Kartoffeln

Schlechte Ernte

Von Michael Schlag

Die Kartoffelbauern blicken auf ein schlimmes Jahr zurück: Hitze und Trockenheit haben 2022 nicht nur dem Ertrag geschadet, sondern auch der Qualität. Die ohnehin geringe Ernte ist dadurch schlecht lagerfähig, die Kartoffelbranche bangt um ausreichende Versorgung und auf dem Kartoffelmarkt es gibt Verwerfungen, von denen man bisher noch nicht gehört hatte. Das wurde beim Wetterauer Kartoffeltag deutlich, der traditionell zum Ende der Ernte auf dem Laupushof in Bad Vilbel stattfand.

Verkehrte Welt herrschte in diesem Jahr auf manchem Kartoffelacker. Normalerweise sollte das grüne Laub der Pflanzen die Knollen in der Erde ernähren. In der Dürre dieses Sommers war es bisweilen umgekehrt, „da hat die Kartoffel Feuchtigkeit und Energie nach oben raus geschafft, um das Laub zu erhalten“, erklärt Mark Mitschke vom Beratungsdienst Kartoffelanbau in Heilbronn. Auf dem Feld sah das sogar gut aus und man habe meinen können, „da wächst noch was, es ist ja noch Laub da.“ Doch der Erhalt des grünen Krauts ging zum Schaden der Kartoffeln in der Erde darunter. Die Sortenversuche auf dem Laupushof wurden zwar beregnet, doch selbst wenn der Boden feucht ist, „und oben sind es 40 Grad, tut es der Kartoffel auch nicht gut,“ erklärt Steffen Laupus.

Sortenbesprechung auf dem Laupushof in Bad Vilbel. Vorne Annaleen Kurfess vom Kartoffelberatungsdienst. (Fotos: Michael Schlag)

Robuste Sorten sind gefragt

Die Sorte Otolia hat robustes Laub.

Von Interesse sind jetzt Kartoffelsorten, die natürliche Eigenschaften besitzen, mit denen sie Hitze und Trockenheit besser überstehen. Die Pflanzen sollten möglichst schnell ein kräftiges Laub ausbilden und damit den Boden vollständig beschatten, wenn die Hitze kommt. Annaleen Kurfess vom Kartoffelberatungsdienst nannte zum Beispiel die Sorte Karelia, die auch in Südeuropa angebaut wird, denn „unten im Damm bleibt es einfach kühler, wenn er bedeckt ist“. Das kann die Qualität retten, denn ohne deckendes Laub konnte es dieses Jahr im Kartoffeldamm leicht 45 Grad warm werden, erklärt Mark Mitschke. Bei solchen Temperaturen zersetzt sich bereits Eiweiß und „in dem Bereich, wo die Kartoffel sehr nah unter der Erde lag, hat sie angefangen gar zu kochen“. Auch die Sorte Otolia könne es mit ihrem robusten, aufrechten Laub ohne Beregnung schaffen, sagt Annaleen Kurfess, „sie wird zuverlässig groß und ist gerade für Trockenstandorte eine gute Alternative“.

Mark Mitschke vom Kartoffelberatungsdienst

Die Folgen der Hitze sind mit abgeschlossener Ernte aber noch nicht überstanden, viele Kartoffeln dieses Jahres werden sich im Lager nicht so gut halten wie sonst. Gemessen an der Wärmesumme des Sommers haben die Kartoffeläcker in Hessen drei bis vier Wochen Vorsprung im Vergleich zum vergangenen Jahr, im Rheingraben können es sogar bis zu sechs Wochen sein. Anders gerechnet: Für die Kartoffeln ist mittlerweile schon Anfang Oktober und sie dürften im Lager deutlich früher unruhig werden. Deshalb solle man nicht damit rechnen, dass man sie – wie zu Beginn dieses Jahres – bis Februar, März wird halten können, sondern „wir müssen im Auge behalten, dass die Kartoffel in diesem Jahr etwas älter ist als sonst.“

Immer stärkere Konzentration des Anbaus

Andreas Klaffke vom Züchterhaus Europlant

Was bedeutet das in den kommenden Monaten für den Kartoffelmarkt, für die Verbraucher und die Erzeuger? Andreas Klaffke vom Züchterhaus Europlant in Lüneburg erkennt eine immer stärkere Konzentration des Anbaus auf die guten Lagen in Nordwestdeutschland, die auch weniger unter der Trockenheit gelitten haben als in Hessen. Mittlerweile konzentriert sich fast die Hälfte der deutschen Kartoffelflächen auf Niedersachsen. Auch in den Gebieten mit intensivem Anbau habe die Beregnung aber nicht alles ausgleichen können und „zufriedenstellende Erträge wird kaum jemand nach Hause fahren“. In der Branche kursierten Ernteschätzungen für Deutschland von 9,2 bis 9,5 Mio. Tonnen Kartoffeln, das sei „auf jeden Fall auf dem Zettel zu wenig“. Für die Landwirte ist das erstmal gut, denn die Ankäufer „wollen natürlich Kartoffeln von Ihnen haben und wissen, dass auf dem Markt nicht genug da sind“. Wegen des fortgeschrittenen physiologischen Alters der Kartoffeln werde der Vermarktungszeitraum 2023 wesentlich kürzer ausfallen als in diesem Frühjahr 2022.

Bei der Knappheit finden jetzt Umschichtungen auf dem Kartoffelmarkt statt, die man so noch nicht kannte. Üblicherweise hat der Markt seine Segmente: von der höchsten Qualität der Speisekartoffeln über die Pommes Frites Kartoffeln, der Verarbeitungsware zum Beispiel für Fertigpüree bis hin zur Massenware für die Stärkefabriken. Aber darauf kommt es im Moment gar nicht mehr so an. Stärkekartoffeln gehen auf einmal als Pommes Frites Kartoffeln durch, Vertragsbindung hin oder her werde die Stärkeindustrie weniger beliefert und die Ware geht in das nächste, besser bezahlte Segment.

Sortenversuche auf dem Laupushof.

Selbst Experten können den Markt gerade kaum einschätzen. „Es gibt Verwerfungen, da kommst Du gar nicht drauf“, erzählt Andreas Klaffke. Warum kaufen Restaurants keine vorbereiteten Scheibenkartoffeln für Bratkartoffeln mehr und stattdessen Pommes Frites? Die Antwort: Weil den Küchen das Fachpersonal fehlt und sich Pommes Frites einfacher zubereiten lassen als Bratkartoffeln.

Auch die Inflation ist zu spüren: „Die Chipshersteller sind total verunsichert“, sagt Klaffke. Natürlich würden weiterhin Kartoffelchips gekauft, aber ebenso wie bei den Speisekartoffeln wandere die Nachfrage hin zu den Discountern. Auch manche Abpacker stellten sich auf das geänderte Einkaufsverhalten ein. Eine Discountkartoffel müsse doch nicht immer so glatt und schier sein wie die teure Ware, sondern „dann muss ich auch mal Discountkartoffeln da reinpacken“. Ist eine Partie mal etwas schorfig, dann merkten auch Verbraucher, „die kannst Du doch schälen; ich glaube, diese Erkenntnis wächst.“

Titelbild: Die Kartoffelsorte Karelia, die auch in Südeuropa angebaut wird.

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