Traumberuf Schäfer

„Zu Hause, wo meine Schafe sind“

Von Michael Schlag

Michael Prediger wusste schon sehr früh, dass Schäfer sein Traumberuf ist. Er machte eine Schäferlehre, auf die Ausbildung folgten Wander- und Gesellenjahre und heute betreibt er traditionelle Hüteschäferei im Vogelsberg. Prediger macht dort Landschaftspflege für den Artenschutz und erzeugt hochwertiges Weidefleisch. Außerdem züchtet er altdeutsche Hütehunde und gehört bei beruflichen Wettkämpfen zu den erfolgreichsten Hüteschäfern des Landes.

Naturschutz und Landschaftspflege

Es ist vier Grad, windig, Nieselregen, laut Wetterbericht wird sich den ganzen Tag daran nichts ändern, doch Michael Prediger ist bester Dinge: „Mir macht das bis heute noch immer sehr viel Spaß.“ Die Fläche, auf der sich die Herde jetzt weit verteilt, ist die Wiese eines Milchviehbetriebs. Die Schafe fressen vor dem Winter das überständige Gras ab, dem Grünland tut das gut, außerdem hinterlassen die Schafe ihren Dung.

Michael Prediger mit seiner Herde im Vogelsberg

Michael Prediger ist 32 Jahre alt und seit 2022 hier in Lauterbach-Maar Schäfer im Hauptberuf. Er hat den Landschaftspflegestall einschließlich der dazu gehörenden Naturschutz-Flächen von der Stadt Lauterbach gepachtet, insgesamt 80 Hektar Weiden. Hier macht der Schäfer im Sommer die Landschaftspflege.

Auf dem Weg vom Nachtpferch zur Weide

Menge und Qualität des Futters von der Sommerweide sei ausreichend gut, sogar besser als erwartet. Es gebe ein paar Wacholderheiden mit Magerrasen, aber dann auch wieder Flächen mit relativ gutem Gras. In der Gegend herrscht Mischkultur von Ackerflächen und Grünland. Der Hüteschäfer kann nach der Getreideernte auch manche Ackerflächen nutzen und ganz traditionell die Stoppel hüten.

Die dominierende Rasse seiner Herde ist das Schwarzköpfige Fleischschaf. Was für die Rasse spricht: „Mir gefällt, dass ich das Schaf überall einsetzen kann; es wird relativ schwer, ich habe eine gute Fleischerzeugung, und es ist robust im Winter.“ Das schwarze Horn der kleinen Klauen sei fest und widerstandsfähig und verlange nicht so viel Pflege. Klauenschnitt ist einmal im Jahr, bevor sie im Frühjahr auf die Weide gehen. Und solange es dort noch Grünes gibt, bleibt die Herde draußen, bis der Schnee kommt. “

Die Herde ist draußen, solange es Grünes gibt

Nichts Anderes war so inspirierend

Wie ist Michael Prediger selbstständiger Schäfer geworden? Er stammt nicht aus einer Schäferfamilie, geboren und aufgewachsen ist er in Siegburg, als Hobby hielt der Großvater einige Koppelschafe auf der Weide. Wirklich in Kontakt mit der beruflichen Schafhaltung kam Prediger über den Vater eines Schulfreundes, der war Schäfer im Nachbarort. Michael Prediger verbrachte dann immer mehr Zeit bei den Schafen, irgendwann auch regelmäßig an den Wochenenden „und mit zwölf hatte ich eigentlich schon festgesetzt, dass ich Schäfer werden wollte“. Er probierte auch mal anderes, machte unterschiedliche Praktika, „aber das hat mich alles nicht so inspiriert wie das hier“. So blieb es bei der früh getroffenen Berufswahl, doch bis zur Selbstständigkeit als Schäfer sollte es noch dauern.

Lehrjahre und Wanderjahre

Nach der Schule begann Michael Prediger eine Schäferlehre, ein Jahr im Vogelsbergkreis, das zweite und dritte Lehrjahr absolvierte er in Grevenbroich (NRW) mit Sommerweiden am Rhein und einer Herde mit 700 Bentheimer Schafen. Die überbetriebliche Ausbildung zum „Tierwirt – Fachrichtung Schäferei“ machte er an der berufsbildenden Schule in Halle (Saale). Zum Ausbildungsgang dort gehören auch „Naturschutz und Landschaftspflege“ sowie „Hütetechnik“. 2012 schloss Prediger die Lehre mit der Gesellenprüfung ab.

