Kreistagswahl

Wetterau bleibt schwarz-rot

Die Mehrheit der schwarz-roten Koalition im Wetteraukreis geriet bei der Kommunalwahl am 14. März 2021 ins Bröckeln. In den letzten fünf Jahren konnten die Christ- und die Sozialdemokraten noch mit mit 48 der 81 Kreistagssitze bequem regieren. Kurz vor dem Schluss der Auszählung am 17. März abends hatte die CDU ihre Kreistagsfraktion zwar um zwei auf 27 Mandate vergrößert. Doch die SPD verlor nach letztem Stand sechs Sitze und kann damit nur noch 17 Kreistagsabgeordnete stellen. So schrumpft die Mehrheit 44 der 81 Sitze im Parlament der Wetterauer.

Grüner Erfolg bei Kreistagswahl

Als „ausgesprochen zufriedenstellend“ wertete die CDU-Kreisvorsitzende Lucia Puttrich das vorläufige Wahlergebnis. „Wir haben den Auftrag bekommen, weiter Verantwortung zu tragen.“ Und weil man in den letzten fünf Jahren mit der SPD gut und vertrauendsvoll zusammengearbeitet habe, werde die CDU nach der Analyse des Endergebnisses zuerst mit den Sozialdemokraten über eine mögliche weitere schwarz-rote Koalition sprechen. Die dann freilich der CDU mehr Einfluss gäbe als bisher, wenn sich der Trend auch in den weiteren Stimmauszählungen bestätigt. Und wenn es eng würde, „kann man auch mit einer Stimme Mehrheit gut regieren“, sagte Puttrich unter zustimmendem Nicken ihres Parteifreundes und Landrats Jan Weckler.

Die Sozialdemokratin Stephanie Becker-Bösch wiederholte diesen Satz kurz nach Puttrichs Auftritt. Der Wahlkampf unter Corona-Bedingungen sei schwierig gewesen, sagte die Erste Kreisbeigeordnete. Die verringerten Möglichkeiten zum Gespräch hätten der SPD vermutlich Stimmen gekostet. Außerdem könne sich die Wetterauer SPD dem bundesweiten Trend nicht entziehen, ergänzte die Unterbezirksvorsitzende Lisa Gnadl. Man habe sich unter diesen Vorzeichen achtbar geschlagen – und könne bis zur letzten Auszählung durchaus noch ein bis zwei Prozent gutmachen.

Grüne haben ihr Ergebnis verdoppelt

Als Gewinner der Kreistagswahlen können sich die Grünen fühlen. Sie haben ihr Ergebnis mit 18,69 Prozent mehr als verdoppelt und holten sucg 15 Abgeordnetensitze – bisher waren es nur sieben. In Bad Vilbel und Friedberg wurden die Grünen knapp nach der CDU zur zweitstärksten Fraktion. „Auch im Ostkreis haben wir sehr stark abgeschnitten“, sagte der Grüne Thomas Zebunke in einer ersten Bilanz. Dieser Zuwachs für die Grünen führe auch dazu, dass im nächsten Kreistag mehr Frauen als jemals zuvor sitzen werden. Das nächste Parlament tritt am 11. Mai zum ersten Mal zusammen.

Die neue Grünen-Kreisvorsitzende Michaela Colletti zieht in den Wetterauer Kreistag ein. Auf dem Namensschild im Plenarsaal des Kreishauses ist ihr Nachname noch falsch geschrieben. Foto: Nissen

Als bedauerlich bezeichneten es Zebunke und die Grünen-Spitzenkandidatin Michaela Colletti, dass rechtsextreme Parteien im Wetteraukreis nicht entscheidend eingedämmt werden konnten. Die AfD-Fraktion schrumpfte freilich von zehn auf sechs Abgeordnete. Wenn das so bleibt, wird Andreas Lichert, der intellektuelle Kopf der Partei, nicht mehr in den Kreistag einrücken. Als einen Grund für das schlechtere Ergebnis nannte Lichert, dass die Medien über die Wetterauer Initiativen der AfD in den „bestenfalls nur dann berichteten, wenn es etwas zu skandalieren gab. Das hat uns überproportional geschadet.“ Der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Kuger beklagte sich, dass alle Anträge der AfD in der Regel abgelehnt wurden. Aber: „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Und das werden wir!“

Die NPD musste bei der Kreiswahl starke Verluste hinnehmen. Ihr Altenstädter Vertreter Stefan Jagsch kommt nicht mehr in den Kreistag. Der Parteichef Daniel Lachmann wird künftig wohl als Einzelkämpfer im Saal sitzen.

