„Mach, wovon Du überzeugt bist“
Von Corinna Willführ
Peter Gwiasda hat heute am 30. Juli 2018 Geburtstag. Da wird der Mann mit den hanseatischen Wurzeln, der gelernte Drucker, der Widerständler gegen Atomkraft, der Streiter für die Ziele des BUND, der überzeugte Sozialdemokrat, der kämpferische Journalist und unvergessene Leiter der Wetterauer Redaktion der Frankfurter Rundschau 75 Jahre jung. Vielen ist er bis heute ein streitbarer Wegbegleiter und Ideengeber für Impulse, sich die Welt mal anders anzuschauen.
Ungedingt gewerkschaflich organisieren
Während ich mich an das erste Zusammentreffen mit Peter Gwiasda nicht erinnern kann, weiß er noch sehr genau, dass ich eine „riesige Tasche“ hatte und „ziemlich hektisch“ war. Das war bei einer Versammlung der Deutschen Journalisten Undion (DJU) in Büdingen, Anfang der 1990er Jahre, sagt er. Stimmt, im Heuson-Museum. Da war ich. Damals allerdings noch nicht bei der Frankfurter Rundschau. Immerhin aber in der Gewerkschaft.
Gewerkschaftlich organisiert zu sein: Wie wichtig das ist, hat Peter Gwiasda in den vielen Jahren als Leiter der Redaktion der Wetterauer Frankfurter Rundschau mit ihren Standorten in Bad Vilbel und Friedberg allen, ob Praktikant, Volontär oder Redakteur/in immer wieder vermittelt. Die eigenen Interessen vertreten, gemeinsam mit anderen, für gerechte Löhne (Tarife), für Gleichberechtigung einzutreten. Für Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, für Mitbestimmung. Für Demokratie, ein System, das Unterschiede und Kontroversen braucht und aushalten muss. Im Großen wie im Kleinen.
Nachfragen, Einordnen, Bewerten
Im „Großen“: Das hieß für den unbeugsamen Sozialdemokraten nicht selten im Hader mit der Linie seiner Partei zu liegen – was bis heute sicher immer mal wieder so ist. Nicht einfach zu akzeptieren, was auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene verhandelt wird. Nachzufragen. Entscheidungen von der obersten politischen Bühne oder im kleinsten Gemeindebeirat, die für die Menschen wichtig waren, wollte Peter von seinem Journalisten-Team „aufgearbeitet“ sehen. Mit ihrer Bedeutung für die Altenpflegerin, den Mechaniker, für einen lebenswerten Alltag aller Generationen. Müßiggang war nicht seine Sache – und damit auch eine, die er bei anderen nicht tolerierte. „Wenn Du von was überzeugt bist, sieh zu, dass Du es verwirklichen kannst.“ Könnte aus einem Handbuch für für erfolgreiche Manager stammen, war aber verflixt wichtig – ich sage mal für jeden einzelnen, der in seiner journalistischen Laufbahn Peter als „Lehrmeister“ (er wird über den Begriff stöhnen) erlebt hat.
Wie der junge Kollege, der nur wenige Wochen in der Redaktion war. Er sollte herausfinden, wie es den Angehörigen ging, die vor vielen Jahren bei einem tödlichen Unfall ihre Kinder verloren hatten. Das wollte der Praktikant partout nicht, sah sich verbannt von den täglichen aktuellen Ereignissen, die ihm vielleicht mal einen „Aufmacher“ beschert hätten. Und dann recherchierte er und recherchierte. Schrieb letztlich einen Artikel, der ihn mit seinem Vater versöhnte. Denn der, seines Zeichens Arzt, hätte sich von seinem Sohn einen anderen Beruf gewünscht – bis zu dessen Reportage.
