Logistikzentrum

Neue BI: „Wir werden lästig sein“

Von Klaus Nissen

Auf dem Parkplatz des Gemeinschaftshauses der Altenstädter Waldsiedlung formierte sich am 20. September 2021 eine Bürgerbewegung. Etwa 200 Menschen schmiedeten dort Pläne, wie das Gewerbeprojekt des Panattoni-Konzerns im Zentrum der Waldsiedlung noch verhindert werden kann.

Hunderte Lkw-Fuhren mitten im Ort

Mit diesem Gedanken können sich die Waldsiedlungs-Bewohner nicht anfreunden: Auf dem zentralen Fichter-Gelände an der Helmershäuser Straße sollen vier Gewerbehallen wachsen. Von den 55 000 Quadratmetern sollen 29 000 bebaut werden, berichtete die Ortsbeirats-Vorsitzende Beate Kreusch ihrem Publikum. An 21 Rampen sollen Lastwagen ihre Waren be- und entladen. An sechs Tagen in der Woche werde es künftig bis zu 240 zusätzliche Lkw-Fahrten durch die Waldsiedlung geben. Die 40-Tonner werden dann auf dem Weg zur Autobahn die Altenstädter Vogelsbergstraße verstopfen, prophezeite Kreusch.

Knapp eine Stunde dauerte das Gründungstreffen der Bürgerinitiative gegen das Logistikzentrum in der Waldsiedlung. Das Projekt der Panattoni-Unterehmensgruppe bringt viele ältere Menschen auf die Palme. Sie fürchten vor allem den zusätzlichen Lastwagenverkehr. Foto: Nissen

Auch die Leute in Rommelshausen würden dann unter dem zusätzlichen Verkehr leiden, ebenso die Hammersbacher. Eine Frau aus dem Publikum rief: „Uns haben Lastwagen schon zweimal den Zaun eingefahren!“ Und eine junge Mutter klagte, die Lastwagen wären „supergefährlich“ für die Kinder. „Ich kann mein Kind dann nicht mehr allein an der Herrnstraße laufen lassen.“

Die neue Bürgerinitiative will die Lastwagen von der Waldsiedlung fernhalten. Das Gründerteam (Beate Kreusch, Melanie Eckermann und Jürgen Marquardt) hatte geahnt, dass viele Menschen kommen würden. Fast ein Zehntel der 2500 Waldsiedlungs-Bewohner fand sich kurz vor der Dämmerung auf dem Platz ein. Darunter viele ältere Menschen, die länger als die Berufstätigen zu Hause sind und daher besonders von zusätzlichem Schwerlastverkehr betroffen wären.

Plakate und ein Autocorso in Planung

Man traf sich draußen, sagte Beate Kreusch, um Corona-Ansteckungen zu vermeiden. Auf zwei Biertischen lagen Listen aus. In die eine schrieben sich Menschen ein, die den Protest der neuen Bürgerinitiative mittragen. Die Überschrift lautet: „Nein zum Logistikzentrum auf dem ehemaligen Fichter-Gelände. Lkw-Wahnsinn stoppen / Lebensqualität schützen!“ Die andere Liste versammelte die Namen zahlreicher Waldsiedler, die aktiv in der neuen Gruppe mitarbeiten wollen. In einem Karton landeten Scheine und Münzen, die die kommenden Aktionen finanzieren sollen. Auf der neuen Webseite www.buergerinitiative-waldsiedlung.de kann man über Paypal spenden.

Beate Kreusch, Jürgen Marquardt und Melanie Eckermann (von links) riefen zur Gründung einer Bürgerinitiative auf. Nun sind viele Menschen aus der Waldsiedlung dabei. Foto: Nissen

Was will die Bürgerinitiative nun tun? Zunächst Druck auf die Gemeinde ausüben, damit das ihrer Meinung nach lückenhafte Verkehrsgutachten erneuert wird. Man will weitere Unterschriften auch in den Nachbarorten der Waldsiedlung sammeln. An möglichst vielen Zäunen sollen Plakate gegen das Logistikzentrum aufgehängt werden. Man müsste mit einem Autokorso den Verkehr in Altenstadt zum Erliegen bringen, schlug ein Mann vor. So, wie es später durch die ganzen Lastwagen passieren werde. Das sei eine prima Idee, scholl es von der provisorischen Bühne an der Hintertreppe des Gemeinschaftshauses zurück.

„So viel Lärm wie möglich machen“

Möglicherweise suchen die Waldsiedler auch das Gespräch mit Landrat Jan Weckler (CDU) und der Ersten Kreisbeigeordneten Stephanie Becker-Bösch (SPD). „Die neue BI müsse „so viel Lärm wie möglich machen“, empfahl der Altenstädter CDU-Fraktionschef Sven Müller-Winter. „Wir wollen es dem Investor so unbequem wie möglich machen“, meinte die Ortsvorsteherin Beate Kreusch. „Wir werden lästig sein!“

Bei der Diskussion zeigte sich nicht nur kämpferische Aufbruchsstimmung. „Man meint, es sollte ein Vulkan ausbrechen“, spottete ein älterer Mann am Mikro. Man brauche doch die neuen Arbeitsplätze. Lautes Murren aus der Menge. Das Logistikzentrum werde nur etwa 60 neue Jobs bringen, entgegnete Beate Kreusch. Besser wäre es, bis zu 15 kleinere Firmen im Gewerbeareal anzusiedeln. Da könnten dann bis zu 300 Menschen arbeiten.

Der Bürgermeister bleibt fern

Ob der ganze Protest nicht zu spät komme, fragte eine Frau. Keineswegs, sagte Beate Kreusch. Zwar habe der Panattoni-Konzern schon einen Bauantrag beim Kreisbauamt gestellt. Aber: „Wir sind mitten im Spiel“. Immerhin habe das komplette Gemeindeparlament den Bürgermeister beauftragt, das Projekt abzulehnen. Bis zum 12. Oktober 2021 könne die Gemeindeverwaltung ihren Kommentar zum Bauantrag abgeben.

Man werde darauf achten, dass der negativ ausfällt, versprach der CDU-Fraktionschef Sven Müller-Winter den Leuten auf dem Parkplatz. Spürbar wurde bei der ganzen Versammlung die Unsicherheit, wie Bürgermeister Norbert Syguda zum Logistik-Projekt von Panattoni steht. Mehrfach bedauerten Teilnehmer, dass Syguda nicht in die Waldsiedlung gekommen war.

Nur Anwohner dürfen gegen das Projekt klagen

Einer Klage den Bebauungsplan für das Fichter-Gelände räumte der BUND-Vorstand Werner Neumann keine Chancen ein. Neumann ist bislang erfolgreich gegen das geplante Rewe-Logistikzentrum bei Berstadt und die Amazon-Basis in Grund-Schwalheim vorgegangen. In Wölfersheim habe man auf dem Baugelände nun auch Feldhamster entdeckt, verriet der Umweltschützer seinem Publikum in der Waldsiedlung. Und gegen den Bau der dritten Logistikhalle im Gewerbegebiet Limes bei Hammersbach bereite man gerade eine Klage vor.

In der Waldsiedlung könnten aber nur direkte Nachbarn Einwände gegen die Logistikhallen von Panattoni erheben. Sie sollen von der Bürgerinitiative dabei unterstützt werden, hieß es am Montag. Falls der Widerstand scheitert, sollten sich die Waldsiedler noch einen „Plan B“ überlegen, empfahl Neumann. Das könnte zum Beispiel die Forderung nach einem direkten Autobahn-Anschluss sein.

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