Es folgten Gesellenjahre und Wanderjahre als angestellter Schäfer mit Stationen in Spangenberg (Hessen) und in Bitburg in der Eifel (Rheinland-Pfalz). In der Zeit baute er sich auch selbst eine kleine Herde auf, „die hatte ich immer mit“. Aus dieser Zeit übrigens findet sich im Archiv ein Artikel der Stadtzeitung „Meine Südstadt“ aus Köln vom Mai 2013. Michael Prediger, damals 21 Jahre alt, war mit 400 Schafen auf den Rheinwiesen in Köln-Poll unterwegs. Der Autor des Artikels fragte den Hüteschäfer damals am Ende des Artikels, was die Zukunft bringt. Die Antwort: „Eine eigene Schafherde, träumt Prediger“. Dieser Traum wurde zehn Jahre später in Hessen Wirklichkeit.

Der Landschaftspflegestall in Lauterbach

2022 suchte die Stadt Lauterbach einen Schäfer für ihren Landschaftspflegestall einschließlich der dazu gehörenden Flächen. Michael Prediger bewarb sich und bekam den Zuschlag. Der kommunale Landschaftspflegestall in Lauterbach wurde vor rund 20 Jahren gebaut. Beteiligt daran waren mehrere Kommunen, Verbände und auch der Schafhalterverein Vogelsberg. Es war eine Antwort auf die Naturschutzpolitik der Jahre: Immer mehr Flächen wurden als FFH-Gebiete oder Naturschutzgebiete ausgewiesen; diese Flächen sollten nicht verbuschen, sondern mussten zum Erhalt der Artenvielfalt offengehalten werden.

Stadt baut Stall für Schafherde

Man entschied sich für die Beweidung der Habitate mit Schafen und der Stall sollte die Initialzündung dafür geben, erklärt Clemens Veith vom Bauamt der Stadt Lauterbach. Denn klar war: „Wir brauchten eine große Herde“. Die Stadt Lauterbach stellte ein Grundstück zur Verfügung in einem ehemaligen Steinbruch, für den Bau gab es Förderung durch Bund, Land und EU. Seit drei Jahren nun ist Michael Prediger als Hüteschäfer unterwegs, pflegt mit seinen Schafen wertvolle Biotope in der Region. Das Einkommen setzt sich etwa hälftig zusammen aus der Vergütung für die Umweltleistungen, unter anderem vom hessischen Umweltministerium, und aus dem Verkauf der Lämmer an Händler.

Schwarzköpfige Fleischschafe

Einen eigenen Betrieb zu gründen „war schon ein mulmiges Gefühl und ein Wagnis“, erinnert sich Michael Prediger. Andererseits: Er hatte bereits eigene Schafe, in der Eifel auch weitere Tiere einer Schafherde zugekauft. Hier im Vogelsberg gab es Wiesen und Ackerbau, der über den Winter helfen würde. Den Stall musste er nicht neu investieren, allerdings noch einige Stalleinrichtung installieren. Ein Autoanhänger war vorhanden. Zusammengenommen: „Ich war 30, hatte lange genug Erfahrung, da habe ich gesagt, wenn nicht jetzt, wann dann?“ Zunächst war alles noch klein, aber „ein Anfang muss ja gemacht werden.“ Die Schäferei wuchs und ist weiter im Aufbau. Die Herde soll auf 500 Mutterschafe anwachsen, mehr Stalleinrichtung ist geplant.

Erfolg als Hüteschäfer in Hessen

Michael Prediger hat sich in seiner neuen Heimat Hessen mittlerweile einen ausgezeichneten Ruf als Hüteschäfer erworben. Er nimmt regelmäßig an Leistungshüten teil, im Land und auch auf Bundesebene. 2023 belegte er bem Ausscheidungshüten Hessen Süd und Nord den ersten Platz. Im Jahr zuvor war er mit seinen Hunden sogar Landessieger und vertrat Hessen beim Bundeshüten in Roßlau. Das Leistungshüten wird in Hessen als beruflicher Wettstreit noch sehr hochgehalten und „das liegt mir“, sagt Prediger, er möchte auch dazu beitragen, dass diese Tradition nicht ausstirbt. Aber eigentlich sei es nur die Fortsetzung seiner täglichen Arbeit, denn „was ich beim Leistungshüten brauche, das brauche ich hier auch.“ 2023 gewann er zudem das Landesleistungshüten der Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde (AHH) in Hessen mit seinen Fuchshündinnen Bella und Hummel. Sie stammen aus der eigenen Zucht von Harzer Füchsen und auf diese Zucht ist Prediger zugegeben stolz.

Hessen als Standort für die eigene Schäferei war schon sein Wunsch, sagt Michael Prediger. Es sollte nicht allzu weit von seiner alten Heimat entfernt sein, und den Vogelsberg kannte er bereits – nur 30 Kilometer entfernt hatte er sein erstes Lehrjahr verbracht. Im Grunde aber war er flexibel, eigentlich habe es keine Rolle gespielt, wo er sich selbständig machen konnte, das hätte überall sein können, denn „zu Hause ist da, wo meine Schafe sind.“

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