Vorerst kaum Erstimpfungen in Büdingen
Von Klaus Nissen
Nur frust-tolerante Menschen mit viel Zeit sollten in den nächsten Tagen versuchen, über die Hotline 116117 einen zeitnahen Termin für die Erstimpfung gegen das Coronavirus im Impfzentrum zu ergattern. Die Chancen, dabei zu scheitern, sind hoch. Michael Schaich aus der Pressestelle des Hessischen Innenminsteriums erklärt das so: „Es werden in Büdingen und anderen Impfzentren in den ersten beiden Juniwochen – nach dem Stand der Impfstofflieferungen, die derzeit überschaut und geplant werden können – nur wenige neue Termine für eine Erstimpfung eingestellt werden.“Es mangelt bis Mitte Juni am nötigen Impfstoff
Die Erstimpfungen im Zentrum fallen also weitgehend aus. Wer schon einen Termin dafür hat, wird laut Michael Schaich aber bedient. Außerdem sei es sinnvoll und möglich, sich telefonisch oder per Intenret für eine spätere Impfung registrieren zu lassen. Ein schwacher Trost.
Die schlechte Nachricht hatte in dieser Woche bereits die Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch und dann das Wetterauer Gesundheitsamt verbreitet. Es ist weniger Moderna-Impfstoff als erwartet ans Impfzentrum in Büdingen geliefert worden, berichtete Amtsarzt Reinhold Merbs. Außerdem soll der Impfstoff von AstraZeneca in den Impfzentren nur noch für die Zweitimpfung verwendet werden – die Hausärzte dürfen ihn dagegen allen Erwachsenen verabreichen, die dazu bereit sind.
Ministerium hofft auf baldige Lieferungen
Das Impfzentrum im früheren Obi-Baumarkt am Büdinger Stadtrand wird also heftig ausgebremst. Bis jetzt setzte man dort an manchen Tagen bis zu 1600 Nadelstiche, so Amtsarzt Merbs. Laut Innenministerium verbrauchte man dort allein zwischen dem 1. und dem 11. Mai 11 984 Dosen BionTech, 4471 Dosen Moderna und 2838 Dosen AstraZeneca. Das ist Geschichte. Ministeriums-Sprecher Schaich tröstet vage: „Es ist gut möglich, dass Hessen noch weitere Impfstoffmengen erhält, die dann auch für Erstimpftermine eingesetzt werden können.“ Den Grund für die schrumpfende Zahl der Erstimpfungen im Zentrum liefert Schaich ebenfalls. Den begrenzten Impfstoff brauche man verstärkt, um den Menschen die zweite Spritze setzen zu können.
Wer Glück hat, bekommt seine Erstimpfung nun eher beim eigenen Hausarzt. Viele Ärzte in Wetterau und Vogelsberg lassen sich vom Pharma-Großhandel beliefern und bauen eigene Impfstraßen auf, um die Menschen zu immunisieren. Der logistische, personelle und zeitliche Aufwand sei groß, sagt der Mediziner Claus-Peter Vogt aus Ortenberg. Er selbst dürfe als Privatarzt niemanden gegen das Corona-Virus impfen. Doch er bekomme das im Kollegenkreis durchaus mit. Für das Impfen selbst erhalten die Ärzte laut Vogt jeweils 20 Euro Honorar, hinzu kommen zehn Euro für die Impfberatung.
Bei Hausärzten gibt es Wartelisten für Impfungen
Die Nachfrage scheint groß zu sein. Die große Praxis der „Hausärzte am Dohlberg“ hat nach eigenen Angaben schon mehrere hundert Impfanmeldungen auf der Warteliste. Die wolle man nun abarbeiten, heißt es auf der Homepage. Wer zur großen Prioritätsgruppe 3 gehört, also über 60 ist oder in bestimmten Berufen arbeitet, solle sich lieber zur Erstimpfung im Impfzentrum anmelden.
Im Wetterauer Gesundheitsamt weiß niemand, wie viele Wetterauer und Vogelsberger bei den Hausärzten schon immunisiert wurden. Die Logistik funktioniert hier über den Pharma-Großhandel und ist unabhängig vom Impfstoff-Nachschub für die Impfzentren. Laut Karl Roth von der Kassenärztlichen Vereinigung wurden bis einschließlich 14. Mai an die Wetterauer Hausärzte 34 546 Impfdosen geliefert. Die Arztpraxen im Vogelsberg erhielten 9 430 Portionen Impfstoff. Hessenweit waren es vom 12. auf den 13. Mai genau 4258 Dosen, meldete das Robert Koch-Institut in seiner täglichen Statistik. In den hessischen Arztpraxen kamen bisher 621 200 Impfdosen an, davon 497 000 von der Marke BionTech, nur 144 Portionen Moderna-Impfstoff und 124 000 Astra-Portionen.
Ärztevereinigung wirbt für schnellere Astra-Zweitimpfung
Letztere werden die Hausärzte fortan auch jungen Erwachsenen spritzen, wenn sie dazu bereit sind. Die Kassenärztliche Vereinigung macht geradezu Reklame dafür. Auf ihrer Homepage schreiben die Vorstände Frank Dastych und Eckhard Starke: „Nun, nachdem es für den Impfstoff von AstraZeneca in Deutschland keine Priorisierung mehr gibt, wollen wir so viele Hessen wie möglich geimpft in den Urlaub schicken. Nach dem Motto ,Wer will, der kann!` können ab der Woche nach Pfingsten die hessischen Bürger schnell und unkompliziert eine Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff in den Praxen bekommen. Dafür ist nicht mehr als ein Anruf bei der teilnehmenden Haus- oder Facharztpraxis und eine Terminvereinbarung nötig. Und den komfortablen digitalen Impfpass, der das Reisen und den Nachweis der erfolgten Impfung extrem erleichtert, gibt es als Teil des Impfpakets zwei Wochen nach der Zweitimpfung dazu. Dadurch, dass Arztpraxen den Impfstoff von AstraZeneca nun ohne Höchstgrenze bestellen können, sollten für teilnehmende Ärzte auch mehr Impfungen möglich sein.“
Hinzu kommt, dass Bundesgesundheitsminister Spahn die bisher erst nach zwölf Wochen erlaubte Zweitimpfung mit AstraZeneca jetzt schon nach vier Wochen zulässt. Zwei Wochen danach gilt man nun formal als immunisiert und wird bei Restaurantbesuchen und Veranstaltungen von der Testpflicht befreit. Erkauft wird diese Schnelligkeit nach gegenwärtigem Sachstand mit einer geringeren Wirksamkeit gegen Coronviren. Trotzdem lassen sich viele Hessen fortan in verkürzter Frist mit AstraZeneca immunisieren, glaubt Karl Roth. Das hätten Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen gezeigt, berichtet der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Frankfurt.