20 Jahre unterstütztes Wohnen
Die Lebenshilfe Wetterau hat vor 20 Jahren, im Dezember 2002, ihr „Unterstütztes Wohnen“ für Menschen mit Behinderung eingerichtet, damals noch „Betreutes Wohnen“ genannt. Die ersten Bewohner zogen ins Haus Nummer 25 auf dem Lebenshilfe-Gelände in Friedberg-Fauerbach. Heute sucht die Lebenshilfe dringend Wohnungen für ihre Klienten.Lebenshilfe Wetterau blickt zurück
In den 20 Jahren hat sich viel getan, nicht nur die Änderung des Namens, stellt die Lebenshilfe fest und blickt zurück. „Einkaufen gehen ist eine Tätigkeit, die für viele Menschen ganz selbstverständlich ist und oftmals schnell nebenbei erledigt wird. Für Menschen mit Handicap kann Einkaufen eine etwas größere Herausforderung sein. Das beginnt bereits bei der Überlegung ‚Was brauche ich?‘ und dem Schreiben eines Einkaufszettels. Hier setzt beispielsweise die Unterstützung des Teams vom Unterstützten Wohnen (UWO) ein. Gemeinsam wird überlegt, was für eine Woche benötigt wird und eingekauft werden muss“, beschreibt die Lebenshilfe den Alltag im unterstützten Wohnen. Da manche der Betreuten nicht lesen können, wird während des Einkaufs besprochen, was in den Produkten enthalten, was gesund oder eher ungesund ist und wie es mit dem Verhältnis von Preis und Qualität aussieht. Auch an der Kasse wird geholfen, da manche der Klienten den Wert des Geldes nicht kennen oder nicht zählen können. Einige führen – mit etwas Hilfe – ein Haushaltsbuch. So können sie ihr Geld gut im Blick behalten und es sich besser einteilen.
„Nach dem Einkauf besprechen wir dann bei den Klienten und Klientinnen zu Hause, wie man mit den erworbenen Sachen umgeht – was beispielsweise in den Kühlschrank gehört oder im normalen Schrank besser aufgehoben ist“, erläutert Kirsten Hasenau, Leiterin des UWO. Menschen bei Dingen begleiten, die sie selber erledigen können, aber dabei etwas Unterstützung und Beratung brauchen, ist das Kerngeschäft des UWO. Die Mitarbeiter unterstützen Menschen mit Behinderung, die ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben in ihrer eigenen Wohnung oder in einer WG führen. Wie diese Hilfestellung aussieht, hängt von den individuellen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Lebensumständen ab. Viel Wert wird darauf gelegt, dass nur so viel Hilfe in Anspruch genommen wird wie nötig. Die Klienten entscheiden selbstständig, handeln aktiv und können so Erfahrungen sammeln.
Höhepunkte waren die Urlaube
Als das UWO Anfang der 2000er-Jahre entstand, war „Betreutes Wohnen“ stark im Kommen. Die Lebenshilfe Wetterau errichtete auf ihren Gelände in Fauerbach eine Wohnanlage, die für diese Zwecke bestimmt war. Im Dezember 2002 zogen die ersten Bewohner in das Gebäude Nummer 25. Das neue Angebot „Betreutes Wohnens“ wurde von Dr. Ralf Streum geleitet. Gleich im ersten Jahr verbrachten die Beteiligten des „Betreuten Wohnens“ gemeinsam einen Urlaub am Edersee – und einige weitere folgten.
Während eines Praktikums lernte die damalige Sozialarbeit-Studentin Kirsten Hasenau das noch junge Angebot und die Klienten kennen. Am 1. März 2003 begann sie in einem Mini-Job dort zu arbeiten. Heute leitet sie das UWO. Die Leitung übernahm sie 2014, indem sie, ganz symbolisch, von ihrem Vorgänger einen Staffelstab überreicht bekam, der sich bis heute in ihrem Büro befindet.
Das „Betreute Wohnen“ wuchs stetig. 26 Klienten zählte das UWO zu Beginn. Derzeit werden 60 Menschen von 15 Mitarbeitern unterstützt. Die jüngste Klientin ist Anfang 20, die älteste ist kürzlich 70 geworden. Fünf Klienten sind von Anfang an dabei und wohnen noch heute im Haus 25.
