Umweltschutz

Der Biotop-Macher

Von Corinna Willführ

Seit fast vier Jahrzehnten engagiert sich Dietmar Wäß für den Umwelt- und Naturschutz. Mitte der 1980er war der heute 65-Jährige bereits für den Vogelschutz rund um seinen Heimatort Eckartsborn, einem heutigen Stadtteil von Ortenberg, aktiv. Seit 2016 ist er Vorsitzender des dortigen Ortsvereins des Naturschutzbundes NABU. Dietmar Wäß war und ist maßgeblich am Aufbau und dem Erfolg des Mitmach- und Informationszentrums „Haus an den Salzwiesen“ beteiligt. Auf heimischer Gemarkung hat der Diplom-Ingenieur zudem auf einem drei Hektar großen Gelände ein Biotop geschaffen. Für sein außerordentliches Engagement erhält Dietmar Wäß den Umweltschutzpreis 2023 des Wetteraukreises. Die Auszeichnung wird ihm am 17. Oktober 2023 um 19 Uhr im Kreishaus in Friedberg verliehen.

Drei Hektar Natur bei Eckartsborn

Dietmar Wäß ist ein „Grüner“, der bevorzugt blaue Polo-Shirts mit einem weißen Logo trägt, auf denen ein Storch und die Erkennungsbuchstaben des Naturschutzbundes NABU zu sehen sind. Während der 65-Jährige als Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtparlament Ortenberg vehement für die Anliegen seiner Partei streitet, verfolgt er als Vorsitzender des Ortsvereins der Naturschutzorganisation vor allem eines: die Menschen für den Natur-, den Arten- und den Umweltschutz zu gewinnen.

Dietmar Wäß in Aktion an der Biber-Rutsche nahe der Neumühle von Selters. (Fotos: Corinna Willführ)

„Der Dietmar ist einer, der was bewegen will. Und er ist einer, der was macht“, gestehen ihm auch Menschen anderer politischer Couleur zu. Das mag auch damit zu tun haben, dass er in der Flur „Kappesgärten“ in seinem Heimatort Eckartsborn als Privatmann ein drei Hektar großes Gelände zu einem besonderen Biotop gemacht hat. So war er nicht nur Initiator des Projekts „100 neue Obstbäume für Eckartsborn“, sondern pflegt – und die Pflege ist den Tieren anzusehen – bis heute dort eine 17-köpfige Herde von Coburger Fuchsschafen. „Das sind meine ökologischen Rasenmäher“, sagt Wäß.

Zuerst musste der Bagger ran

Die Tiere grasen unter Kirsch-, Apfel- und Mirabellenbäumen. Finden reichlich Futter auch auf der Wiese nebenan, wo Malven und Kuckucksnelken, der Große Wiesenknopf und die Wilde Möhre wachsen. Die blühende Vielfalt stammt aus Regio-Saatgut, das Wäß auf das Gelände aufgebracht hat. Libellen flirren über die Wasserflächen der Teichlandschaft, die es vor 2015 in den „Kappesgärten“ nicht gab.

Um das an einem nahe gelegenen Wassergraben liegende Areal so zu gestalten, wie es heute aussieht, musste erstmal der Bagger ran. Nicht nur einmal. Und nicht immer war es für die Nachbarn nachvollziehbar, was „der Dietmar“ dort mit tatkräftiger wie ideeller Unterstützung von Wolfgang Schleich, Tiefbauunternehmer aus Gedern, da machte. Was er gemacht hat und weiter fortführen wird: einen Wanderkorridor zu schaffen. Für Tiere aller Art. Von der kleinsten europäischen Maus über die Ringelnatter – beide hat er dort bereits mehrfach gesichtet – bis zur Wildkatze. Dass sich in dem Biotop eine reiche Anzahl an Laubfröschen angesiedelt hat, davon können sich alle Interessierten einmal jährlich im Frühjahr bei einem abendlichen Laubfroschkonzert überzeugen. Dirigiert wird es von Dietmar Wäß nicht, aber organisiert.

