Hilfe für die Ukraine

Immer weniger Spenden für die Ukraine

Von Klaus Nissen

Seit Februar 2022 wird in der Ukraine geschossen und gebombt. Millionen Frauen und Kinder sind vor dem Krieg geflohen – etwa tausend haben es in den Wetteraukreis geschafft. Hilfen für die mehr als 20 Millionen Menschen, die im Kriegsgebiet bleiben, organisieren drei Vereine aus der östlichen Wetterau. Doch seit dem Herbst 2022 ist die Spendenbereitschaft wegen der Inflation stark zurückgegangen.

Inflation zehrt an Hilfsbereitschaft die Ukraine

Im Sommer 2022 konnte Tobias Greilich noch stolz von einer hohen Spendensumme für die Opfer des Ukrainekrieges berichten. „500 000 Euro gegen Kriegsleid“ hieß die Titelzeile des Artikels am 20. August im Kreis-Anzeiger. Schulgemeinden in ganz Hessen veranstalteten Spendenläufe und sandten die Erlöse an die „Aktion Hessen hilft“ (AHH). Der gemeinnützige Verein wurde schon in den frühen Neunzigerjahren von Schülern und Studenten um den Ortenberger Tobias Greilich und seiner Frau Erika gegründet. Damals half man den Opfern des Bosnienkrieges.

Tobias Greilich belädt im November 2022 einen Lastwagen mit Hilfsgütern für die Ukraine. Der 46-jährige Ortenberger hilft vielen Menschen in Not, beispielsweise auch den Flutopfern im Ahrtal. Sein Geld verdient er mit der Produktion von Büchern, als Marketingberater und Internetexperte. Foto: Privat.

Aktuell sammelt „Hessen hilft“ Material und Geld für die Ukraine und die Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal. Seit Jahresbeginn bis Anfang November schickte man im zweiwöchigen Rhythmus 16 Lastwagen in die Ukraine, zwölf weitere nach Rheinland-Pfalz. „Aber jetzt wird der Turnus länger“, berichtet der 46jährige Tobias Greilich. Im Dezember sollte noch eine Lieferung nach Odessa gehen, im Januar schicken die Ortenberger Hilfsgüter in ein rumänisches Flüchtlingslager nahe der Grenze zur Ukraine.

Das Warenlager in Büdingen wird aufgelöst

Für weitere Fuhren sind nicht genug Hilfsgüter in Aussicht, berichtet Greilich. Der im Hauptberuf als Verleger und Marketing-Fachmann aktive Helfer muss ohnehin das Warenlager von „Hessen hilft“ im früheren Büdinger Obi-Markt räumen. Greilich und seine Freunde konnten es mietfrei nutzen. Er sagt: „Ich weiß nicht, ob wir ein neues Lager finden. Es wird gerade ruhiger.“ Dabei bräuchten die Menschen gerade in diesem Winter mehr Material denn je – vor allem warme Kleidung, Lebensmittel, Generatoren, medizinische Ausrüstung, Schlafsäcke und Großraumzelte.

Doch der Nachschub stockt. „Die Spendenbereitschaft ist komplett eingebrochen“, sagt Tobias Greilich. Seitdem die Energiepreise explodierten und die Inflation auf zehn Prozent stieg, „wissen die Leute in Deutschland selber nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen“.

Arme geben mehr als Reiche

Gerade Menschen mit eher geringem Einkommen sind normalerweise die großzügigsten Geber, weiß der erfahrende Spendensammler Greilich. Das sei auch kein Wunder: „Wer die Not kennt, ist eher bereit, anderen aus der Not zu helfen“. Doch ausgerechnet diese Menschen treffe die aktuelle Energie- und Wirtschaftskrise besonders stark. Besser gestellte Menschen könnten den Spendenausfall durch mehr Gaben kompensieren. Das wäre schön, findet Greilich. „Wenn jeder etwas tut, hätten wir viele Probleme nicht.“ Aber das ist nicht realistisch.

Auch die vielen Kontakte zu Firmen und die jüngst errungene Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten Boris Rhein helfen der AHH nicht, aus der Spenden-Flaute herauszukommen. Der kleine Verein hat es laut Greilich auch besonders schwer, an beständige Geber heranzukommen. Die Ortenberger arbeiten meist anlass- und projektbezogen. Sie organisieren Hilfsaktionen von Schulen, pflegen aber keinen Stamm von Stammspendern.

