei bis drei Monate halbseitig gesperrt. Die Fahrbahn soll schmaler werden und einen Radweg bekommen. Die Busse von Norden in Richtung Bahnhof Nieder-Wöllstadt kommen dann laut Dangelmaier über die neue Anbindung zwischen Nieder- und Ober-Wöllstadt und machen einen Schlenker durch Ober-Wöllstadt, um die Fahrgäste einzusammeln. Etwa ab März müssen sie dabei wie alle Autos auf der Hanauer Straße Slalom fahren. Denn die wird bis weit ins Jahr 2019 halbseitig in Abschnitten immer wieder gesperrt, um Versorgungsleitungen und die Fahrbahn zu erneuern. Eine von Anwohnern und Pendlern befürchtete Vollsperrung werde es aber nicht geben, sagt der Chef des Bauausschusses.
Etwa 60 Prozent weniger Verkehr
Was hat sich seit der Inbetriebnahme der Umgehungsstraße im August 2017 verändert? Geradezu begeistert ist der Alt-Bürgermeister Alfons Götz. Vor seinem Wohnzimmerfenster habe sich der Verkehr mindestens um 60 Prozent verringert, sagt der Ober-Wöllstädter. Das bestätigen alle Befragten. „Manchen Anwohnern wird es sogar zu ruhig“, weiß Peter Dangelmaier. Allerdings lassen Lastzüge und Personenwagen frühmorgens und am späten Nachmittag immer noch ihr Wohnhaus an der Einmündung der Ilbenstädter Straße in die Nieder-Wöllstädter Ortsdurchfahrt erzitten. Das berichtet die seit 1976 am verkehrsreichsten Platz Wöllstadts lebende Heidemarie Reinhardt. Und die Motorradfahrer gäben nach wie vor dröhnend Vollgas. Die 74-Jährige bleibt dabei: „Wenn mein Mann und ich für das Haus noch etwas bekämen, dann gingen wir hier fort!“ Die Reinhardts werden bleiben – doch die Ampel an dieser Stelle wird im Frühjahr abgebaut, sagt Peter Dangelmaier. Man brauche sie wegen des geringen Verkehrsaufkommens nicht mehr.
Mit Sorgen haben die Wöllstädter Geschäftsleute auf die neue Umfahrung gewartet. Der Umsatz sei seit August um etwa zehn Prozent geschrumpft, berichtet nun der Ober-Wöllstädter Einzelhändler Dirk Röthig. Es kämen weniger Spontan-Einkäufer. Auch weniger Kunden, die Lottoscheine kaufen.
Ähnliche Verluste meldet der Nieder-Wöllstädter Apotheker Rouzbeh Noushinfar – er hatte im vorigen August befürchtet, ganz aufgeben zu müssen. „Etwa 20 Prozent unseres Umsatzes bekamen wir von Durchfahrern“, sagt der Pharmazeut. Doch inzwischen nutzten mehr Wöllstädter die einzige Apotheke des Ortes – sie kompensierten die Verluste teilweise.
Geringere Umsätze brachte die neue Umgehungsstraße auch dem Café Lifti schräg gegenüber der Apotheke. „Morgens kommen weniger Leute, die Kaffee und belegte Brötchen kaufen“, sagt der Inhaber Michael Meisinger. Gerade in der Sackgassen-Zeit während der bis März dauernden Straßensperrung haben laut Meisinger auch die Shell-Tankstelle, der Hinnerbäcker, die Betreiberin des Wasserhäuschens und der Blumenladen an der Frankfurter Straße weniger Einkünfte. „Wir werden das schon irgendwie überleben“, meint der Gastronom. Die Betriebe wollen gemeinsam ein großes Banner drucken lassen. Es soll an der Kreuzung aufgehängt werden und allen Autofahrern mitteilen, dass sie als Kunden durchaus in die temporäre Sackgasse fahren dürfen.
Die neue B3
Gut vier Jahrzehnte lang wurde die Umgehungsstraße diskutiert. Erst Bürgermeister Alfons Götz brachte ab der Jahrtausendwende konkrete Planungen in Gang. Der erste Spatenstich war im November 2012. Seit Ende August machen täglich mehr als zehntausend Fahrzeuge einen Bogen um die 6200 Einwohner von Ober- und Nieder-Wöllstadt. Der Bund investierte rund 45 Millionen Euro in den Bau der 9,1 Kilometer langen Strecke.