Mit offenem Visier
Um viel geht es für Peter Heidt bei der Wahl zum Deutschen Bundestag, die am Sonntag, 26. September terminiert ist. An diesem Tag wird sich zeigen, ob er wieder ein Mandat erobert. Es könnte knapp werden, denn der 56-Jährige steht auf der Landesliste erneut „nur“ auf Platz 7. Insofern ist der FDP-Mann am 26. September vor allem auf die Zweitstimmen angewiesen.
Seit 2019 im Bundestag
Beim letzten Mal, als er 2017 ebenfalls auf Platz 7 stand, verfehlte er den Einzug in den Bundestag knapp. Er rückte erst im März 2019 nach, als die Liberale Nicola Beer als Abgeordnete ins Europaparlament ging. Nach Jahrzehnten ehrenamtlichen politischen Engagements war die Stunde für ihn endlich gekommen. Im Rahmen der Serie „Bad Nauheim-Berlin“ stellt diese Zeitung die Bundestags-Kandidierenden aus der Kurstadt vor. Dies vor dem Hintergrund langjährigen journalistischen Erlebens seitens der Autorin. Zu kritischen Anmerkungen hat sie Heidt um Stellungnahme gebeten.
In Hessen verwurzelt
Wer ist Peter Heidt? Auf jeden Fall ein Mensch, der als Politiker spannend ist. Heidt ist mit dem Herzen dabei. Es ist unterhaltsam, ihn zu erleben, sei es im Bundestag oder im Stadtparlament, wo er sich nach wie vor engagiert. „Ich würde niemals Bad Nauheim den Rücken kehren. Hessen ist meine Heimat, hier bin ich verwurzelt“, erklärte er einmal. Seine kommunale Basis will er nicht verlieren. „Was ich hier erlebe, nehme ich nach Berlin mit und hoffe, an der einen oder anderen Stelle etwas für die Wetterau tun zu können.“
Freund der deutlichen Sprache
Wenn Heidt Reden hält, tut er dies auf seine typische temperamentvolle Art. Er ist einer, der Tacheles spricht, sich nicht in langatmigen Satzkonstruktionen verzettelt. Vielmehr bedient er eine einfache Sprache. Etwa, als er die Optik des Hauptbahnhofs von Bad Nauheim als „Scheiße“ bezeichnete.
Sachverhalte zuspitzen
„Ich bin sicherlich ein Freund einer deutlichen Sprache. Ich halte nichts davon, irgendwelche verklausulierten und weichgespülten Formulierungen zu verwenden“, sagt er. Man müsse in der politischen Auseinandersetzung auch mal einen Sachverhalt zuspitzen und damit Unterschiede zwischen einzelnen Parteien deutlich machen. Für ihn ist wichtig, diese politischen Auseinandersetzungen mit „offenem Visier“ zu führen. „Bei mir weiß jeder ganz genau, was ich in politischen Fragen denke.“
Mag den erhobenen Zeigefinger nicht
Während der eine diese Eigenschaft ehrlich findet, mag ihn jemand anderes vielleicht für populistisch halten. Wenn er die Grünen als „Gutmenschen“ und „Moralapostel“ bezeichnet, die ihm mitunter „auf den Geist“ gehen. Das kommentiert der Kandidat wie folgt: „Mich stört mehr denn je, dass die Grünen glauben, in der politischen Auseinandersetzung auf der moralisch besseren Seite zu stehen. Sie denken, dass sie uns sozusagen von oben herab mit dem erhobenen Zeigefinger erklären können, was nun richtig und falsch sei.“
Faszinierend sei in diesem Zusammenhang auch folgender Punkt: Sobald die Grünen Regierungsverantwortung haben, „wird diese Moral ganz schnell über Bord geworfen“. Dann werde mit dem Flugzeug geflogen und mit der „dicken Limousine“ mit Dieselmotor gefahren. Ob das stimmt, hat die „taz“ 2019 beleuchtet.