Nehemia Wallernhausen hat eine breite Spenderbasis

Da hätten es die Aktiven vom befreundeten Hilfsverein „Nehemia“ in Wallernhausen leichter. Die sammelten das Geld von Familien mit gefestigter christlicher Weltanschauung ein. Die 1980 gegründete Organisation benennt sich nach Nehemia, der einst im Auftrag Babylons das zerstörte Jerusalem wieder aufbaute. „Die Spendenbereitschaft ist natürlich auch bei uns zurückgegangen“, sagt Simon Boschmann. Aber von der Wallernhausener Zentrale aus stehe man ständig im Kontakt zu gut 850 christlichen Gemeinden im deutschsprachigen Raum.

Der Verein hat laut Boschmann etwa 20 hauptamtliche Beschäftigte, die den Spendenstrom gemeinsam mit der1970 gegründeten „Aktion für verfolgte Christen und Notleidende“ (AVC) an Bedürftige in gut 60 Ländern organisieren.

Lebensmittel werden in der Ukraine gekauft

In die Ukraine gingen seit Kriegsausbruch rund 500 Tonnen an Hilfsgütern, berichtet Simon Boschmann. In der Woche vor Weihnachten startete ein 40-Tonner zu einem Zwischenlager im ukrainischen Grenzgebiet zu Polen. Den Transport erledigen befreundete Spediteure. Mit Sprintern bringt man diese Hilfsgüter dann direkt zu Verteilstellen bei christlichen Gemeinden in die Ukraine. Der aktuelle Transport geht ins jüngst zurückeroberte Cherson.

Auch Nichtchristen bekommen die Ware, versichert Simon Boschmann. Nehemia schicke auch den Erlös von Geldspenden in die Ukraine. „Bei der letzten Überweisung waren es 36 000 Euro. Davon kann man in der Westukraine zehn Tonnen Reis, 20 Tonnen Nudeln, zwölf Tonnen Sonnenblumenöl und weitere Lebensmittel kaufen. Das wird da alles gebraucht.“

„Nidda hilft“ kümmert sich um Geflohene

Im ersten Halbjahr transportierten die von AVC und Nehemia organisierten Lastwagen auch zwei Fuhren mit Sachspenden des jungen Vereins „Nidda hilft“ in die Ukraine. Der Anfang März gegründete Verein bald 50 Mitglieder. Sie sammelten rund 35 000 Euro an Geldspenden ein, berichtet der Vorsitzende Daniel Kaczarepa. Vor Supermärkten baten die Aktiven um Lebensmittel und Hygieneartikel für die Opfer des Krieges. „Dann hatten wir aber Fälle, wo sich die Helfer von Kunden beschimpfen lassen mussten.“ Die Preise stiegen, und die Hilfsbereitschaft für Fremde ließ spürbar nach.

Inzwischen kümmern sich Vereinsmitglieder um etwa 25 Geflohene aus der Ukraine. Man hilft ihnen in der Region Nidda bei der Wohnungssuche, beim Ausfüllen von Anträgen und anderen Alltagsproblemen. Beinahe hätte der Verein vier Wohnungen angemietet und mit Geflohenen belegt, berichtet Kaczarepa. Davon nahm man wegen des Kostenrisikos aber Abstand.

Einmal kam eine Unterstützungs-Anforderung per Instagram direkt aus der Ukraine, berichtet Kaczarepa, der im Brotberuf ein Steuerbüro leitet. Eine Mutter beklagte, die Familie habe nichts zu essen. „Da schickten wir ihr zweimal ein Care-Paket mit der Post.“ Das Fazit des Vereinsvorsitzenden: „Ein bisschen bewegen können wir schon“.

Hilfsvereine für die Ukraine

Auf der Webseite aktionhessenhilft.de informiert der 1991 von Tobias Greilich und seinen Freunden gegründete Verein über seine Aktivitäten für die Ukraine. Die Ortenberger nennen das Spendenkonto mit der IBAN DE81 5185 0079 0121 0076 65. Wer etwas gibt, soll sich auch an die Mailadresse contact@ahh-mail.de wenden.

Das christliche Hilfswerk Nehemia aus Wallernhausen informiert über seine Arbeit auf nehemia.org. Wer Geld spenden will, adressiert die Kontonummer DE17 5066 1639 0007 0013 20.

Der gemeinnützige Verein „Nidda hilft“ hat eine gut nutzbare Webseite unter niddahilft.de veröffentlicht. Dort gibt es – allerdings nur in deutscher Sprache – praktische Informationen für Geflohene aus der Ukraine, die in der Wetterau gelandet sind. Und eine Börse für Haushaltsgegendstände, damit sich die Neuankömmlinge hier einrichten können. Wer Geld geben will, soll das Konto DE85 5186 1616 0000 7210 00 in der Überweisung angeben.

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