Wilhelm II.

Der Kaiser und seine Wohnung

Von Klaus Nissen

Wenn sie nicht längst tot wären, könnten Wilhelm II. und seine Gattin Auguste Victoria sofort in ihre alte Wohnung wieder einziehen. Denn die hessische Schlösserverwaltung hat das große Appartement des letzten deutschen Kaisers im Bad Homburger Schloss freigehalten und sogar renoviert. Der Neue Landbote schaute nach, wie es bei Kaisers so aussah.

Wilhelm II. und die Ukraine

Es ist schon eine Weile her, seit Wilhelm II. zum letzten Mal in seinem Bad Homburger Schloss dinierte. Es war am 29. August 1918, verzeichnet die Hof-Chronik. Danach bestieg er seinen Salonzug und reiste nach Berlin. Der Erste Weltkrieg ging im folgenden Herbst in seine letzte dramatische Phase. Die des Völkerschlachtens müden Marinesoldaten in Kiel meuterten. Immer mehr Kanonenfutter verweigerte die Befehle.

Wilhelm II. und seine Gattin im Schlosspark von Bad Homburg. Der Monarch lief auch daheim gerne in der Uniform herum.

Reichskanzler Max von Baden legte dem Kaiser die Abdankung nahe. Doch Wilhelms Gattin Auguste Viktoria war entschieden dagegen, berichtet der Schloss-Führer Karlheinz Zindel. Im November 1918 mussten Kaisers dann doch Deutschland verlassen. Sie durften jede Menge Mobiliar mit nach Holland nehmen. Die Kaiserin starb 1921. Der Kaiser vergnügte sich dann noch 20 Jahre lang mit seinem Lieblingshobby – dem Sägen und Holzhacken.

Die Kaiserwohnung im ersten Stock des Homburger Schlosses blieb in den letzten hundert Jahren weitgehend unangetastet. Sie ist noch immer so möbliert, dass der Kaiser jederzeit zur Tür hereinkommen, die Uniformjacke aufreißen und sich auf die rote Chaiselongue in seinem Arbeitszimmer fläzen könnte. Bei der letzten Renovierung wurden sogar einige der in den letzten 104 Jahren verschleppten Möbelstücke wieder in die Kaiserwohnung gebracht. Aus dem Kloster Lorsch beispielsweise der „Danziger Schapp“ – ein wuchtiger Schrank, in den die Badewanne der Kaiserin integriert war.

In Schränken wurde gebadet und telefoniert

Kaisers hatten ohnehin ein Faible für Schränke. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man an einer der fast stündlichen Führungen durch das Schloss teilnimmt. Da hängt in einem altdeutschen Schrank ein altertümlicher Fernsprechapparat. Einst verband ihn eine direkte Leitung mit dem Oberkommando des Heeres in Berlin. In den Schrank setzte sich der Kaiser, wenn er geheime Befehle an seine Generäle durch die Leitung schrie – es musste ja nicht jeder Laikai mithören.

Ein Schrank steht auch im Badezimmer von Wilhelm II. Darin hockte der Kaiser auf dem Klo. Es ist noch immer da, doch der Wasseranschluss ist inzwischen abgeklemmt.

Die abflusslose Badewanne und das Bidet des Kaisers sind noch prima in Schuss. Foto: Nissen

Im Badezimmer ist die geräumige Badewanne aus Kupferblech tief in den Boden eingelassen. Das warme Wasser floss aus der Schlossküche hinein. Wenn der Kaiser wieder aus der Wanne stieg, mussten seine Diener das Badewasser mit Eimern abschöpfen. Denn es gibt keinen Abfluss. Neben der Wanne hängen noch blütenweiße Handtücher mit Kaisers Wappen über einem Ständer. Sie sind unbenutzt und wurden originalverpackt bei der jüngsten Renovierung auf dem Dachboden des Schlosses entdeckt.

Im Speisesaal sieht es am ehesten royal aus. Hier ist der Tisch immer eingedeckt. Foto: Nissen

Der Kaiser lebte in einer relativ modernen, beinahe schon gemütlichen Luxuswohnung. An die barocke Pracht seine absolutistischen Vorfahren erinnern nur die vielen Ahnenbilder und der große, mit viel Gold verzierte Speisesaal. Am eingedeckten Tisch in der Mitte liegt die dreizinkige, verstärkte Spezial-Essgabel des Kaisers. Denn er konnte wegens eines verkrüppelten linken Armes nur mit der rechten Hand essen.

