Viele Windmasten für die Wetterau
Von Klaus Nissen
Nicht weniger als 15 neue Windkraftwerke sind 2023 für die östliche Wetterau beantragt worden. Für drei weitere wird der Antrag in Kürze erwartet. Die Baukräne treten aber frühestens 2025 in Aktion.Windkraft: Energiewende nimmt Fahrt auf
Die Energiewende nimmt Fahrt auf. Anfang 2024 drehen sich 33 meist kleinere Rotoren im Wetteraukreis. Etliche von ihnen können nun mit viel größerer Leistung erneuert („repowered“) werden. Zusätzlich sind über 20 neue Windmasten beim Regierungspräsidium in Darmstadt im Antragsverfahren – die meisten sollen auf den Vogelsberg-Ausläufern im östlichen Kreisgebiet entstehen.
In der Übersicht des Regierungspräsidiums vom 8. März stehen gleich sieben künftige Windkraftwerke in der Gemarkung Höllberg – links und rechts der Bundesstraße 275 zwischen Ortenberg und Gedern. Das Gießener Unternehmen Iterra Energy hat sie im vorigen Dezember beantragt. Drei dieser jeweils 261 Meter hohen Anlagen sollen im Vorranggebiet 2-832 östlich von Schwickartshausen entstehen. Drei weitere im Vorranggebiet 2-912 südlich davon, im Wald zwischen dem Hillersbach und der B275 an der Strecke zwischen Lißberg und Hirzenhain. Die siebte Anlage von Iterra ist im Vorranggebiet 2-915 noch ein Stück weiter südlich am bewaldeten Scharberg zwischen Lißberg und Usenborn geplant.
Iterra baut sieben Windmasten an der B275
Die sieben neuen Windkraftwerke vom Typ Vestas V172 können bis zu 7,2 Megawatt Windstrom ins Netz einspeisen. Die nötigen Grundstücke und Zufahrten habe man sich gesichert, meldet die Iterra-Sprecherin Inga Reich auf Anfrage. Mit der Baugenehmigung rechne man für das zweite oder dritte Quartal 2025. Wenn alles klappt, sollen die siehen neuen Anlagen Ende 2026 den ersten Windstrom ins Netz speisen.
Die Städte Ortenberg und Nidda werden über die Gewerbesteuern von den neuen Kraftwerken profitieren, verspricht Inga Reich. Ob und welche Bürgerbeteiligung möglich ist, könne man jetzt noch nicht sagen. Da ein Megawatt Windstrom-Leistung nach einer Faustformel mindestens eine Million Euro kostet, dürfte Iterra rund 50 Millionen Euro in die sieben Windmasten investieren.
Für das Vorranggebiet 2-915 zwischen Lißberg und Usenborn beantragte im Januar die Firma Abo-Wind aus Wiesbaden drei Windkraftwerke. Die 250 Meter aufragenden Anlagen vom Typ Siemens Gamesa können jeweils bis zu 6,6 Megawatt Strom erzeugen.
Drei weitere Windkraftwerke wurden laut Regierungspräsidium im August 2023 für das Vorranggebiet 2-502 bei Wenings auf Gederner Gemarkung beantragt. Auf Kefenröder Gemarkung sind zudem zwei gleichstarke Enerconn-Windkraftwerke seit September 2023 im Genehmigungsverfahren.
Drei Anlagen nördlich von Borstorf
Der Wind am Vogelsberg soll noch viel mehr Strom erzeugen. Im bislang nicht genutzten Vorranggebiet 2-825 im Wald nördlich von Borsdorf und Harb will die Iterra Energy bis Ende Juni drei Windkraftwerke beantragen. Auch hier habe man sich die Grundstücke schon gesichert, meldet Inga Reich. Wenn die Genehmigung bis Mitte 2025 eintrifft, könne man Ende 2026 Strom liefern. Für die insgesamt zehn geplanten Windkraftwerke will die Iterra in unbestimmter Zukunft Bürgerinformationsveranstaltungen organisieren.
