Ohne Scheiß jetzt!

Bitte recht freundlich!

Von Anton J. Seibtoni

Ohne Scheiß jetzt! Manch Mitarbeiter im deutschen Einzelhandel kann stoischer dreinblicken als einstmals Buster Keaton und abweisender sein als ein voll-armierter Bereitschaftspolizist am Absperrgitter beim G7-Gipfel in Elmau.

Unfreundlicher Markt

Ich fahre mein Leergut in den Getränkemarkt. Der Mitarbeiter mustert mich abschätzig, reißt die Kiste vom Einkaufswagen, wirft sie geschickt auf einen Stapel, tippt ohne genau hinzuschauen die Pfandsumme in die Kasse und hält mir den Zettel hin ohne mich anzuschauen. Das war’s. Geschäft beendet! Ich sage „Auf Wiedersehen.“ Keine Antwort.

Zehn Minuten später beim Bäcker im Foyer beim Supermarkt gegenüber. „Sie wünschen?“, sagt die Verkäuferin. Immerhin! Der Beginn einer Kommunikation. Ich sage auf, plötzlich huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Na, geht doch, denke ich.

Aber der Blick der Bäckerei-Fachkraft geht über mich hinweg. Hinter meinem Rücken steht eine Frau, offensichtlich eine Bekannte der Dame hinterm Tresen. „Wie geht’s denn“, flötet die über mich hinweg, quasi am rechten Ohr vorbei. „Joa. Und dir?“ fliegt die Antwort über’s selbe Ohr hinweg zurück.

Dazwischen packt die Fachverkäuferin ein Stück Streuselkuchen und zwei Nougatplunderstückchen für mich ein. Während sie sich über mich hinweg austauschen darüber, dass es besser sei, hier im Laden zu stehen und etwas Abwechslung von zuhause zu haben, tippt die Bäckerei-Dame den Preis für die Backwaren ein, streicht gedankenverloren meine Geld vom Münzteller ein, fragt noch einmal bei ihrer Bekannten nach was weiß ich, drückt mir lachend das Wechselgeld in die Hand ohne mich eines Blickes zu würdigen und wendet sich endlich völlig aufmerksam, weil von mir nicht mehr gestört, ihrer Bekannten zu.

Ich wollte gerade Auf Wiedersehen sagen. Habe mich dann aber doch eines Besseren besonnen.

3 Gedanken zu „Ohne Scheiß jetzt!“

  1. Lieber Herr Seib,
    Ihre Erfahrungen erinnern mich an den alten Psychiater-Witz:
    Patient: Ich werde immer übersehen. Psychiater: Der Nächste bitte

    Im Ernst; ob gespielte Freundlichkei besser wäre?
    Siehe: http://www.gesundheit-krankheiten.de/krankheiten-von-gespielter-freundlichkeit-im-job.html

    Trotzdem ist Ihr Bericht eine nette Beschreibung die zeigt, dass es Defizite bei den Umgangsformen gibt. Kein Wunder bei diesen „Vorbildern“.
    http://www.shortnews.de/id/1162135/parlamentspraesident-ruegt-angela-merkel-waehrend-bundestagsdebatte-wegen-schwaetzen

  2. Gestern war ich zum ersten mal in einem real-Markt. Wenn du da eingehst, lass‘ alle Hoffnung fahren. Eine fensterlose Riesenhalle mit Blechdach, Regale rein und den üblichen Ramsch drauf. Man bekam schier Platzangst. Ich war froh, als ich zur Kasse kam, wo die Kassiererin mit meinem Nachfolger sprach, den sie wohl kannte. Sie schimpfte über allerhand Ungemach an diesem Arbeitsplatz, auch über meinen Kopf weg. Das fand ich einfach prima. Ich malte mir aus, dass sie wahrscheinlich grademal den Mindestlohn bekommt, eine gestandene Frau. Es wäre zu viel verlangt, wenn man von ihr keep smiling erwarten würde, wo doch selbst ihr Arbeitgeber die KundInnen verachtet und sie nur als Geldbörsen betrachtet. Sonst würde er ja wohl nicht eine solche abstoßende riesige Wüstenei inszenieren. Die Kassiererin muss da acht Stunden ausharren, sicher auch mal um 7 Uhr antreten oder bis 22 Uhr ausharren, auch samstags. So gesehen hat mir das Geschimpfe der Armen prima gefallen. Wenn die Arbeitszeit bei vollem Lohn radikal verkürzt würde, wären die Angestellten sicher individuell zugewandt.

  3. Liebe Ursula,
    du hast ja recht. Aber einen kleinen Einwand habe ich dennoch. Es geht nicht um keep smiling. Das finde ich auch ätzend. Es geht um Professionalität. Die erwarte ich von einem Arzt, einer Journalistin und eben einer Verkäuferin, einem Verkäufer. Ich möchte nicht als Kunde ernst genommen werden, sondern als Mensch.

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