Es gibt der Erinnerungen viele, die ich mit Peter aus unserer gemeinsamen Zeit in der FR-Redaktion in Friedberg teile. Stellvertretend auch für Bruno Rieb, Klaus Nissen und Jutta Himmighofen-Strack, alles Friedberger FRler und heute im Team des neuen Landboten – habe ich einige notiert. Für einen großen Schatz an Erinnerungen hat Peter Gwiasda selbst gesorgt: Wer ein Praktikum oder ein Volontariat in der Friedberger Redaktion absolvierte, musste/sollte/konnte ein paar Zeilen in das dortige Redaktionsbuch eintragen. Da ist vom Stress als Neuling zu lesen, dem unerwartete Anerkennung zuteil wurde. Vom Witz und Humor, von den steten Ermunterungen, nicht aufzugeben, weil die erste Polizeimeldung daneben ging, sondern für einen Beruf einzutreten, den Peter Gwiasda leidenschaftlich ausübte: eben Journalist zu seinen und als solcher die Aufgabe der „Vierten Macht“ im Staat zu erfüllen.
Experte für Holz, Äpfel und Pilze
Humor, Witz und mitunter eine nicht für jedermann leicht nachzuvollziehende Ironie: Das zeichnet Peter Gwiasda bis heute aus. Pardon: Nicht zu vergessen, ein großes Wissen und die Empathie dieses zu vermitteln. Ob es auf dem Schulacker in Wehrheim ist. Ob in seiner Drechslerwerkstatt. Oder bei den Kelterern vom „Stöffche“, dem Apfelwein aus heimischen Beständen, zumal von gehegten Bäumen rund um sein Haus in Wehrheim, wo er mit seiner Frau Almut in deren Garten gerne Gäste bewirtet. Oder bei den Pilzführungen. Da lächelt Peter Gwiasda nachsichtig, wenn man stolz mit einem vermeintlichen Steinpilz unter seine kundigen Augen tritt. Um zu erfahren, dass es ein Hexenröhrling ist .
Nach so vielen Jahren- es sind bald 30 – des gemeinsamen Wegs ist es immer wieder schön zu sehen, dass sich Peter Gwiasda auch mit 75 seine Liebenswürdigkeit erhalten hat. Die Offenheit, auf Menschen zuzugehen, ihnen die Augen für Neues, für Unerwartetes, für Unbekanntes zu öffnen. Sie eben zu unterstützen, wenn es darum geht, „das zu machen, wovon Du überzeugt bist“- und dabei auch noch charmant zu sein.
Ergänzungen erwünscht
PS: Wer das politisches Wirken in der SPD, der Gewerkschaft, das Engagement im BUND oder auch als Referent, Moderator in Diskussionen, oder als Drechsler mit diesem Beitrag nicht genügend gewürdigt sieht, kann den Text gerne mit einem Kommentar ergänzen.
Hier sind erstmal herzliche Glückwünsche zu einem Dreivierteljahrhundert voller Leben von den ehemaligen Kollegen der FR-Redaktion in Friedberg:
Bruno Rieb (stehend), Corinna Willführ (links), Jutta Himmighofen Strack und Klaus Nissen.
Peter und Almut haben – soweit ich dies mitbekommen habe – immer vorbildlich gehandelt!
Liebe Kollegen und Freunde,
nur mit viel Warmwasser konnte ich mich von dem Honig befreien, den mir Kollegin Corinna löffelweise um den Bart geschmiert hat. Unter realen Bedingungen einer seriös redigierenden Redaktion hätte diese Würdigung verworfen werden müssen. Kein normaler Mensch kann so toll sein, wie von ihr beschrieben.
Aber als gut und lieb gemeint empfinde ich Corinnas Bilanz einer langen symbiotischen Arbeit in der Redaktion einer außergewöhnlichen Tageszeitung. Für mich waren es die schönsten Jahre meines Berufslebens. Ökonomische und gesellschaftspolitische Veränderungen erfordern neue Plattformen der Publizistik . Der Landbote ist ein gutes Beispiel.
Grüße an alle Menschen, die unzufrieden sind mit dem Zustand unserer Welt.
Peter Gwiasda
Hallo Peter,
war das Wasser vielleicht ein bisschen zu heiß? Immerhin vermutest du richtig, dass kein normaler Mensch so toll sein kann. Waren wirklich schöne Jahre in einer außergewöhnlichen Redaktion einer Zeitung, die leider immer gewöhnlicher geworden ist.
Alles Gute. Und aufpassen beim Befreien von Honig.
Bruno Rieb