Heidt teilt schon mal aus
Bei Podiumsdiskussionen teilt er verbal schon mal aus. Etwa neulich im Junity Friedberg, nicht zum ersten Mal gegen den 23-jährigen Linken Julian Eder, der sich ebenfalls für den Bundestag bewirbt. Vielleicht sind sich die beiden nicht völlig unähnlich? Zumindest von der Klarheit und der Entschlossenheit her – nicht von den Inhalten. Die können den Liberalen nicht begeistern und vermutlich umgekehrt. Eder appellierte, sich der Bewegung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen anzuschließen und für die soziale Sache aufzustehen. Heidt entgegnete: „Er vertritt keine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern Hartz-4-Empfänger.“ Was sich Heidt dabei denkt, fragt man sich in solch einem Moment. „Ist ja okay“, schob er noch hinterher.
Einkommensteuer reduzieren, Bürokratie abbauen
Er gibt die Antwort: „Weil die Linke in der Tat für die klassischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine wirklichen Lösungen in ihrem Wahlprogramm anbietet.“ Diese Menschen hätten von einer Erhöhung des Mindestlohns nichts. Sehr wohl hätten sie aber etwas von einer Reduzierung der Einkommensteuer, der Sozialversicherungsbeiträge und von einem Abbau der Bürokratie. „Deshalb glaube ich mehr denn je, dass heutzutage Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr von der Partei Die Linke vertreten werden, sondern von der FDP.“ Darauf habe sich seine Bemerkung bezogen.
Hört gerne Hardrock
Auf jeden Fall ist Heidt Mensch geblieben, ein nahbarer Typ. Er ist nicht abgehoben, schwebt nicht in höheren Sphären. Heidt ist Hardrock- und Heavy Metal-Fan, zweiter Vorsitzender des Vereins „Schönes Dorfleben“ im Stadtteil Wisselsheim und organisiert dort mit anderen Beteiligten Konzerte.
Er mischt mit
Im Bundestag begann er 2019 gleich, sich einzubringen. Als Neuling musste er sich anfangs erst einarbeiten. Nach acht Monaten trug er seine erste Rede dort vor, bislang hielt er zwölf Reden. Auf dieses Ergebnis kommen nicht alle.
Im Ausschuss für Menschenrechte
Peter Heidt ist Mitglied des Ausschusses für Bildung und Obmann seiner Partei im Ausschuss für Menschenrechte. Das war für ihn als Newcomer 2019 ein Erfolg. Für Viktor Babaryko, den inhaftierten belarussischen Oppositionellen, hat er eine Patenschaft übernommen. Heidt will sich weiterhin für die Freilassung Babarykos einsetzen, der kürzlich zu 14 Jahren Straflager verurteilt wurde.
Bildung und Migrationspolitik
Seine Schwerpunkte sind denn auch die Menschenrechte, die Bildung sowie eine weltoffene, aber kontrollierte Migrationspolitik. An dieser Stelle geriet er ebenfalls mit dem Linken Julian Eder im Junity aneinander. Das Abstimmungsverhalten der Partei zum Rettungseinsatz aus Afghanistan sei „widerlich“ gewesen, bemängelte Heidt.
Fast nur Deutsche?
Die pazifistischen Linken hatten laut dem „Tagesspiegel“ erstmals einen Bundeswehreinsatz nicht kategorisch abgelehnt. Sie hatten sich demnach teilweise enthalten, teilweise dafür gestimmt, teilweise dagegen. Ihnen behagte laut „Tagesspiegel“ nicht, dass „fast nur Deutsche“ ausgeflogen werden sollten und sich die Bundeswehr den Weg in Kabul vielleicht hätte freischießen müssen. Heidt erwähnte nicht, dass sich die FDP zwei Monate vorher in der gleichen Sache ebenfalls enthalten hatte. Und die Linken damals zustimmten. Wie Heidt anmerkt, ist die Darstellung der Landbote-Autorin nicht richtig, wonach sich die FDP „in der gleichen Sache“ enthalten habe.
„Missverständlich“
Heidt: „Man kann den Antrag der Bundesregierung nicht mit dem Antrag der Grünen bezüglich der Ortskräfte vergleichen.“ Der Antrag der Bundesregierung habe sich auf das Bundeswehrmandat zum Ausfliegen der deutschen Mitarbeiter der Botschaft bezogen, sowie von verschiedenen Organisationen und den afghanischen Ortskräften.
