Immer mehr Batterien in den Kellern
Von Klaus Nissen
Experten sagen: Solarstrom-Paneele auf dem Dach rentieren sich nach wie vor. Worauf es dabei ankommt, erklärten Experten des Vereins Terra-Solar und der Mittelhessischen Energiegenossenschaft (MiEG) bei einem Vortrag in Bad Nauheim. Den Strom von ganz neuen oder von mindestens 20 Jahre alte Solaranlagen kann man auch selbst verbrauchen. Laut Ovag gibt es immer mehr Batteriespeicher in hiesigen Kellern.Solarstrom vom Dach rechnet sich
Tausende Hausbesitzer haben seit 2001 kleine Solarkraftwerke auf ihre Dächer gesetzt, um vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu profitieren. Wer zum Beispiel 2005 eine 4,3 Kilowatt-Anlage installierte, bekommt seitdem 20 Jahre lang für jede der jährlich rund 4000 Kilowattstunden 54 Cent. Nach etwa 15 Jahren sind die Kosten der Installation abgezahlt. Danach entsteht eine Rendite von etwa fünf Prozent, gerechnet auf die gesamten 20 Jahre.
Inzwischen ist die Solarstrom-Produktion billiger. Besitzer neu installierter Anlagen können ihn laut Achim Parbel von der MiEG momentan für 11,47 Cent verkaufen. Das lohne sich für die Produzenten immer noch, weil die neuen Anlagen viel günstiger geworden sind. An neuen Wohnhäusern rentiert sich Parbel zufolge grundsätzlich auch der Betrieb von Wärmepumpen mit Solarstrom vom eigenen Dach. Oder das Erwärmen von Wasser für das Bad und die Heizung. So werden auch immer noch neue Solarpaneele auf die Dächer geschraubt, bestätigt Matthias Rosenbecker von der Ovag.
Seit kurzem gibt es zudem Batteriepakete, die den Solarstrom im heimischen Keller oder Abstellraum speichern. So kann man ihn selbst nutzen, statt Energie für 28 bis 30 Cent je Kilowattstunde einzukaufen. Etwa 600 Speicher sind momentan in den drei Ovag-Landkreisen Wetterau, Vogelsberg und Gießen registriert. Und es werden mehr. Gut tausend Euro kostet laut Achim Parbel momentan die Batterie für jeweils eine Kilowattstunde Strom.
Eine neue Solaranlage mit Batterie kann nach Aussage des Experten Dieter Berger von Terra-Solar bis zu 70 Prozent des eigenen Strombedarfs decken. Zwischen April und September sind sogar mehr als 90 Prozent des Eigenbedarfs drin, so Berger vor etwa 30 Zuhörern im Bad Nauheimer Erika Pitzer-Begegnungszentrum. Es sei sogar möglich, die eigene Solarstrombatterie mit mindestens tausend Euro zusätzlichem Aufwand autark zu machen. Sie könnte dem Haushalt dann weiter Strom liefern, auch wenn das Netz einmal ausfällt.
Für die Nutzung des Stroms vom eigenen Dach muss man unter Umständen aber Umsatzsteuer zahlen, so Dieter Berger. Und von der Zahlung der Erneuerbare-Energie-Umlage (derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde) sei man nur dann befreit, wenn man maximal zehn Kilowatt erzeugen kann. Die Befreiung von der EEG-Umlage gelte auch nur für Leute, die zugleich Besitzer und Nutzer der Anlage sind. Wenn in der Einliegerwohnung ein Mieter den Strom vom Dach nutzt, müsse er 40 Prozent der EEG-Umlage zahlen.
