Schwangerschaftsabbruch

Der Fall der Giessener Ärztin Hänel

von Ursula Wöll

Kristina Hänel ist eine Giessener Ärztin, sie nimmt auch Schwangerschafts- abbrüche vor. Auf ihrer Homepage ermöglicht sie Interessierten, über einen Link Informationen zu einem solchen legalen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten . Sie informiert also über gesetzliche Voraussetzungen sowie Methoden und Risiken eines solchen Eingriffs. Auch ermöglicht sie Frauen ein persönliches Gespräch. Sie wirbt also keineswegs für einen Abbruch. Doch ihre neutralen, sachlichen Mitteilungen interpretieren Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen als Werbung, die vom § 219a StGB verboten wird. Diese Gegner aus dem Umfeld evangelikaler Sekten zeigten die Ärztin in den letzten zehn Jahren wiederholt an. Damit wollten sie auch andere Ärzte einschüchtern, eine Kasseler Ärztin wurde ebenfalls angezeigt. Die Verfahren gegen die Giessener Ärztin wurden vom Amtsgericht Giessen bisher immer eingestellt. Die letzte Anzeige erfolgte im Herbst. Und diesmal erhob der Giessener Staatsanwalt Anklage gegen Kristina Hänel.

Petition an den Deutschen Bundestag

Daraufhin unterschrieben in kürzester Zeit 150434 Frauen und Männer online über Change.org einen Petitionsbrief an den Deutschen Bundestag, um eine Streichung des aus dem Jahr 1933 stammenden Paragrafen zu fordern. In dem Appell heißt es: „Der § 219aStGB ist veraltet und überflüssig. Er behindert das Anrecht von Frauen auf sachliche Information.“ Auch ich gehöre zu den UnterzeichnerInnen, denn gerade beim Schwangerschaftsabbruch müssen Frauen sich medizinisch und sachlich weitgehend informieren können und eine freie Arztwahl haben. Sonst gehen sie notgedrungen zu dem Arzt, der ihnen vielleicht von der Beratungsstelle empfohlen wird. Der Besuch einer solchen Beratung ist ein Muss. In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis straffrei, wenn die Frau sich bis drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschafts-Konfliktberatungsstelle hat beraten lassen.

Initiative zur Streichung des §219a

Die Ärztin wurde tatsächlich am 24. November vom Amtsgericht Giessen zu einer Strafe von 6000 Euro verurteilt. Sobald das Urteil zugestellt ist, will sie Rechtsmittel dagegen einlegen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Mittlerweile gibt es in den Parteien von SPD, Grünen und Linken Initiativen für eine Streichung des §219a. Auch die FDP findet dessen derzeitige Fassung nicht gut, da sie erlaubt, sachliche Information über einen Abbruch als Werbung für einen Abbruch zu interpretieren. Nur die Union möchte den Paragrafen bislang beibehalten. Auch im Bundesrat ist man durch den Fall Kristina Hänel wachgeworden. Vier Länder wurden initiativ und fordern eine Abschaffung des Paragrafen. Am Freitag, dem 22. Dezember entschied die Länderkammer auf ihrer letzten Sitzung vor dem Fest, einen Gesetzentwurf  in die Ausschüsse zu geben, der eine überfällige Streichung des § verlangt  Er kann womöglich schon in der nächsten Sitzung am 2. Februar 2018 beschlossen werden. Das wäre ein Glück für die betroffenen Frauen, die sich ohnehin in einer Streßsituation befinden und sachliche medizinische Aufklärung benötigen. Aber auch ein Glück für die MedizinerInnen, die ihre legale Hilfe dann angstfrei leisten können.

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