Bitte friedlich!
Das „Bündnis Friedlicher Hessentag“ kritisiert, dass die Bundeswehr beim Hessentag in Bad Vilbel vom 13. bis 22. Juni 2025 werben will. Zudem wendet sich das Bündnis gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenaschft (GEW) Hessen gegen Rekrutierungsversuche bei Minderjährigen während des Schulunterrichts.Werbung für gewaltsame Konfliktlösung
Die Bundeswehr sei schon seit vielen Jahren bei den Hessentagen. Sie biete Fahrdienst für Gehbehinderte aus den Seniorenheimen und biete dem Publikum Essen und Musik. Auch Kindergartenkinder und Schulklassen würden ausdrücklich eingeladen. Den Besuchern werde militärisches Gerät präsentiert, auch Panzer, Panzerwagen mit Maschinengewehr, Hubschrauber und einiges mehr. Groß und Klein dürfe auf und in ihnen herumklettern. Schüler der Abschlussklassen von Haupt-, Real-, Berufsschulen und Gymnasialen Oberstufen informiere man in Vorträgen über die Vorzüge der Bundeswehr als Arbeitgeber und für die Ausbildung, kritisiert das Bündnis Friedlicher Hessentag. Das Bündnis umfasst bislang knapp 30 Organisationen aus dem linken- und friedenspolitischen Spektrum, vom Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte der Kriegsdienstgegner (DFG-VK) über Linke und DKP, Attac und Freidenker bis zur Wetterauer Aktion Frieden.
Das Bündnis kritisiert die Werbung für ein militärisches, also im Zweifelsfall gewaltsames Vorgehen bei Konflikten, auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen. „Beim Hessentag, dem Fest der Hessen, sollte doch eher um friedliche Konfliktlösungen geworben werden, so wie es in der Hessischen Verfassung verankert ist (§ 69): Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig“, schreibt das Bündnis in einer Pressemitteilung.
Minderjährige nicht rekrutieren
Dieser Verfassungsauftrag spiele auch in den Lehrplanzielen eine große Rolle, in denen die Erziehung zu gewaltfreier Konfliktlösung für alle Lehrerinnen und Lehrer verbindlich festgeschrieben sei, betont das Bündnis. Gemeinsam mit der GEW Hessen hat es einen offenen Brief an hessische Schulleitungen und Kultusministerium gerichtet, in dem sie fordern: „Minderjährige dürfen nicht für die Bundeswehr rekrutiert werden!“
Das hessische Kultusministerium wird in dem Schreiben dazu aufgefordert, in einem ersten Schritt „für einen Hessentag ohne die Beteiligung der Bundeswehr zu sorgen“. Zudem kritisiert das Bündnis die Rekrutierungsversuche bei Minderjährigen während des Schulunterrichts. Auch in diesem Jahr lade die Bundeswehr gezielt Schulklassen ein, ihren Hessentag-Stand in Bad Vilbel zu besuchen. „Die Bundeswehr präsentiert sich auf dem Hessentag als sicherer Arbeitgeber und spricht mit ihren Kampagnen gezielt Minderjährige an. Die weltpolitische Lage bringt aber keine Sicherheit für Minderjährige, die sich gegebenenfalls für mehrere Jahre verpflichten. Mehr noch: Die UN-Kinderrechtskonvention verbietet deren Rekrutierung und trotzdem lässt das Kultusministerium der Bundeswehr seit Jahren freie Hand“, erklärt Heike Ackermann, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen. Das Anmeldeformular der Bundeswehr richte sich an alle Klassen ab der 8. Jahrgangsstufe. „Wir erwarten, dass das hessische Kultusministerium die Bundeswehr auf die Rechtslage hinweist und die Schulen darüber informiert, dass nur Schülerinnen und Schüler ab 18 Jahren eingeladen werden dürfen“, fordert Ackermann.
Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufzeigen
Die gezielte Ansprache von Minderjährigen verstoße zudem gegen zwei zentrale Richtlinien des Beutelsbacher Konsenses. Laut Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner, widerspreche die Rekrutierung durch die Bundeswehr im Rahmen schulischer Pflichtveranstaltungen zum einen „dem Überwältigungsverbot. Zum anderen wird durch Bundeswehrwerbung bei schulischen Veranstaltungen das Kontroversitätsgebot verletzt, da Themen, die in Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert werden, auch im Unterricht in dieser Weise behandelt werden müssen. Daher sollte das Kultusministerium die Schulen anweisen, neben einem geplanten „Vortrag der Bundeswehr (eine Schulstunde)“ eine alternative Perspektive einzuladen, etwa einen Gast, der das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes erläutert.“
In dem offenen Brief werden Kultusminister Armin Schwarz (CDU) und die Schulleitungen der hessischen Schulen aufgefordert, ihrer Verantwortung gegenüber ihren Schutzbefohlenen nachzukommen und Rekrutierungsversuche der Bundeswehr bei Minderjährigen zu unterbinden. Sollten Jugendoffiziere der Bundeswehr im Rahmen schulischer Bildungsveranstaltungen eingeladen werden, so sei es im Sinne des Beutelsbacher Konsenses geboten, auch Experten einzuladen, die friedenspolitische Alternativen aufzeigen. Die DFG-VK steht hierfür zur Verfügung.
Willi van Ooyen von der Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt verweist auf die hessische Landesverfassung: „Hier steht geschrieben: Artikel 69: (1) Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. (2) Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig. Wir können stolz auf diese Paragraphen sein und sollten sie ernstnehmen und danach handeln.“
Das Bündnis Friedlicher Hessentag wird sich am 30. April 2025 bei der Eröffnung seiner Veranstaltungsreihe „Kriege und ihre Folgen“ in Bad Vilbel vorstellen und über die geplanten Aktivitäten informieren. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im Bistro des Hauses der Begegnung, Marktplatz 2 in Bad Vilbel. Thema ist an diesem Abend „Krieg und Verarmung“. Die Reihe wird am 13. Mai mit dem Thema „Krieg und Eskalation der Mittel“ fortgesetzt. Am 28. Mai folgt „Krieg und Hunger“. Den Abschluss bildet in der ersten Juniwoche das Thema „Krieg und Gesundheit“.