Erfinder

Geschäftsidee frisst Freizeit

Von Klaus Nissen

In naher Zukunft werden wir vielleicht alle ein BEBBS zu Hause haben. Und uns wundern, dass so ein Ding nicht schon viel früher erfunden wurde. Die Erfinder heißen Fabian Goedert und Sophia Reiter. Sie studieren an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen. Am 3. November 2021 entscheidet sich, ob die beiden und ihr BEBBS ganz groß herauskommen. Sie gelten als Favoriten für den Hessischen Gründerpreis. Ihr Produkt kann jeder Mensch brauchen. Und es wird – wenigstens zu Beginn – in der Wetterau produziert.

Junge Leute bauen selbstlöschende Steckdosen

Fabian Goedert und Sophia Reiter sind beim Treffen in einem Butzbacher Café ziemlich aufgekratzt. Sie stehen unter Adrenalin.

Sophia Reiter (22) und Fabian Goedert (25) aus Butzbach arbeiten von früh bis spät an der Etablierung ihres Brandschutzsystems. Freizeit? Fehlanzeige. Fotos: Nissen

Das Projekt des 25-Jährigen und seiner 22-jährigen Freundin ist in einer entscheidenden Phase. Der angehende Bauingenieur und die künftige Elektroingenieurin haben das deutsche und das EU-Patent schon in der Tasche. Anfang Oktober drehten sie auf dem Gelände der Gießener Berufsfeuerwehr einen Image-Film, mit lodernden Wasch- und Spülmaschinen und Brandschützern in voller Einsatzmontur.

„Wir arbeiten zwölf Stunden am Tag“

Jetzt bereiten Fabian und Sophia mit drei Kommilitonen den Stand für die Gründermesse in Frankfurt vor. Die Präsentation soll perfekt sein. Am Abend des 3. November 2021 dann die Preisverleihung, die ihnen alle Türen öffnen soll. „Wir haben seit fünf Jahren keinen Urlaub mehr gemacht“, sagt Sophia. „Wir arbeiten zwölf Stunden am Tag, und das für null Euro. Man muss ein bisschen bekloppt sein.“

Dann holt Sophia das BEBBS aus ihrer Tasche. Eine klobig aussehende, schwarze Dreifach-Steckdose mit kurzem Kabel, einer Blinkleuchte, einem silbrig glänzenden Nippelschalter und einem kleinem Display. Es sieht aus wie ein Produkt aus Daniel Düsentriebs Werkstatt. „Das ist nur ein erster Prototyp aus dem Drei-D-Drucker“, sagt Fabian.

So sieht der Prototyp der selbstlöschenden Mehrfachsteckdose BEBBS aus. Die nächste Version soll elegantere Formen bekommen.

Bald soll das BEBBS eleganter aussehen und millionenfach in den Wohnungen der Deutschen und aller Bürger dieser Welt Brände verhüten. Es ist eine Mehrfachsteckdose, die elektrische Überspannungen erkennt, warnt und den Strom abschaltet. Falls trotzdem ein Brand ausbricht, wird der automatisch gelöscht. Kurz: BEBBS, ein Branderkennungs- und Brandbekämpfungssystem.

Kurzschlüsse und Brände sind sehr häufig

Das ist dringend nötig, sagt Fabian Goedert. Denn allein in Deutschland gerieten übers Jahr rund 60 000 Steckdosen in Brand. Und wenn dann niemand zu Hause sei, weite sich das Feuer auf die ganze Wohnung aus. Als Einsatzmitglied der Feuerwehr erlebte Fabian im Jahr 2015, welche verheerenden Folgen der Brand einer Waschmaschine in Haus eines Freundes hatte. Gerade bei älteren Elektrogeräten können schon Schmutzablagerungen in unzugänglichen Winkeln einen Kurzschluss auslösen.

Sophia, Fabian und das BEBBS.

