Oliver Steller

Werber für Gedichte

Von Corinna Willführ

Der Musiker und Rezitator Oliver Steller wirbt bei Schülern im Grundschulalter für Lyrik. Er hat bereits seine sechste CD mit Gedichten für Kinder eingespielt. Landbote-Redakteurin Corinna Willführ sprach mit ihm.

Oliver Steller bringt Kindern Lyrik nahe

„Von drauß‘ vom Walde komm‘ ich her…“ Ein Gedicht vor den Geschenken, aufgesagt an Heiligabend, manchmal auch schon zum Nikolaus-Tag: Für viele eine Kindheitserinnerung, die ihnen lange, mitunter ein Leben lang die Freude an Gedichten verdarb. Zudem noch der Zwang etwa „Der Knabe im Moor“ auswendig lernen zu müssen. Wieviel Spaß bereits Jungen und Mädchen im Grundschulalter an Lyrik haben können, beweist der Erfolg von Oliver Steller. Der Musiker und Rezitator hat bereits seine sechste CD mit „Gedichten für Kinder“ eingespielt. Corinna Willführ traf ihn zum Gespräch nach einem Auftritt in der Stadtbücherei Ortenberg.

„Wo ist meine Spinne, wer hat sie geseh’n, sie hat sechs lange Beine, sie ist so wunderschön“, tönt der Refrain des Gedichts von Peter Maiwald, vertont von Olli, lauthals aus den Kehlen von mehr als 50 Jungen und Mädchen in der kleinen Stadtbücherei der Wetteraugemeinde. Begleitet von rhythmischem Klatschen zum Sound der Gitarre. Die Gitarre heißt Frieda und Oliver Steller ist für alle „der Olli“. Die Jungen und Mädchen, überwiegend im Grundschulalter, erweisen sich als ausgesprochen textsicher, nicht nur beim Refrain dieses Gedichtes/Liedes. Vielmehr singen oder sprechen sie viele Zeilen der Lyrik mit, die Oliver Steller für seinen Auftritt ausgewählt hat. Ob es Fontanes „Herr Ribbeck von Ribbeck“, Bertolt Brechts „Fisch Fasch“ oder „Die drei Spatzen“ von Christian Morgenstern ist. Dazu eine kleine Zauberei, eine erfolgreiche Suche unter dem jungen Publikum nach „Zungenzwitschlern“ wie „Fischers Fritze“ – und 45 Minuten mit viel Spaß an Sprache und Musik sind im Nu vergangen. „Bis zum nächsten Mal“, wenn Dörthe Herrler (Galerie am Alten Markt), Leiterin der Stadtbücherei, den mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichneten Künstler erneut nach Ortenberg holt.

Gedichte an denen Kinder Spaß haben

Landbote: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Gedichte für Ihre Kinderprogramme aus?

Oliver Steller: Ich lese für jedes Kinderprogramm manchmal bis zu 1000 Gedichte. Mehr als 25 davon kann ich in einem Kinderprogramm allerdings nicht unterbringen. Wenn ich 50 bis 60 zusammen habe, dann fange ich an, einen roten Faden zu spinnen. Das heißt, meine Auswahl hat auch immer etwas mit dem gesamten Programm zu tun. Dann geht es um Gedichte, in denen Geschichten vorkommen, in denen Bilder vorkommen und natürlich Gedichte, von denen ich meine, dass die Kinder Spaß daran haben können, das sie etwas zu lachen haben. Das ist auch wichtig. Bei manchen Balladen, zum Beispiel dem „Zauberlehrling“ oder dem „Erlkönig“, beide von Goethe, da ist es ganz schön, wenn die Kinder sich auch mal ein bisschen gruseln können. Das mögen sie auch ganz gerne. Früher habe ich das bei meinen Kindern ausprobiert, als die noch klein waren. Da abe ich einfach gesprochen oder gesungen, wenn sie gemalt haben und habe gekuckt, ob die Kinder darauf anspringen. Wenn ich die Programme einigermaßen fertig habe, dann mache ich sogenannte Probeauftritte vor Kindern und schaue nochmal, wie die Kinder reagieren, ob es so ist, wie ich es mir gedacht habe. Manchmal verselbstständigt sich das. Die Kriterien sind also Geschichten, Bilder, ein gewisser Spaß sollte drin sein, auch was zum Gruseln. Immer eine Kombination aus Klassikern, also Balladen aus dem 18. Und 19.Jahrhundert und zeitgenössischen Dichtungen.