Rittlings am Schreibtisch

Zurück zu Wohnung: Sie war schon Ende des 19. Jahrhunderts elektrifiziert. Die alten Leitungen und Steckdosen sind noch da. Und an den Türen sitzen jeweils zwei Klingelknöpfe: einer für den Kaiser, der andere für die Kaiserin.

Der höhenverstellbare Schreibtischsattel des Kaisers durfte nur von Jimmy Carter ausprobiert werden. Foto: Nissen

Die privaten Wohnräume von Wilhelm sind kleiner und nicht ganz so elegant wie die seiner Gattin. Nach damaliger Sitte sind sie recht vollgestopft mit Möbeln. An seinem Schreibtisch steht ein Ledersattel auf dem Bock. Der Kaiser saß gern wie ein Reiter vor seinen Papieren. Die Versuchung der Museumsgäste ist groß, einfach mal selbst aufzusitzen. Doch schon bei der Annäherung klingelt die Alarmglocke. „Nur der damalige US-Präsident Jimmy Carter durfte sich draufsetzen“, erzählt Karlheinz Zindel. „Er hatte in Frankfurt bei einer Zwischenlandung noch Zeit und wollte sich ein deutsches Schloss ansehen.“ Bad Homburg ist nicht weit, und die Kaiserwohnung eines US-Präsidenten würdig.

Ukraine: Anerkennung gegen Getreide

Einen anderen Bezug zur Gegenwart hat der Balkon auf der Hof-Seite der Kaiserwohnung. „Hier hielt Wilhelm II. seine letzte Ansprache in Bad Homburg“, berichtet der Schlossführer. Am 10. Februar 1918 erklärte der Kaiser seinen Untertanen, was es mit dem Brotfrieden auf sich hatte. Der Weltkrieg hatte die Ernährungslage der Deutschen stark in Mitleidenschaft gezogen.

Hinter dem Schlossparkweiter und dem Weißen Turm wohnte der Kaiser. Foto: Nissen

Da traf es sich gut, dass deutsche und österreichische Soldaten große Teile der Ukraine besetzt hatten. Die Ukrainer hatten sich zuvor von der jungen Sowjetunion unabhängig erklärt. Die Deutschen sagten ihnen zu, sie dem jungen Staat militärisch gegen die Russen helfen – wenn im Gegenzug Lebensmittel geliefert würden. Vertraglich festgehalten wurde laut Wikipedia schließlich, dass das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn von der Ukrainischen Volksrepublik bis zum 31. Juli 1918 fast eine Million Tonnen Getreide, 400 Millionen Eier und 50.000 Tonnen Rinder erhalten sollten.

Allerdings kamen nur etwa 120 000 Tonnen Getreide wirklich in den Westen. 1920 gab es einen Volksaufstand gegen die ukrainische Regierung, die nach Ansicht vieler der polnischen Regierung zu viel Land zugestanden hatte. Kurz darauf schlossen sich die Ukrainer der Sowjetunion an.

Ein Standortfaktor für Bad Homburg

Kaiser Wilhelm II. verfolgte diese Wirren schon nicht mehr von Bad Homburg aus. Der unfreiwillige Abschied hatte auch die meisten Bad Homburger betrübt. In den folgenden Jahren kamen weniger Reiche und Berühmte in die kleine Taunusresidenz. Das war schlecht für den Umsatz.

Heute allerdings sind der Kaiser und seine Familie wieder ein Geld und Bekanntheit bringender Standortfaktor für Bad Homburg. Tausende Touristen als der ganzen Welt besuchen das ehemalige Mini-Reich der Homburger Landgrafen. Es feiert 2022 übrigens das 400-jährige Jubiläum seiner Gründung. Anno 1622 hatte der Darmstädter Landgraf seine beiden jüngeren Brüder mit zwei kleinen Territorien in Butzbach und Homburg ausgestattet. Eine Ausstellung im Bad Homburger Schloss erzählt, warum und wieso. Und was das silberne Bein von Friedrich II. damit zu tun hat. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert