… von Jutta Himmighofen-Strack
Der Landbote gibt Tipps für Geschenke. In letzter Minute empfiehlt Jutta Himmighofen-Strack das Buch „Raumpatrouille“ von Matthias Brandt.
Für die Kinder der 1970er
Matthias Brand ist den meisten Menschen als Schauspieler bekannt. Vielfach ausgezeichnet und einem breiten Publikum als Kommissar Hanns von Meuffels aus dem Polizeiruf 110 vertraut. Mit dem Buch „Raumpatrouille“ widmet er sich erstmals nicht dem gesprochenen, sondern dem gedruckten Wort. Vierzehn Geschichten, sprachlich und inhaltlich ein wahres Lesevergnügen. Nicht nur für Leser, die ihre Kindheit ebenfalls in die 70er Jahre verorten, aber für die besonders. Saba-Fernseher, Walter Spahrbier, der würdevolle Briefträger in der Fernsehsendung Vergißmeinnicht, Bonanzarad, grüne Puma- und blaue Adidaskartons mit Namen wie Netzer-Azur. Und schon ist man in seiner eigenen Kindheit gelandet und ein wenig verwundert, wie viele Parallelen es zu seiner eigenen Kindheit gibt.
Mein Zeitgenosse
Ich bin zufälligerweise am gleichen Tag und Jahr wie Matthias Brandt geboren. Zwar war ich nicht im eigenen Freiheitsdrang eingeengt wie Brandt als jüngster Spross von Willy Brandt durch Sicherheitspersonal, aber dafür von der sozialen Kontrolle der kleinen Dorfgemeinschaft, in der ich aufwuchs. Im Prinzip sind manche Akteure auswechselbar. Matthias Brand wurde rausgeputzt (Clubjacke mit Anker!) für den Besuch bei Heinrich Lübke, der gleich nebenan wohnte. Ich für den Sonntagsbesuch bei Tante Emma, nur trug ich die Mädchenvariante des Clubjäckchens, selbstverständlich auch mit Anker. Doch neben all dieses Zeitgeist-Einflüssen, gegen die man sich aber ohnehin nicht wirklich wehren konnte, kann/darf man mit dem Chef der Raumpatrouille auch noch mal in die Gefühls- und Phantasiewelt seiner eigenen Kindertage eintauchen: An die schamvollen Ereignisse, die man ganz tief ins Unterbewusstsein vergraben hatte, die Selbstüberschätzung, die Einsamkeit, an das dazugehören wollen, an den Wunsch nach Anerkennung und die Macht der Phantasie.
Wenn man die letzte der vierzehn Geschichten gelesen hat, weiß man, dass es völlig unwichtig ist, was bei diesen Geschichten Realität und was Fiktion ist. Kein zeithistorisches Buch, sondern beste Literatur zum Verschenken oder selber genießen.
Matthias Brandt „Raumpatrouille“, 14 Geschichten auf 172 Seiten, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch (18 Euro),