Caravaggio und die Geheimnisse
von Jörg-Peter Schmidt
Einen Abend voller Geheimnisse erlebten die Gäste, die der Einladung des Literarischen Zentrums Gießen während des Krimifestivals in das Gießener Rathaus gefolgt waren. Denn voller Rätsel ist die Handlung des Romans, aus dem der Autor Bernhard Jaumann las, der mit dem Deutschen Krimipreis und (zwei Mal) mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet worden ist: „Caravaggios Schatten“ heißt sein neuer KrimiWie der Titel des Buches bereits verrät, spielt eines der bekanntesten Werke des italienischen Frühbarock-Malers Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571 – 1610) eine bedeutende Rolle. Es geht um das Anfang des 17. Jahrhunderts entstandene Gemälde „Der ungläubige Thomas“, das seinen Platz in der Bildergalerie im Schloss Sanssouci in Potsdam gefunden hat. Der aus Mailand stammende Künstler hatte ein Motiv aus dem Neuen Testament verarbeitet: Der Jünger Thomas überzeugt sich persönlich, dass Jesus auch wirklich den Tod überwunden hat, indem er seinen Finger in eine tiefe Wunde des Wiederauferstandenen legt.
Rätsel um Rätsel
Um dieses Meisterwerk ranken sich viele Fragen: Wollte der Maler in einer Zeit religiöser Machtkämpfe und gesellschaftlicher Veränderungen irgendeine Botschaft ausdrücken, weil er ausgerechnet einen biblischen Zweifler in den Mittelpunkt dieses künstlerischen Werkes stellte? Aber es gibt noch ein weiteres Fragezeichen, über das Jaumann während der von Heidrun Helwig („Gießener Anzeiger“) moderierten Lesung berichtete: Er hatte beim persönlichen Betrachten des Gemäldes in Potsdam, das im Hintergrund der Bühne im Gießener Hermann-Levi-Saal als Abbildung zu sehen war, Folgendes bemerkt: Thomas blicke nicht – wie allgemein angenommen werde – in Richtung von Jesus, sondern an ihm vorbei. Wenn dem so ist, bleibt die Frage: Was hatte Caravaggio mit dieser Nuance ausdrücken wollen?
Eine unfassbare Tat
Welche Rolle spielt nun das weltberühmte Bild in dem im Verlag Galiani (Berlin) erschienenen Krimi, in dem zum zweiten Mal der Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz ermittelt? Das Gemälde setzt bereits im ersten Kapitel den Schwerpunkt: Der Detektiv wird von seinem früheren Schulkameraden Alban Posselt überredet, die Bildergalerie des Schlosses Sanssouci zu besuchen, wo Posselt eine nicht nachvollziehbare Tat begeht, die dem gesamten Roman als großes Rätsel ihren Tempel aufdrückt: Der Schulfreund sticht auf Caravaggios unschätzbar wertvolles Werk ein.
Es kommt noch schlimmer: Als das vorerst entwertete Kunstwerk zu Spezialisten zum Zweck der Restaurierung transportiert werden soll, wird es von Kunstdieben gestohlen, die ein ganz beträchtliches Lösegeld fordern.
Rupert von Schleewitz sowie seine Kollegin Klara Ivanovic und sein Kollege Max Müller haben jetzt in einem Aufsehen erregenden Fall zu ermitteln, bei dem es gleich mehrere schwierig zu lösende Rätsel gibt – auch das, ob der Schlüssel in diesem Fall in der Internatszeit, die von Schleewitz und Posselt als Schüler verbrachten, zu finden ist.
Weitgereister Autor
Die Gerichtsreporterin Heidrun Helwig und die Besucherinnen und Besucher der Lesung hatten viele Fragen an den Schriftsteller, der erst vor wenigen Monaten seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer unter anderem für Geschichte und Italienisch in Bad Aibling (Oberbayern) beendet hat, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Auch nach dem Werdegang des Autors wurde gefragt: Er ist eine Weltreisender, lebte beispielsweise in Italien, Australien und Namibia. In dem Roman „Der lange Schatten“ geht es unter um die verbrecherische Kolonialherrschaft Deutschlands in Namibia.
Zu Jaumanns Büchern gehören auch schon längere Zeit Krimis, darunter „Der Turm der blauen Pferde“ (Verlag Galiani), wobei es um den ersten Fall geht, bei dem Rupert von Schleewitz ermittelt; im Mittelpunkt steht das Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ von Franz Marc. Bleibt zu hoffen, dass es schon bald einen dritten Krimi gibt, in dem von Schleewitz als Kunstdektiv tätig werden muss.
Titelbild: Das Gemälde „Der ungläubige Thomas“ steht im Mittelpunkt des Krimis. (Quelle: Wikipedia, www.wga.hu)