FDP wollte kein Gruppnaufnahmeverfahren
„In meiner Bundestagsrede im Juni zu dem Antrag der Grünen habe ich sehr deutlich gesagt, dass wir die afghanischen Ortskräfte kurzfristig rausholen müssen.“ Die FDP habe dem Antrag der Grünen damals nicht uneingeschränkt zustimmen können, weil eben dort auch die Forderung eines Gruppen-Aufnahmeverfahrens gefordert worden sei. Heidt: „Wir haben einen eigenen Afghanistan-Antrag eingebracht, in dem wir auch die Evakuierung der afghanischen Ortskräfte gefordert haben. Diesem Antrag haben übrigens die Grünen auch nicht zugestimmt, weil sie anderen Punkten aus unserem Antrag nicht zustimmen wollten.“
„Haltung ist logisch und nachvollziehbar“
Insgesamt sei die Haltung der FDP logisch und nachvollziehbar, nämlich die afghanischen Ortskräfte zu evakuieren, aber jeden Einzelnen in Deutschland einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. „Das geschieht jetzt ja auch und man stellt auch fest, dass da einzelne Personen dabei sind, die sicherlich in Deutschland kein Bleiberecht haben dürfen. Dem eigentlichen Bundeswehrmandat zur Evakuierung haben wir dann zugestimmt.“
Er sieht Widersprüche
Die Linke habe für den Grünen-Antrag votiert, die afghanischen Ortskräfte in einem Gruppen-Aufnahmeverfahren auszufliegen. Dann aber dem Bundeswehrmandat nicht zugestimmt, welches ja genau die Evakuierung auch der Ortskräfte zum Inhalt hatte. „Es ist insoweit auch falsch, dass fast nur deutsche Staatsangehörige ausgeflogen werden sollten, das kann man dem entsprechenden Antrag so auch nicht entnehmen.“
Beruflicher Hintergrund Rechtsanwalt
Als Rechtsanwalt ist Peter Heidt weiterhin Mitinhaber seiner Kanzlei in Friedberg, was ihm vereinzelt auf Facebook schon vorgeworfen wurde: Er habe doch schließlich ein Bundestagsmandat und solle sich mit ganzer Kraft für Deutschland einsetzen. „Abgeordnete sind auf Zeit gewählt“, sagt Heidt. Deshalb benötige er als Rechtsanwalt neben dem Abgeordnetenmandat ein zweites Standbein, um damit wirtschaftlich unabhängig zu sein.
Auf Minimum reduziert
„Nach meinem Einzug in den Deutschen Bundestag im Sommer 2019 habe ich diese Tätigkeit mit Hilfe einer angestellten Rechtsanwältin auf ein Minimum reduziert. Ich habe die bis dahin bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst und mir neue, kleinere Kanzleiräume gesucht.“ In diesen neuen Kanzleiräumen in der Burg in Friedberg habe er eine Bürogemeinschaft mit einer Kollegin und teile sich mit ihr die Kosten und das Personal. „Sollte ich wieder in der Deutschen Bundestag gewählt werden, werde ich die Arbeit in der Kanzlei noch weiter reduzieren.“
Mit dem Herzen dabei
Seine Standpunkte kann man auf Abgeordnetenwatch.de unter „Wie tickt Peter Heidt“ kurz und gebündelt nachlesen.
Unter dem Strich muss man nicht mit allen Ansichten Heidts übereinstimmen.
Er ist sicherlich aber jemand, der etwas tut. Der sich einsetzt und intrinsisch motiviert für die Ziele die FDP kämpft. Wird er die Region weiterhin in Berlin vertreten? Wenn die Wahllokale schließen, wissen wir mehr.
Info
Peter Heidt ist 56 Jahre alt, wurde in Frankfurt geboren und wuchs im Bad Nauheimer Stadtteil Nieder-Mörlen auf. Er studierte Jura, wurde Rechtsanwalt und ist zweifacher Vater. Seit über 30 Jahren ist Heidt für die FDP in der Politik aktiv. Er war im Ortsbeirat, sitzt in Stadtparlament und Kreistag, kandidierte für Landtag, Bundestag und als Bürgermeister von Bad Nauheim. Seit Juli 2019 ist er Bundestagsabgeordneter und vertritt Wetterau- und Main-Kinzig-Kreis. Zu seinen Hobbys gehören Eishockey (EC) und Fußball (SGE). Heidt ist Vorsitzender des VfB Friedberg und 2. Vorsitzender des Vereins »Schönes Dorfleben Wisselsheim«. Heidt ist in zweiter Ehe verheiratet.
Ein Gedanke zu „Bad Nauheim-Berlin“