Handy schon 1920 prophezeit
Für Schmunzeln, aber auch für Aufsehen sorgte ein historisches Foto, das Prof. Dr. Gerd Küveler (Hochschule RheinMain Rüsselsheim) bei einem Lichtbildervortrag während der „Wetzlarer Tage der Phantastik“ zeigte. Zu sehen war ein Margarine-Sammelbild aus den 1920er Jahren: Zwei Frauen telefonieren auf Handy-ähnlichen Apparaten mit Live-Bildern der Gesprächsparter. Vor rund einhundert Jahren hatte also der damalige Zeichner sozusagen das Handy vorweggenommen!
Science-Fiction-Tops und -Flops
Prof. Dr. Gerd Küveler sprach über „Tops und Flops in der klassischen Science-Fiction-Literatur“ Dabei kam er auch auf H. G. Wells zu sprechen: Der Schriftsteller hatte in seinem Buch „Ausblicke“ (1905) dem Auto eine bedeutendere Zukunft als der Eisenbahn prophezeit. Seine richtige, plausible Begründung: Die Eisenbahn fährt dahin, wo ein Bahnhof ist, das Auto dorthin, wo der Fahrer hin möchte. Falsch lag Wells im selben Werk, was das U-Boot betrifft: Es tauge bestenfalls dazu, die eigene Mannschaft zu ertränken. „Das war ein Flop“, so die Schlussfolgerung von Dr. Küveler.
Große Achtung hat Küveler vor Jules Verne, von dessen Doppelroman „Von der Erde zum Mond“ (1865) und „Reise um den Mond“ (1870) ist er begeistert. Küveler: „Zwar gab es schon einige literarische Mond- und sogar Planetenreisen seit dem Altertum, doch war Verne der erste, der den Gedanken der Weltraumfahrt auf eine realistische Basis stellte. Niemand vor ihm hatte sich Gedanken über das Problem der Fluchtgeschwindigkeit gemacht. Was macht die Schwerelosigkeit mit Raumfahrern, und überhaupt, wie geht man solch ein Großprojekt an? Die Wirkung der Romane war überwältigend. Womöglich hätte es ohne Verne keine Raumfahrtpioniere wie Konstantin Ziolkowski, Robert Goddard und Hermann Oberth gegeben? Vernes Mondreise markiert den Beginn des Zeitalters der Raumfahrt.“
Zeitmaschine und Robot
Der Vortrag behandelte auch H.G. Wells‘ „Zeitmaschine“ (1895): Der Roman sei keineswegs als ein Flop zu bezeichnen, weil es die Maschine bis heute nicht gibt und wohl auch nie geben wird. Vielmehr sei das Buch noch immer Gegenstand ernsthafter Diskussionen. Ähnliches gelte für Asimovs Robotergesetze („Ich, der Robot,“ 1950), die in dieser strengen Form nicht eingehalten werden können, aber das gelte auch für Kants kategorischem Imperativ (1785, 1788).
Prof. Küveler hat großen Respekt vor der Leistung von Konrad Zuse, der 1941 den ersten funktionsfähigen Digitalcomputer vorgestellt hatte, eine der wichtigsten Erfindung des 20. Jahrhunderts. Zuse produzierte mit seinem Team in der Nähe Hünfelds mehr als 250 Computer kommerziell, darunter die berühmte Z5, die in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Großauftrag der Firma Leitz in Wetzlar war. „Es ist die wohl größte Fehlleistung der Science Fiction, den Computer nicht auf der Rechnung gehabt zu haben,“ ärgerte sich der Referent. Denn die Computer seien längst in der Welt gewesen, als zaghaft die ersten SF-Geschichten erschienen, beispielsweise von Clifford D. Simaks „Limiting Factor“ (1949). Die Story handele von einem Computer, der einen ganzen Planeten umfasst.
Phantasie wichtiger als Wissen
Das Fazit des Referenten lautete: „Der Flug zu fremden Sternen war ein Traum der Menschheit, ebenso wie der von künstlichen Menschen und Robotern. Im letzteren Fall manchmal auch ein Albtraum. Von intelligenten Rechenmaschinen hatte offenbar niemand geträumt. Zu welchen Leistungen sie fähig sind und noch sein werden, das konnte sich offenbar niemand vorstellen. Wenn Einstein sagte, dass Phantasie wichtiger sei als Wissen, wusste er, wovon er sprach, denn er selbst hatte sich für seine Allgemeine Relativitätstheorie Wissen von Mathematikern hinzu geholt. Übrigens zeichnet es den Menschen gegenüber dem Tier aus, das er sich Gedanken über die Zukunft machen kann, die über die reine Daseinsfürsorge hinaus gehen. Solche Visionen sind der Treibstoff für Fortschritt. Science Fiction leistet dabei einen erheblichen Beitrag, auch wenn sie im Detail manchmal daneben liegt oder Entwicklungen verschläft.“