Ein „Bauernbub“ macht seinen Weg

Dabei hätte das alles anders kommen können. „Während die Jungs in meinem Alter Fußball spielten, musste ich mit meinem Großvater aufs Feld.“ Um Rüben zu ernten, um Kartoffel auszumachen. Da gab es kein Pardon. Dietmar Wäß legt nach der Volksschule in Gedern als Einser-Schüler die Mittlere Reife ab. Nach dem Wechsel auf das Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Büdingen fallen seine Leistungen ab. „Außer mir war nur noch ein Junge in der Klasse, der von einem Bauernhof kam. Zuhause haben wir Platt gesprochen, nicht Hochdeutsch. Ich habe mich damals so geschämt.“

Der NABU-Vorsitzende hält sich sichtlich gern draußen auf.

Doch der Eckartsbörner, der noch heute mit den Nachbarn die Sprache seiner Kindheit spricht, besteht das Abi. Er geht zur Bundeswehr, will Berufssoldat werden, bleibt indes auf eigenen Wunsch nur zwei Jahre beim Bund. „Bei allem Drill habe ich dort viel gelernt.“

Was aber nun? Dietmar Wäß, Offiziersanwärter und Zugführer, beginnt eine Ausbildung bei der Sparkasse Nidda. „Da sah ich mich mit über 20 mit Jugendlichen auf einer Bank in der Berufsschule.“ Ein Praktikum bei der Firma Ludwig Pfeiffer in Ortenberg bringt ihn dann auf den Weg, den er beruflich weiterverfolgen wird: die Metall-Verarbeitung. Er bewirbt sich für das Studium der Gießereitechnik an der Fachhochschule Gießen-Friedberg und macht dort auch sein Diplom als Ingenieur. Es folgen berufliche Stationen in München, Stadtallendorf, Wetzlar und schließlich Hirzenhain. Den Buben, der mal weit weg von Eckartsborn wollte, führt jede seiner beruflichen Entscheidung wieder näher an seinen Heimatort. 35 Jahre hat Dietmar Wäß im Stahlfeinguß bei Buderus gearbeitet, zuletzt als Leiter des Qualitätsmanagements.

Das Vereinsleben ist ihm wichtig

Ziemlich viel Technik und Industrie im Werdegang für einen, der den Umweltschutzpreis des Wetteraukreises 2023 erhält. Es war und sind die Menschen, die ihn am Ort gehalten oder zu diesem zurück gebracht haben. Zuvörderst seine Familie. Dann seine Zugehörigkeit zum Vereinsleben. Schließlich hat er doch auch mal beim Fußballverein der FC Germania Ortenberg gekickt. Und dann die Mitglieder der Vogelschutzgruppe Eckartsborn, die ihn zur Mitarbeite ermunterten – und damit den Samen legten für seine später Arbeit im Nabu. Denn nach er Wende Anfang der 90er Jahre gingen die Vogelschutzgruppen in Deutschland Ost und West im Nabu auf.

„Es waren immer Menschen, die sich mit Herz und Leidenschaft für die Natur eingesetzt haben, die mich überzeugt haben, mich selbst dafür zu engagieren.“ Dabei sieht Wäß seit vielen Jahren die Veränderung, die sich im Naturschutz vollzieht. Geht es noch nicht mehr allein darum, einzelne Arten, ob es die Fledermaus, der Milan oder die Turteltaube ist, zu schützen, sondern das Bewusstsein zu steigern, wie weit Natur- und Umweltschutz, Umwelt- und Klimaschutz zusammenhängen.

