Susie Vrobel

Innenwelt und Außenwelt

Von Corinna Willführ

In ihrem neuen Buch „Innenwelt – Außenwelt“ geht die Bad Nauheimer Wissenschaftlerin Susie Vrobel der Frage nach: „Wie verträgt sich die Welt in uns mit der Welt um uns herum?“ Das Buch ist eine „schwierige Lektüre“, meint Landbote-Autorin Corinna Willführ. Sie hat Susie Vrobel zu dem Buch interviewt.

Die Einschränkungen während des zweiten Lockdowns in der Corona-Pandemie wirbeln den Alltag nun schon seit zehn Wochen gehörig durcheinander und lassen ihn zugleich erstarren. Auch wenn Waschen, Schneiden, Föhnen seit 1. März wieder möglich sind: Gewohnte Rituale wie das wöchentliche Sporttraining, der Restaurant- oder Museumsbesuch können weiterhin nicht oder nur unter Auflagen stattfinden. Die Kommunikation im Beruf erfolgt für viele nur noch aus dem Homeoffice. Für Familien oder Singles, für Kinder, Jugendliche und Senioren:innen: Durch Covid 19 und seine Folgen ist das gewohnte Leben aus den Fugen geraten. Ein „gesundes“ Verhältnis von Alleinsein und Miteinander ist aus der Balance.

Phänomen Zeit

Zu diesem gehört auch die Zeit, die man nur mit sich oder mit anderen verbringt. Susie Vrobel, Jahrgang 1961, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen Zeit. So hat die promovierte Philosophin aus Bad Nauheim dazu nicht nur international Vorträge gehalten und mehrere Fachbücher geschrieben, sondern auch ein eigenes Institut gegründet: das Institute für Fractal Research, ein Forum, in dem sich eine internationale Gemeinschaft über die Erforschung nicht-linearer Phänomene austauscht. In ihrer aktuellen Publikation unter dem Titel „Innenwelt – Außenwelt“ geht die Wissenschaftlerin der Frage nach: „Wie verträgt sich die Welt in uns mit der Welt um uns herum?“ 138 Seiten, plus 20 Seiten Literatur- und Quellenhinweise, umfasst ihr in zehn Kapitel untergliedertes Werk. Eine schwierige Lektüre.

Frau Vrobel, Sie veröffentlichen zumeist in englischer Sprache. Ihre aktuelle Publikation ist auf Deutsch erschienen. An wen richtet sich „Innenwelt – Außenwelt“?

Susie Vrobel

Es richtet sich eigentlich an alle interessierten Leser*innen, die bereit sind, sich auf eine neue Art, die Welt zu sehen, einzulassen. Die Grenze, an der man selbst aufhört und der Rest der Welt beginnt, wird meist nicht hinterfragt, denn man nimmt an, dass diese selbstverständlich kurz hinter der äußeren Hautschicht verläuft. Doch diese Grenze zwischen Innen und Außen erweist sich als erstaunlich weit verschiebbar und damit muss die Frage, wie sich die Welt in uns mit der Welt um uns herum verträgt, für jeden Leser individuell und ständig neu beantwortet werden. Diesem Thema habe ich mich in den letzten Jahrzehnten ausgiebig in englischer Sprache gewidmet und nun versucht, es in diesem Büchlein populärwissenschaftlich vereinfacht und in deutscher Sprache, dem heimischen Publikum näher zu bringen.

Eigentlich hatte ich das Thema auch für einen Vortrag auf der Ernst-Ludwig-Buchmesse, die letztes Jahr ja leider ausfallen musste, vorgesehen. Der Vortrag war mit dem Titel „Wie man sich bettet, so liegt man“ angekündigt, was schon andeutet, dass es sich um etwas leichtere Kost handelte, als das dieses Thema begleitende Buch.

Während der Titel und das beeindruckende Umschlagfoto eine populärwissenschaftliche Herangehensweise nahelegen, zeigt bereits die Gliederung, dass sich der Leser/die Leserin bereit sein muss, sich auf eine anspruchsvolle Lektüre einzulassen. So stellen Sie auf wenigen Seiten die verschiedenen Formen der Ich-Erweiterung vor, nehmen ihre Leserschaft mit auf einen „kleinen Exkurs zur Wahrnehmung von Kontext“ oder widmen sich unter dem Titel „Die Ausdehnung des Jetzt“ dem Philosophen Edmund Husserl. Alles sehr knapp. Überfordern Sie damit nicht ihr Lesepublikum und verschließen sich selbst eine breitere Wahrnehmung Ihrer Arbeit?

Ein populärwissenschaftliches Buch ist immer eine Gratwanderung zwischen Banalität und möglicher Überforderung. Ich habe versucht, durch die von Kapitel zu Kapitel schrittweise Erweiterung der Grenze zwischen Ich und Nicht-Ich, den Leser behutsam an die eignen Grenzen zu führen. Es ist sicherlich keine besonders leichte Lektüre. Doch ich bezweifle, dass es sinnvoll wäre, es in leichtere Kost umzuwandeln. Solche Versuche führen oft zu nicht haltbaren Verallgemeinerungen, hinter denen ich nicht stehen kann und die den Leser/die Leserinnen auch nicht ernst nehmen würde. Ja – es ist eine Gratwanderung.

Für Ihr Werk und Wirken ist der Begriff „fraktale Zeit“ wesentlich. Zu diesem haben Sie eine eigene Theorie entwickelt. Können Sie diese kurz erläutern, mit dem Anliegen, neugierig auf Mehr aus „Innenwelt – Außenwelt“ zu werden?

Unser jetzt ist ja kein ausdehnungsloser Punkt, mit dem man – wie mit einem Messerschnitt – die Vergangenheit von der Zukunft trennt. Unser Jetzt hat Ausdehnung und eine verschachtelte Struktur, die variierendes Zeitempfinden und auch ungewöhnliche Wahrnehmungen erklärt. In diesem Zusammenhang bedeutet „fraktal“ einfach „verschachtelt“. Verschachtelt werden gleichzeitig stattfindende kürzere und längere Rhythmen in und außerhalb unseres Körpers.

Die Rhythmen in uns und die unserer Umwelt beeinflussen sich gegenseitig und erzeugen in gesunder Balance psychische und physische Gesundheit. Gerade in der heutigen Zeit, in dem das Verhältnis innerer und äußerer Zeitgeber in Form unserer biologischen und sozialen Rhythmen immer mehr von außen gesteuert wird, ist es wichtig, eine eigene Balance zu finden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gleichzeitigkeit und Nacheinander wirkt dabei stress-reduzierend. Die in meiner fraktalen Zeittheorie eingeführte Unterscheidung von Zeitlänge und Zeittiefe beziehen sich auch das Verhältnis von Nacheinander und Gleichzeitigkeit im Jetzt. Mit Übung kann der Leser/die Leserin die Ausdehnung des eigenen Jetzt selbst gestalten. Warum das wichtig sein soll? Nun, das Jetzt ist unser einziger Zugang zur Welt und wer sein Jetzt gestaltet, gestaltet die Welt.

Das Buch kann in der Bindernagelschen Buchhandlung in Friedberg https://bindernagel.buchhandlung.de/shop/ und der Buchhandlung am Park in Bad Nauheim https://buchhandlungampark.buchkatalog.de/ für 9,80 € bezogen werden.

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