Ältere Photovoltaikanlagen haben in der Regel keine Batterie – der gut bezahlte Solarstrom geht komplett ins Netz. Die Preisgarantie gilt für 20 Jahre. Wer schon seit 2001 Solarstrom produziert, bekommt ab 2021 kein oder nur wenig Geld dafür. Er muss sich einen Käufer suchen und wird zum Direktvermarkter. Unklar ist noch, ob und zu welchen Konditionen die Ovag dann den Solarstrom von den alten Anlagen in ihrem Gebiet kauft. Man werde den Kunden Angebote auch zur Selbst-Nutzung des selbst produzierten Solarstroms machen, sagt Pressesprecher Andreas Matlé. Die Solaranlagen-Besitzer können technische und Abrechnungshilfe gut brauchen, wenn sie nachträglich neue Batteriespeicher an ihre alten Paneele schalten.
Leichter ist es für Mieter. Sie können ohne großen Aufwand neuerdings selbst Solarstrom erzeugen und verbrauchen: Die Mittelhessische Energiegenossenschaft und andere Anbieter verkaufen ihnen kleine Balkon-Photovoltaikanlagen. Die beiden Paneele kann man bei Zustimmung des Vermieters auf den Balkon stellen oder ans Geländer hängen. Sie erzeugen bis zu 600 Watt Strom, den man einfach in die nächste Steckdose leitet. Das ist laut MiEG-Vorstandsmitglied Achim Parbel sinnvoll, weil in jeder Wohnung eine „Grundlast“ von 200 bis 300 Watt stets verbraucht wird. Überzähliger Balkon-Strom fließt allerdings ohne Bezahlung ins Netz. Die Ovag und die Bundesnetzagentur müssen vorab darüber informiert werden.
Auch für alle anderen Solarstromanlagen gilt ab 1. Februar eine Meldepflicht. Die Bundesnetzagentur baut ein „Marktstammdatenregister“ auf. Wie man seine Anlage dort meldet, wird die Ovag in Kürze mit einem Rundschreiben erläutern.
Manchmal gibt’s Ökostrom-Überschüsse:
Bis zu 187 Megawatt Solarstrom können die Siliziumpaneele auf den Hausdächern in den Ovag-Landkreisen Wetterau, Vogelsberg und Gießen produzieren. Hinzu kommt der Windstrom: Bei kräftiger Brise liefern die auf knapp 3000 Quadratkilometer verteilten Rotoren bis zu 315 Megawatt. Weitere 50 Megawatt speisen Biogasanlagen unterschiedlicher Bauweise ins Netz. Die Wasserkraft liefert bis zu 2,6 Megawatt. Insgesamt deckt Ökostrom mehr als ein Drittel des Bedarfs der fast 700 000 Menschen in den drei Landkreisen.
Manchmal übersteigt der eigene Ökostrom sogar den Bedarf, berichtet der Ovag-Energieexperte Matthias Rosenbecker: „Zu einzelnen Zeitpunkten mit starker Erzeugung und schwacher Last wurden aus dem Gesamtnetz in der Spitze bereits etwa 122 Megawatt in das vorgelagerte 110-Kilovolt-Netz zurückgespeist.“ Das können Stunden an einem Sonntagmorgen sein, wenn es kühl ist, die Sonne scheint und ein kräftiger Wind weht.
Das Potenzial für Kleinkraftwerke in der Region ist noch längst nicht ausgeschöpft. Das zeigt ein Blick auf die vom Regierungspräsidium Gießen betriebene Webseite www.energiepotential-mittelhessen.de. Da lernt man zum Beispiel, dass die 10 000 Menschen in Schotten im Jahr 2016 rund 30,6 Millionen Kilowattstunden Strom verbrauchten. Elf Prozent davon erzeugten sie auf den eigenen Dächern. Die 13 000 Gebäude im Stadtgebiet böten aber so viele Dachflächen, dass man dort mehr als zehn Millionen Kilowattstunden oder 35,7 Prozent des eigenen Strombedarfs produzieren könnte. Mit der Windkraft und Biomasse-Kraftwerken könnten die Schottener mehr als 70 Prozent ihres Energiebedarfs selbst decken.