Ehrengast der Buchmesse
von Ursula Wöll
Indonesien hat mit 250 Millionen gut dreimal so viele Einwohner wie Deutschland. Und doch wusste ich nur wenig über den fernöstlichen Inselstaat, der sich in einer Breite von 5000 Kilometern ausdehnt. Wie eurozentriert unser Denken und Wissen doch ist! Im Oktober ist Indonesien Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse. Dort stellt es nicht nur seine Literatur vor, sondern informiert auch über Land und Leute. Was aber kaum zur Sprache kommen wird, das ist die Abholzung der indonesischen Regenwälder für Palmölplantagen.
Rekordhalter im Abholzen
Indonesien ist mit 50 Prozent Marktanteil der größte Palmöl-Produzent der Welt. Entsprechend ist das Land Rekordhalter im Abholzen von tropischen Regenwäldern, noch vor Brasilien und dem Kongo. Jährlich wird eine Fläche gerodet, die der Hälfte der Niederlande entspricht, Tendenz steigend. Es ist absehbar, wann die letzten Orang-Utans und andere bedrohte Arten ausgestorben sein werden bzw. nur noch im Zoo vorkommen. Denn nur auf Borneo und Sumatra leben diese Menschenaffen, unsere Vorfahren. Sie sterben mit dem Wald.
„In Kalimantan (dem indonesischen Teil der Insel Borneo) sind wir in einen Hubschrauber gestiegen, um einen Eindruck von den riesigen Plantagen zu bekommen. Überall das gleiche Bild: Symmetrisch angeordnete Pflanzungen, unterbrochen nur von abgeholzten Flächen“, so Christina Schott, Autorin des gerade erschienenen Länderporträts ‚Indonesien‘. Der Konzern ‚Wilmar‘ aus Singapur besitzt quasi ein Monopol im Palmölsektor, so dass er die Rodungs-Genehmigungen großzügig auslegen und wenig zimperlich beim Vertreiben von Kleinbauern vorgehen kann..
Zertifizierung meist ein Bluff
Es wurde zwar ein Runder Tisch eingerichtet, der über das Siegel RSPO garantieren soll, dass Palmöl auf ’nachhaltige‘ Weise gewonnen wird. Doch die Nichtregierungsorganisation „Rettet den Regenwald“ und ihre Partnerorganisation in Indonesien „Save our Borneo“ weisen darauf hin, dass die Mehrheit des Runden Tisches aus Vertretern der Palmöl- und Holzindustrie besteht, dass sich die Multis also quasi selbst kontrollieren. Außerdem verlangen China und Indien, die Hauptabnehmer von Palmöl, keinerlei Zertifizierung. In Europa kauft der Unilever-Konzern große Mengen des günstigen Öls, das nicht nur in Rama, sondern auch in Pizzen, Tütensuppen, Kosmetik, Waschmitteln, praktisch in jedem zweiten Produkt aus dem Supermarkt enthalten ist. Wie problematisch die Beimischung zu Diesel und Benzin ist, wurde mittlerweile erkannt. Um bei uns den CO2-Ausstoß der Autos zu mindern, treibt man den Teufel mit Beelzebub aus, indem man die Umwelt in den Tropen zerstört.
Die Folgen fürs Weltklima
Es geht, aber nicht nur, um die Liebe zu Flora und Fauna. Die Wiener Weltreisende Ida Pfeiffer durchquerte 1851 als erste Frau mühsam den Dschungel der Insel Borneo und hielt fest: „Hier sprangen lustige Affen von Ast zu Ast, dort flogen buntgefiederte Vögel auf, hier waren es wieder Blumen, die auf den Stämmen der Bäume zu wurzeln schienen, dort setzten mich die Bäume selbst durch ihren Umfang, durch ihre Höhe und Fremdartigkeit in Erstaunen. Spuren der Tiger sahen wir täglich.“ Damals waren die Inseln eine holländische Kolonie. Die Artenvielfalt war immens, wenn auch ihre Reduzierung bereits mit dem Auftauchen des Weißen Mannes eingesetzt hatte. Erst vor 70 Jahren wurde das Land unter Sukarno unabhängig, man wird den runden Jahrestag am 17. August in Indonesien groß feiern.
Doch im unabhängigen Indonesien schreitet die Naturzerstörung beschleunigt fort. Der Neokolonialismus funktioniert über den Markt und richtet mehr Schaden an als der einstige Kolonialismus. Die laschen Gesetze werden missachtet, und via Schmiergeld oder schlicht nackter Gewalt gesellen sich zu den legalen die illegalen Rodungen. Sie setzen extrem viel Kohlenstoff frei, der als CO2 die Erdatmosphäre schädigt. Die Regenwälder konnten riesige Mengen an Kohlenstoff binden, die industrielle Monokultur Ölpalm-Plantage, chemisch vom ‚Unkraut‘ befreit, kann dies kaum und bleibt ohne Leben. Die schweren Bulldozer zerstören die Bodenbiotope. Durch anschließende Trockenlegung wird auch das in dem tausende Jahre alten, dicken Torfuntergrund gebundene CO2 in die Atmosphäre entlassen. Den übelsten Effekt haben Brandrodungen. Die Torfbrände flammen immer wieder auf, der Rauch vergiftet die Luft. Schlimmer jedoch: Das Weltklima ändert sich durch das Verschwinden der Regenwälder, und ergo sind auch wir betroffen.
Tragisch ist, dass die Welternährungsorganisation FAO einen Wald so definiert, dass die Kriterien auch von den Palmölpflanzungen erfüllt werden. Vom 7. bis zum 11. September findet im südafrikanischen Durban der Weltforstkongress statt. Gleichzeitig werden die internationalen Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Rettet den Regenwald, WWF, Robin Wood und viele andere zusammen mit indigenen Waldgemeinschaften einen Parallelkongress abhalten, ebenfalls in Durban. Schon jetzt werden Unterschriften gesammelt unter dem Motto: „Sag der UNO, Plantagen sind kein Wald!“ Hier kann man unterschreiben: regenwald.org
Der öffentliche Druck, auch auf Unilever, scheint mir die sinnvollste Handlungsoption (Petition an Unilever: regenwald.org/aktion). Zwar kann man auch versuchen, Produkte ohne Palmöl zu kaufen, doch ist das oft gar nicht so einfach und in meinen Augen eher eine Gewissensberuhigung.