Freie Wähler und FDP legen zu

Die Freien Wähler konnten sich nach letztem Stand um einen auf sieben Kreistagssitze verbessern. „Ich bin fast euphorisiert“, meinte der Abgeordnete Ronald Berg. In Münzenberg und Ortenberg gebe es sogar Chancen, stärkste Kraft zu werden. Und falls die Koalition aus CDU und SPD noch einen Juniorpartner brauche, sei man bereit. Dann, so der Spitzenkandidat Erich Spamer, würden die Anliegen der Freien Wähler nicht mehr ignoriert werden können.

Ronald Berg hilft seinem FWG-Mitstreiter Erich Spamer (sitzend) bei der Suche nach dem Wahlergebnis. Foto: Nissen

Auch die Freidemokraten bezeichneten sich mit ihren vorläufig fünf Kreistagssitzen als zufrieden. Sie gewannen einen hinzu. Man habe in der Wetterau schon zweimal mitregiert, erinnerte der Abgeordnete Peter Heidt. „Das können wir auch wieder.“ Den Fokus werde man in Zukunft auf eine bessere Infrastruktur und bessere Schulen im Kreis legen – da sei in den letzten Jahren zu wenig Fortschritt passiert.

Die Linkspartei kann ihre drei Kreistagssitze halten. In den nächsten sechs Jahren werde man Klima-Themen in diesem Gremium noch stärker einbringen, sagte die erst 18-jährige Malin Potengowski. Erfreulich findet die Spitzenkandidatin Gabi Faulhaber auch, dass in Butzbach die Linke erstmals mit zwei Vertreterin ins Stadtparlament einzieht.

Nicht mehr in den Kreistag kommen die Piraten. Auch die erstmals für den Kreistag kandidierende Partei des Satirikers und Europa-Abgeordneten Martin Sonneborn bleibt draußen.

Trend für die SPD zeigt nach unten

In den vier vorangegangenen Kommunalwahlen haben CDU und SPD auf Kreisebene immer weniger Wählerstimmen bekommen. Im Jahr 2001 waren beide Parteien mit 41 und 38,8 Prozent noch sehr dominant. In jeder weiteren Wahl verloren sie Prozentpunkte. 2016 landete die CDU schließlich bei 30,5, die SPD bei 28 Prozent.

Ab 2011 hatte eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und der FDP den Wetteraukreis regiert – dominiert vom führungsstarken Sozialdemokraten Joachim Arnold. Doch bei der Kommunalwahl von 2016 brach die Wählerbasis für die Grünen ein – ihr Anteil sank von 15,8 auf nur noch neun Prozent. Das lag vermutlich an den turbulenten und teils auch chaotischen Wochen seit Herbst 2015, in denen der grüne Sozialdezernent Helmut Betschel die Aufnahme von tausenden Flüchtlingen organisieren musste. Die Kreistagsfraktion der Grünen schrumpfte bei der Kommunalwahlim Frühjahr 2016 von 13 auf sieben Sitze zusammen.

Den SPD-Spitzenfrauen Stephanie Becker-Bösch und Lisa Gnadl bereitete die Analyse des Wahlergebnisses wenig Spaß. Foto: Nissen

Die Dreierkoalition war am Ende. Die SPD einigte sich binnen weniger Wochen auf ein schwarz-rotes Bündnis, inklusive Abwahl des grünen Ersten Kreisbeigeordneten Helmut Betschel. Der junge Christdemokrat Jan Weckler übernahm den Posten. Zusätzlich schuf man für die CDU eine Dezernentenstelle, die bis heute Matthias Walther aus Nidda besetzt. Zwei Jahre später wechselte Landrat Arnold in den Vorstand des kreiseigenen Strom-, Gas- und Wasserversorgers OVAG. Bei der Landrats-Direktwahl im Frühjahr 2018 setzte sich Jan Weckler gegen seine sozialdemokratische Konkurrentin Stephanie Becker-Bösch durch. Seitdem ist Weckler Landrat und Becker-Bösch die Erste Kreisbeigordnete.

Ganz neu kam 2016 die AfD in den Wetterauerk Kreistag. Drei Jahre nach ihrer Gründung erhielt sie auf Anhieb 12,2 Prozent und zehn der 81 Sitze im Kreistag. So wurde sie die größte Oppositionspartei. Die Koalition war gezwungen, den Bad Nauheimer AfD-Mann Andreas Lichert in den Kreisausschuss aufzunehmen. Obwohl man ihn der Nähe zur Identitären Bewegung der Neo-Rechtn bezichtigte. Seitdem er in der Kreisregierung sind und zusätzlich ein Landtagsmandat hat, ist Lichert auf Kreisebene allerdings kaum noch zu vernehmen.

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