Teichanlage dient auch dem Hochwasserschutz

Der 65-Jährige steht vor seinem „Wanderkorridor“ und erläutert: „In der vergangenen Nacht hatten wir Gewitter mit Starkregen. In den angelegten Teichen konnten die Wassermengen aufgefangen werden, haben im Laisbachtal nicht zu Hochwasser geführt.“ Die Verdunstung auf den rund 3000 Quadratmetern Wasserfläche kann die Luft abkühlen, die Temperatur senken.“ Nicht zuletzt fülle das Nass aus den Teichen den Grundwasserspiegel auf. „Das ist ein Beitrag zum Natur-, Umwelt-, Klima- und Hochwasserschutz.“

Für alle vier Themen ficht Dietmar Wäß auch im Ortenberger Stadtparlament. Dort als Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/die Grünen, nachdem die Partei erstmals 2021 sich zur Wahl aufgestellt und mit nunmehr fünf Abgeordneten in diesem vertreten ist. „Für mich ist das eine weitere und auch erweiterte Möglichkeit positiven Einfluss auf Dinge zu nehmen, die den Natur- und Umweltschutz und damit unser aller Leben immer mehr bestimmen werden.“

Ein Haus bei Selters und eine Naturführergruppe

Da stimmt es den Vorsitzenden des Nabu Ortenberg zuversichtlich und auch ein wenig stolz, dass es ihm und dem elfköpfigen Vorstand in Kooperation mit der Umweltwerkstatt Wetterau mit Sitz in Niddatal-Assenheim in 2021 gelungen ist, eine engagierte Gruppe von Naturführerinnen und Naturführern auszubilden. Um das 2019 eröffnete „Haus an den Salzwiesen“, das ihm ein ebenso großes Anliegen ist, nach der Corona-Zwangspause, mit Leben zu erfüllen.

Dietmar Wäß (vorn links) und die frisch ausgebildeten Naturführerinnen und Naturführer des NABU Ortenberg. Dazu gehört auch die Landbote-Autorin Corinna Willführ (zweite Reihe links unten)

Das Mitmach- und Informationszentrum, das auf einem von der Stadt gepachteten Gelände – ehemals unter anderem ein Sportplatz – hat sich längst einen über Ortenberg hinausgehenden Ruf erworben. Erst kürzlich wurde es vom Nabu-Landesverband Hessen als Erlebnispunkt ausgezeichnet.

So sehr Dietmar Wäß das Gelände am „Haus an den Salzwiese“ mit seinem Kräutergarten, dem Barfußpfad, dem Backhaus, dem Grünen Klassenzimmer, den Teichen und seinen vielen Angeboten von Führungen und Workshops schätzt: zum Entspannen geht er in am liebsten in seinen „Wanderkorridor“ – in dem er auf morschen Stämmen von Eichen die Gedanken wandern lassen kann. Ganz für sich alleine.

Dietmar Wäß ist fünffacher Vater. Mit seiner zweiten Frau Birgit und den jüngsten Töchtern lebt er im umgebauten Kuhstall des einstigen großväterlichen, kleinen landwirtschaftlichen Betriebs im Ortenberger Stadtteil Eckartsborn.

Umweltpreis wird am 17. Oktober in Friedberg verliehen

Der Wetterauer Umweltschutzpreis wird bereits seit 1980 verliehen – und ist damit eine der ältesten Auszeichnung auf diesem Gebiet im Land. Dotiert ist er mit 500 Euro. Der Termin für die feierliche Auszeichnung von Dietmar Wäß ist für den 17. Oktober 2023 im Kreishaus in Friedberg vorgesehen.

Mehr zum Thema auf http://www.nabu-ortenberg.de

Ein Gedanke zu „Umweltschutz“

  1. Liebe Corinna,
    herzlichen Dank für diesen schönen Artikel im Landboten über mich. Es ist mir eine große Ehre, von dir porträtiert worden zu sein. Und ich freue mich über das tolle Ergebnis. Ein wunderbarer Artikel, der mich sehr stolz macht!
    Herzlicher Gruß aus Eckartsborn von Dietmar

    PS: eine Kleinigkeit möchte ich im Artikel aber noch richtig stellen: Wir leben nicht im umgebauten Kuhstall sondern in einem zum Wohnhaus umgebauten landwirtschaftlichen Gebäude, das früher u.a. auch einen Kuh- und einen Schweinestall beherbergte 🙂

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