Einige Kilometer nördlich davon, bei Ulfa, plant die Firma Abo-Wind schon seit Jahren den Bau dreier Windmasten. Die 247 Meter hohen Ener4con-Anlagen sollen jeweils 5,5 Megawatt leisten. Das entspreche 36 Millionen Kilowattstunden im Jahr – genug Strom für 11 000 Haushalte. Ursprünglich rechnete Abo-Wind schon für dieses Jahr mit dem Baubeginn. Doch die Genehmigung wird wohl erst bis Jahresende eintreffen, schätzt die Firmensprecherin Lena Fritsche. „Mit dem Beginn des Baus rechnen wir im Herbst 2025, der Windpark wäre dann voraussichtlich Anfang 2027 am Netz.“
Rolle der Kommunen wird bei der Ansiedlung kleiner
Die Standortkommunen wissen nur wenig über die neuen Windkraftprojekte. „Das Thema wird nach konkreter Planung dem Magistrat und den Gremien vorgestellt“, teilt Uwe Bonarius im Rathaus von Nidda auf Anfrage lapidar mit. In Ortenberg lässt Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring erkennen, dass ihr die ganze Richtung nicht passt: „Ich persönlich habe allergrößte Bedenken im Hinblick auf unsere Topographie, wenn auf den Bergkuppen Wald entfernt wird und bei Starkregen und Extremwetter im Tal Haus- und Wohngrundstücke geflutet werden. Diese Bedenken haben wir auch im Magistrat umfangreich erörtert und eine rechtliche Prüfung der geplanten Vorhaben in Verbindung mit den Hochwasserrisiken und den Starkregengefahrenkarten vom Pegierungsprädium erbeten.“
Aus der Bevölkerung hört Pfeiffer-Pantring nach eigenem Bekunden relativ wenige Meinungen zum künftig ganz anders aussehenden Landschaftsbild. Alle neu beantragten Windkraftwerke kämen in den Wald, beklagt Harald Aßmus von der Schwickartshausener Initiative „Gegenwind“. Die Politik habe „mal eben neue Verordnungen“ erlassen – „Natur- und Artenschutz adé“.
„Osterpaket“ beschleunigt Windkraftprojekte
Der Abschied von Öl, Gas und Kohle zwingt uns alle, schneller neue Solarpaneele aufs Hausdach und Windkraftwerke in die Landschaft zu setzen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat einen neuen Paragrafen 2 bekommen, der den Vorrang von neuen Windkraftplanungen festschreibt. Alt-Anträge stecken seit Jahren im Genehmigungsverfahren fest. Beispielsweise die beiden im Oktober 2021 beantragten Masten bei Melbach, die im November 2021 beantragte fünf-Megawatt-Anlage bei Kloppenheim und die schon beiden schon im Dezember 2020 beantragten Windkraftwerke zwischen Bruckenbrücken und Ober-Wöllstadt.
Mit einem 43 Seiten starken Erlass gab die Hessische Landesregierung im November 2023 Regeln zur schnelleren Bearbeitung der Windkraft-Bauanträge heraus. Dieses amtlich auch „Oster- und Sommerpaket“ genannte Vorschriftenwerk schafft die Umweltverträglichkeitsprüfung für Windparks ab, die in den schon definierten Vorranggebieten gebaut werden sollen.
Auch das Antragsverfahren für Erneuerung alter Windmasten ist entschlackt. Es darf maximal sechs Monate dauern. Falls die alten Windräder außerhalb eines Vorranggebiets stehen, muss nur eine „überschlägige“ Umweltprüfung vor der Erneuerung stattfinden. Und falls die neuen Rotoren dann viel größer sind, wird die „optisch bedrängende Wirkung“ auf die Nachbarn lockerer definiert. Eine 260 Meter hohe Neu-Anlage neben einem Wohnhaus gilt demnach nicht mehr als bedrängend, wenn sie 520 Meter entfernt steht.