Ämter finden Logistikzentrum schädlich
Am 22. September 2017 fallen die Würfel: Die Regionale Planungsversammlung entscheidet dann, ob 40 Hektar Ackerland an der Berstädter Autobahn-Abfahrt versiegelt werden dürfen oder nicht. Sie werde den „Logistikpark Wölfersheim A45“ genehmigen, signalisierte die Darmstädter Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid. Obwohl ihre eigenen Fachdezernate das Projekt aus vielen Gründen falsch finden. Die stehen in der 28 Seiten starken Stellungnahme der Regierungspräsidentin.
Rewe in Wölfersheim
Das Großprojekt des Lebensmittelkonzerns Rewe wird die Landschaft im Süden von Berstadt stark verändern. Auf den fruchtbaren Getreidefeldern zwischen der B455, der Kreisstraße 181 nach Echzell und der Auffahrt zur A45 will Rewe ein Hochregallager bauen. Mitsamt den Verkehrsflächen müssen dafür 290 720 Quadratmeter (also knapp 30 Hektar) unter Beton verschwinden. Die von der SPD regierte Gemeinde Wölfersheim beantragt zusätzlich an der nördlichen Längsseite ein zehn Hektar großes Gewerbegebiet. Ausgleichsflächen für die Natur soll es bei dem Projekt nicht geben. Die Regierungspräsidentin verfügt lediglich, dass ein als künftiges Gewerbegebiet geplantes und elf Hektar großes Feld am nordwestlichen Ortsrand von Berstadt an der Straße nach Wohnbach wieder als Ackerland gilt. Der dort geplante Feuerwehrstützpunkt muss woanders auf Böden entstehen, die nicht zum Pflanzenanbau geeignet sind.
Der geplante Logistikpark führt seit Juni zu Protesten. Erstmals wandten sich Landwirte, die großen christlichen Kirchen und Naturschützer gemeinsam gegen die immer stärkere Flächenversiegelung in der Wetterau. Ende August überreichten sie vor dem Kreistag Unterschriften gegen den Logistikpark – der gleichwohl von SPD und CDU gebilligt wurde. FDP, Freie Wähler und AfD enthielten sich. Die Grünen kämpfen ebenfalls gegen das Großprojekt. Sie teilen emsig einen Facebook-Post ihres Parteifreundes Christof Fink. Es sei zynisch, schreibt da der Erste Stadtrat von Oberursel, dass Rewe in seiner Werbung einen Bauern aus Lich-Eberstadt beim Anbau Kartoffelanbau zeige und zugleich die Äcker zubetoniere.
Nicht öffentlich, in der Sache aber deutlich kritisieren Natur- und Bodenexperten in den staatlichen Behörden gegen das Logistikzentrum. In der Verfügung der Regierungspräsidentin sind ihre Bedenken genannt. Das Wetterauer Ackerland sei sehr fruchtbar und werde immer mehr versiegelt, schreiben die für Landwirtschaft zuständigen Dezernate der Darmstädter Behörde. So plane auch der Discounter Lidl in Erlensee und Langenselbold auf 25 Hektar ein Zentrallager. Das lasse sich nicht mit dem Grundsatz vereinbaren, sorgsam mit fruchtbarem Boden umzugehen.
Das künftige Hochregallager mit seinen laut Rewe täglich mehr als 1100 Lastwagenfahrten werde einfach in die Gegend gesetzt, beschweren sich die Planungsexperten des Regierungspräsidiums. Rewe und die Gemeinde Wölfersheim hätten keine Alternativen geprüft – zum Beispiel weniger wertvolle Böden oder frühere Militärflächen bei Nidda, Büdingen, Butzbach oder Friedberg für das Hochregallager zu nutzen.
Das Hochregallager werde die Landschaft beeinträchtigen
Auch das Naturschutz-Dezernat der in Frankfurt sitzenden Regionalversammlung selbst hat Bedenken: Das Hochregallager werde die Landschaft zersiedeln und ihren Anblick beeinträchtigen, heißt es in der Stellungnahme. Das sei „durch die großflächige Versiegelung mit einem Verlust von Lebensräumen für Fauna und Flora sowie negativen Auswirkungen auf das Klima und den Wasserhaushalt verbunden“. Weichen müssten dann die schützenswerten Bestände der Feldlerche und des Feldhamsters.
Die Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises wendet zusätzlich ein: Durch die weitgehende Versiegelung der Flächen werde es zu einer Konzentrierung des Regenwassers kommen. Es bleibe unklar, wie mit dem anfallenden Wasser umgegangen werden soll.
Regierungspräsdentin Lindscheid lässt sich in ihrer Stellungnahme nicht von den Bedenken der eigenen Leute beeindrucken. Der Investor habe zehn alternative Flächen für das Rewe-Zentrum prüfen lassen, widerspricht sie den Experten. Alle seien aus verschiedenen Gründen nicht für ein Lebensmittel-Lager geeignet. Die landwirtschaftliche Nutzung der Böden bei Berstadt sei zwar wichtig, doch die Städte und Gemeinden im Ballungsraum dürften nicht zu sehr in ihrer Entwicklung eingeschränkt werden. Auf den 40 Hektar des künftigen Gewerbegebiets sei nur ein Landwirt mit rund 7,8 Hektar so stark betroffen, dass er künftig nicht mehr als Bauer rentabel arbeiten könnte. Mit ihm müsse die Gemeinde Wölfersheim eine Regelung treffen, die ihm die Betriebsschließung ohne Einkommensverlust ermögliche.
All diese Vorzeichen machen es wahrscheinlich, dass die von SPD und CDU geführte Regionalversammlung den „Logistikpark“ am 22. September absegnet. Danach könnten voraussichtlich nur noch Gerichte die Bodenversiegelung verhindern. Die Naturschutzverbände haben ein Klagerecht gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes.
Grüne sprechen von „Kniefall“ der Regierungspräsidentin
Die Wetterauer Grünen werteten die Stellungnahme der Regierungspräsidentin am 12. September 2017 als „Kniefall“ vor der Mehrheit von CDU und SPD in der Planungsversammlung. Diesen Parteien wirft der Gründen-Kreistagsfraktionschef Michael Rückl Unehrlichkeit vor: „Sonntags werden, wie biem Kreiserntedankfest in Berstadt, in den Reden regionale Produktion und Bodenqualität hochgehalten, um danach per Handlung und Entscheidung deren Grundlage zu vernichten.“ Die Grünen dagegen würden die Gegner des Projekts bei ihren Versuchen unterstützen, das Logistikzentrum zu verhindern.
Über den Protest von Landwirten, Kirchenleuten und Naturschützern gegen die großflächlige Landschaftsversiegelung berichtete der Neue Landbote schon im Juni. Nachzulesen ist das hier.
Ich hoffe dass sich bei der heutigen Wahl durch ihr Kreuz engagierte Bürger für den Erhalt des wetterauer Bodens einsetzen.
Sieht niemand, dass wir Steine nicht essen können? Wir machen uns immer mehr davon abhängig, dass unser Essen durch Import zu und kommt. Die weltwete Produktion haben Chemiekonzern schon unter sich aufgeteilt. Den Verantwortlichen ist es gleich, wenn Menschen durch Pestizide und Insektizide krank werden.