Heute war Ihr Publikum in der Stadtbücherei Ortenberg zwischen etwa drei und zwölf Jahre alt. Wie bekommt man eine so große Altersspanne in einem Programm unter einen Hut?

Eigentlich geht das nicht. Wenn es nur Dreijährige wären, würde ich sie mit meinem Programm überfordern. Die halten nicht so lange durch, die verstehen auch noch nicht alles. Aber wenn ältere Kinder dabei sind, ist das genau richtig. Die Kleinen orientieren sich dann an den Großen und sprechen mit oder hören überhaupt zu. Das hat man auch heute gesehen. Es war überhaupt nicht unruhig. Das war immer sehr angenehm. Auch für mich. Unter einen Hut versuche ich sie gar nicht zu bekommen. Meine Programme sind für die Grundschule. Ich weiß, dass ganz viel Dreijährige, sogar schon Zweijährige die Musik hören und dazu tanzen. Die klicken auf einer CD immer wieder dasselbe Lied, hundertmal hintereinander, so dass die Eltern verrückt werden und mich dann anschreiben, ich soll endlich eine neue CD machen. Wenn Geschwisterkinder so klein sind und mitkommen, ist das schon okay, aber das ist nicht meine Zielgruppe.

Welche Rolle spielt bei der Vermittlung des Wortes, der Wörter, die Musik und Ihre Gitarre Frieda?

Eine ganz große Rolle. Ohne die Frieda würde es nicht so gut gehen, wie es nun schon seit 25 Jahren geht. Rhythmus ist ganz wichtig. Da springen die Kinder wie die Erwachsenen drauf an. Dann Melodien. Wir lernen die Texte viel besser über Melodien. Das hat heute ein Kind auch gesagt. Als ich fragte, ob jemand ein Gedicht aufsagen könnte, hat eines der Kinder sich gemeldet und „Nein“, gesagt, „aber ein Lied.“ Jetzt kommen Weihnachtslieder. Da kennen wir unglaublich viele, manchmal noch die zweite und dritte Strophe. Das geht nur über die Melodie, anders würden wir das gar nicht lernen. Wobei ich denke, dass jedes Gedicht, auch gesprochen, eine Melodie hat.

Es wird gepupst und gepopelt

Wenn Sie ein Kinderprogramm entwickeln, ist das für Sie eine Entspannung zu Ihren Abendprogrammen für Erwachsene?

Das ist beides gleich. Ich brauche meistens so um die zwei Jahre für jedes Programm, wobei ich viel ausprobiere. Manchmal denke ich, das ist ein super Gedicht, verwerfe es wieder oder stelle fest, das passt nicht in das Programm. Die Vorbereitungen auf ein Kinderprogramm sind genauso schön wie für ein Abendprogramm. Das Abendprogramm ist halt doppelt so lang, nämlich zwei Mal 45 Minuten.

Zum Tag des Vorlesens im November sind Studien veröffentlicht worden, nach denen immer weniger Eltern ihren Kindern vorlesen. Können Hör-CDs ein Ersatz für das Vorlesen sein?

Bedingt. Ich würde sagen, in der Kombination bedingt. Wenn die Kinder ab und zu Hörbücher hören, dann aber auch vorgelesen bekommen, dann finde ich es gut. Allein für die Kinder Hörbücher anzumachen, finde ich ein bisschen zu wenig.

Haben Sie denn Ihren Kindern vorgelesen?

Oh ja, wir haben viel vorgelesen, und ich habe mir viele Geschichten ausgedacht, so Fortsetzungsgeschichten, jeden Abend. Ausdenken also auf jeden Fall. Ich bin auch manchmal beim Erzählen eingeschlafen.

In den Gedichten, die Sie heute vorgetragen haben, wurde des Öfteren gepupst und gepopelt. Die Kinder hatten dabei großen Spaß. Mancher Erwachsene hat indes schon mal die Nase gerümpft.

Das dürfen die.

Mehr zu den Mann, der für seine CDs für Erwachsene mit Vertonungen von Brecht, Tucholsky oder Heine auch als „Stimme der deutschen Lyrik“ gelobt wird unter oliversteller.de

Titelbild: Oliver Steller hat bereits sechs CDs mit „Gedichten für Kinder“ veröffentlicht. Mit seiner Gitarre Frieda wirbt der Künstler schon bei Kindern im Grundschulalter für die Freude an Lyrik. (Foto: Corinna Willführ)

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