Für das Menschenrecht auf Leben
Am 10. Oktober war der Internationale Tag gegen die Todesstrafe. Gut, dass es diesen Tag gibt, weil er uns ein wenig vor dem Verdrängen schützt. Auch wenn mein Freund A. immer noch in der Todeszelle in Texas sitzt. Besonders traurig finde ich es, dass nicht nur autoritäre Regimes diese mittelalterliche Strafe anwenden, sondern auch eine Reihe amerikanischer Bundesstaaten. Denn stand nicht die Wiege der Menschenrechte in den USA?
Todesstrafe ist auch Mord
Ein paar Tage später nach meinem Geburtstag kamen A.’s Glückwünsche in diesem Jahr. Auf einer Briefkarte und handschriftlich, obwohl seine Briefe üblicherweise maschinengetippt sind und nicht unter zwei Seiten lang. Briefe, wie ich sie nicht zustandebringe, was reflektierte Gedanken und Formulierung betrifft. Schreibe ich doch nur noch mails und erhalte auch nur noch solche. Ja, die gute, alte Briefkultur des 19. Jahrhunderts ist leider perdu. In einer texanischen Todeszelle lebt sie weiter. In ihr wohnt A. nun schon viele Jahre lang. Seit einigen Jahren schreiben wir uns, und A. wurde ein guter Freund.
Die Hinrichtung vor Augen
Es ist mir unbegreiflich, wie jemand das aushalten kann, so lange so beengt und so fremdbestimmt zu leben, mit einer eventuellen Hinrichtung vor Augen. In einer überhitzten Zelle, mit ödem Essen, das oft aus Hamburgern zu bestehen scheint. A. hängt nur selten durch, hat depressive Wochen, die er mir verschweigt. Ich erkenne es daran, dass seine Briefe dann etwas auf sich warten lassen. Und dass manche seiner Sätze den Zusatz haben: „Sad smile“. A. wurde als junger Mensch verurteilt. Er hat die Zeit in der Zelle genutzt, um seine Persönlichkeit zu entwickeln. Wenn sie ihn rausließen, welche Bereicherung würde dieser Mensch für die Gesellschaft sein, so denke ich oft. Nein, ich bin nicht naiv, in so vielen Briefen über so lange Zeit hinweg kann man nicht schwindeln. Auch wenn A., der verwandtschaftlichen Kontakt nur zu einer Schwester hat, als Afroamerikaner arm ist und sich auch über Spenden seiner BriefpartnerInnen freut.
Denn die Anwaltskosten sind schwindelerregend, und Einsprüche etc. laufen über Anwälte. Wenn man Glück hat, über engagierte. Um Spenden zu sammeln, hat K. den Fall A. vor Jahren in deutschen Medien vorgestellt. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich über diese Schiene zu einem Freund in Übersee gekommen bin, den ich nur von zwei Fotos her kenne. Auf einem älteren war A. noch rank und schlank, auf dem jüngeren weit rundlicher, ein Tribut an die Haft. Mr. President, besuchen Sie A. in Texas und sehen Sie, dass da Menschen um ihr Recht auf Leben fürchten! Setzen Sie sich für das Verbot der Todesstrafe ein, in ihrer letzten Amtszeit sollten Sie für Ihr positives Andenken in den Geschichtsbüchern sorgen.
Amnesty International
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist die anerkannteste Stimme für die bedingungslose Abschaffung der Todesstrafe weltweit. 2014 wurden noch immer in 55 Ländern Todesurteile verhängt. In Europa ist Belarus das einzige Land, das die Todesstrafe nicht ächtet. Da ist es nur ein schwacher Lichtblick, dass 117 Länder in der UN für ein Todesstrafenmoratorium stimmten.