Da der pädagogische Ansatz im Vordergrund steht, ist beim UWO ausgebildetes Fachpersonal aus dem sozialpädagogischen Bereich angestellt. Die Klienten werden jeweils durch eine feste Ansprechperson aus dem UWO-Team betreut. Diese Betreuung gestaltet sich von Person zu Person ganz unterschiedlich und individuell. Oft unterstützt das UWO-Team beim Kontakt zu Ärzten, Therapeuten, Beratungsstellen und anderen Diensten. „Das beginnt schon bei der Terminvergabe, viele unserer Klienten und Klientinnen trauen sich nicht, in den Arztpraxen anzurufen“, berichtet Kirsten Hasenau. Sie werden zum Termin begleitet. Bei der Untersucung sind sie nicht dabei, es sei denn, der Klient möchte es. Meist sind sie erst wieder beim Gesprächen mit dem Arzt anwesend, wenn es um die Einnahme von Medikamenten oder Ähnliches geht. „Diese Gespräche werden dann später noch mal wiederholt beziehungsweise reflektiert und die Medikamente holen wir bei Bedarf gemeinsam in der Apotheke ab“, erläutert Hasenau. Das UWO-Team hilft außerdem bei der Suche nach passenden Wohnungen, begleitet beim Gang zu diversen Ämtern, kann bei Fragen zur Aufenthaltserlaubnis Rede und Antwort stehen und unterstützt auch beim Stellen von Anträgen, wenn die Klienten keinen rechtlichen Betreuer haben.
Lebenshilfe Wetterau sucht dringend Wohnungen
Angebote zur persönlichen und gesundheitlichen Stabilisierung sowie zur Stärkung von Selbstsicherheit und sozialen Kompetenzen sind wichtiger Teil der Betreuung. Auch an der Entwicklung von Zukunftsperspektiven wird gemeinsam gearbeitet. „Wir sind für die Leute da“, sagt Hasenau. Das UWO-Team fungiere als verlässlicher Gesprächspartner – bei Ängsten oder wenn es Konflikte gibt; bei der Arbeit, mit Freunden, im Haus. Alle Mitarbeiter seien gut erreichbar, die Diensthandy-Nummern bekannt. Es werde zeitnah reagiert, Krisen würden gemeinsam gelöst und es gebe Hilfe zur Krisenprävention und -intervention.
Die Urlaube waren laut Hasenau sie Höhepunkte der vergangenen 20 Jahre. „Beispielsweise einer in einem Vier-Sterne-Hotel. Wir waren einfach mittendrin dabei“, erinnert sie sich. Zweimal ging es nach Menorca, nach Holland und an den Edersee und einmal nach Bayern, an den Fuß der Zugspitze. In Zeiten von insgesamt hohen Kosten, Personalmangel und Pandemie seien solche Urlaube heute leider nicht mehr so einfach realisierbar.
Wohnungen für die Klienten zu finden, ist das größte Problem für das UWO-Team. Klienten möchten bei ihren Eltern ausziehen, in andere Wohnungen umziehen oder möchten näher am Sitz der Lebenshilfe wohnen. Es ist äußerst schwierig, passende zu finden.Viele Vermieter wollen nicht an Menschen mit Behinderung vermieten, und außerdem sind die Wohnungen, die infrage kämen, knapp oder es gibt keine, berichtet die Lebenshilfe. Für die Klienten ist es wichtig, ihren Alltag so selbstständig wie möglich leben zu können. Der öffentlichen Nahverkehrs ist im Wetteraukreis nicht überall gut ausgebaut und manche Klienten können ihn nicht allein nutzen. Deshalb ist es vielen wichtig, möglichst zentral zu wohnen. WGs sind aktuell nicht unbedingt gewollt, eher bestehe der Wunsch nach Einzel-Wohnungen, da es den Klienten wichtig ist, allein leben zu können, berichtet die Lebenshilfe. Sie ruft Vermieter von kleinen Wohnungen, die an Menschen mit Behinderung vermieten wollen, sich beim UWO-Team zu melden: Telefon: 06031 68456 140; E-Mail: unterstuetztes-wohnen@lebenshilfe-wetterau.de
Titelbild: Die Urlaube, wie dieser auf Menorca, zählten zu den Höhepunkten in 20 Jahren unterstütztes Wohnen der Lebenshilfe Wetterau.