Solche Brände müsste man doch schon an der Quelle löschen können, überlegte der damals 19-Jährige Elektriker-Azubi. Er hatte eine Idee. In der Hobbywerkstatt seiner Eltern in Butzbach baute Fabian die Ur-Version der BEBBS-Steckdose in eine große Holzkiste. „Das war anfangs ein Desaster“, erzählt der heutige Startup-Unternehmer lächelnd. „Sie glauben nicht, wie oft die Sicherung rausgeflogen ist.“

Doch nun funktioniert die Technik. Die Mehrfachsteckdose gibt ein optisches Signal und einen lauten Warnton ab, wenn sie sich überhitzt. Letzteres kann passieren, wenn man zu starke Stromverbraucher in Betrieb nimmt. Niemals sollte man beispielsweise Geräte mit Motor an Mehrfachsteckdosen anschließen, sagt Sophia Reiter, die als aktive Feuerwehrfrau ebenfalls eine Brandschutz-Expertise besitzt. Das BEBBS kann sogar eine Warn-SMS an seinen Besitzer verschicken. Wenn dann keine Reaktion erfolgt, wird die Stromzufuhr abgeschaltet. Und falls die Steckdose trotzdem in Flammen aufgeht, wird das Feuer durch ein darin enthaltenes Löschmittel erstickt.

Jetzt steckt das System im Prüfverfahren

Wie das genau funktioniert, verraten Fabian Goedert und Sophia Reiter nicht. Es ist ihr Geschäftsgeheimnis, das sie in der Patentschrift für ihre junge Firma Fisego (Fire Security Goedert) gesichert haben. Die Brandschutztechnik funktioniert auch bei größeren elektrischen Anlagen wie etwa in Rechenzentren. Das habe ihnen eine Jury aus Berufsfeuerwehrleuten und Elektrikern bestätigt, sagt Fabian Goedert.

Im Moment ist das junge Team damit beschäftigt, die Prüfverfahren für diverse deutsche und europäische Sicherheitszertifikate für BEBBS zu bewältigen. Sobald das System anerkannt ist, wollen die jungen Leute es den Herstellern großer Elektrogeräte anbieten. Die können es dann gegen eine Lizenzgebühr in ihre Geräte einbauen.

Die Steckdosen will man selber bauen und vertreiben

Die neuartigen Mehrfachsteckdosen wollen die Jungunternehmer dagegen schon ab 2022 selbst produzieren. Es soll eine ökologisch einwandfreie Produktion mit Einzelteilen aus Deutschland werden, sagt Sophia Reiter. Beschäftigte der Wetterauer Werkstätten in Ockstadt werden die Platine, das wiederverwendbare Steckerkabel in unterschiedlichen Längen und das halbe Dutzend Spritzguss-Einzelteile montieren. Die Startup-Unternehmer haben sich dort umgeschaut und loben die bei der Behindertenhilfe angestellten Frauen und Männer. Sophia: „Die identifizieren sich mit dem, was sie herstellen“.

Für die Produktion der Mehrfachsteckdosen haben Goedert und Reiter noch keine Geldgeber. Sie wollen die Hoheit über das Produktionsverfahren selbst in der Hand behalten und nicht zu viele Prozente ihres Unternehmens abgeben. „Wir wissen, was es wert ist“, sagt Fabian Goedert. Allerdings können sie die Anfangsproduktion auch nicht selbst finanzieren – die Anlaufkosten schätzen sie auf mehr als eine Viertelmillion Euro. Sophia sagt: Wir suchen noch einen Investor, der uns zu hundert Prozent vertraut.“

„Wir einen Investor, der uns hundertprozentig vertraut“

Hilfe bekamen die Unternehmensgründer bisher von ihrer Hochschule. Die beriet sie und half ihnen bei der Patentanmeldung. Unterstützung beim Marketing kommt auch aus dem Träger-Netzwerk der Hessischen Gründertage. Die werden von der Europäischen Union und der Landesregierung finanziell gefördert.

Vor der Gründerpreis-Verleihung sind die jungen Butzbacher durch die Jury schon als Finalisten in der Kategorie „Ausgründung aus der Hochschule“ herausgestellt worden. Ob sie den (nicht mit Geld dotierten) Gründerpreis wirklich bekommen, entscheidet auch die Präsentation, das Vorab-Marketing und die Online-Abstimmung des Publikums. „Am 20. Oktober2021 wird das Online-Voting auf www.hessischer-gruenderpreis.de freigeschaltet“, sagt Sophia Reiter. „Wir würden uns sehr freuen, wenn möglichst viele Leute uns da unterstützen.“

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