Inklusion

Sam hat es geschafft

Von Elfriede Maresch

Ein Glückstag: der 22-jährige Sam unterzeichnete seinen ersten „richtigen“ Arbeitsvertrag für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nichts Besonderes? Sam, geboren mit dem Down-Syndrom, gilt als geistig behindert.

Sams Selbstbewusstsein wuchs

Junge Erwachsene mit Handicap werden nach der Schulzeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) qualifiziert und dort in den Arbeitsbereichen beschäftigt. Sam hatte ein andres Ziel. „Ich will dort arbeiten, wo andere auch arbeiten“ – nämlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Doch oft gibt es für junge Menschen wie Sam keine Alternative zur beruflichen Bildung in einer WfbM. Sie brauchen Erfahrungen in verschiedenen Arbeitsbereichen und individuelle Förderung und Begleitung, um es auf den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. So hatte Sams Mutter noch während der Schulzeit des Sohnes Kontakt zu dem unabhängigen Beratungs- und Unterstützungsdienst Inka aufgenommen.

An das erste Gespräch mit Sam und seiner Familie im Herbst 2018 erinnert sich Inka-Geschäftsführer Jochen Rolle noch gut: „Sam sprach kaum, zeigte wenig Gefühlsregung und wirkte insgesamt sehr unsicher. Doch das änderte sich bereits in seinem ersten Langzeitpraktikum in einer Altenpflegeeinrichtung. Das Arbeiten im Team mit `normalen´ Kollegen und die Wertschätzung, die Sam entgegengebracht wurde, stärkten sein Selbstbewusstsein. Er legte den Weg von der Familienwohnung zum Arbeitsplatz allein zurück, beteiligte sich am Gespräch im Kollegenkreis, wurde in seinem Wunsch bestärkt, langfristig so zu arbeiten.

Alternative berufliche Bildung

Nach weiteren Langzeitpraktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verließ Sam im Juli 2020 die Schule mit einer sogenannten Werkstattberechtigung, die ihm einen Platz und berufliche Bildung in einer WfbM gesichert hätten. Doch Sam entschied sich gemeinsam mit seinen Eltern für die alternative berufliche Bildung (abbi), die im Herbst 2020 als festes Angebot in der Wetterau neu etabliert wurde. „Eine Entscheidung, die im Umfeld nicht immer auf Verständnis stieß“, erinnert sich Sams Mutter. „Man traute Sam eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seines Unterstützungsbedarfs einfach nicht zu.“

Doch das abbi-Team nahm die Herausforderung an und unterstützte Sam in den folgenden 27 Monaten mit beruflicher Orientierung und Vermittlung von Kompetenzen. Es ging um konkrete Themen wie Umgang mit Kollegen, Handy am Arbeitsplatz, Beantragung von Urlaub oder Verhalten bei Krankheit, weiter genaues Abzählen, korrekter Umgang mit Küchenutensilien, Arbeiten mit einer Uhr. Sam ist stolz: er hat während der abbi-Zeit das Lesen und Schreiben von Wörtern und kurzen Sätzen erlernt. Eine Kompetenz, die für den allgemeinen Arbeitsmarkt zwar nicht zwingend erforderlich, aber hilfreich ist.

Zuverlässig und motiviert

Im Dezember 2022 endete abbi für die ersten Absolventen, darunter auch für Sam. Drei Teilnehmende konnten unmittelbar in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wechseln. Bei Sam ließ sich das nicht sofort realisieren. Rolle: „abbi erhöht zwar die Chance für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht.“ Verhindert werden muss, dass die jungen Leute ihre bisher erworbenen Kompetenzen nicht verlieren. Deshalb organisierte das Inka-Team für Sam zunächst freiwillige Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Bereich Küche. So lernte Sam auch seinen jetzigen Arbeitgeber, die proLiLo Gastrowelt gGmbH, kennen und konnte dort überzeugen. „Sam arbeitet zuverlässig und motiviert, passt gut in unser Team“, so das positive Feedback seines Arbeitgebers. An seinem Arbeitsplatz in der Ausgabeküche einer Mittelstufenschule kümmert Sam sich nun gemeinsam mit seinen Kolleginnen um das leibliche Wohl von Schülerinnen und Schülern. Inzwischen ist er auch in der Lage, den täglichen Weg zwischen Wohnort und Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen.

„Mit Sam konnten wir alle vier Absolventen der abBi-Absolventen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermitteln. Das zeigt, dass eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit geistiger Behinderung kein unerfüllter Traum bleiben muss“, so Rolle. „Doch dazu braucht es eine langfristige und individuelle Unterstützung“. Deshalb steht InkA für Sam und seine Familie weiterhin als fester Ansprechpartner zur Verfügung.

Titelbild: „Ich will da arbeiten, wo andere auch arbeiten!“ Mit Hilfe von inklusiver Unterstützung hat Sam es geschafft. (Foto: Maresch)

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