„Wir alle sind das deutsche Volk“
Ein Multikulti-Miteinander wird weiter unser Leben prägen, sagte die Wetterauer Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch (Foto) Ende September 2018 bei einem Fest in der Friedberger Erstaufnahme-Einrichtung des Wetteraukreises. „Unser Grundgesetz macht es möglich, dass wir Menschen nach der Flucht aus ihrer angestammten Heimat aufnehmen. (…) Unser Grundgesetz macht es aber auch möglich, dass jeder Mensch, egal ob Mann oder Frau, ob aus Deutschland oder Eritrea, hier arbeiten und sich ein Leben aufbauen kann“, so Becker-Bösch. „Wichtiger denn je sollten wir uns alle mal überlegen, wo sich heute die deutsche Gesellschaft wiederfinden würde, hätten wir nicht in den letzten Jahrhunderten Zuwanderungen unterschiedlichster Art erlebt. Deutschland macht genau dieses vielfältige Bild an unterschiedlichen Menschen aus. Wir alle sind das deutsche Volk, egal ob wir Thomas oder Victor, Stephanie oder Aishe heißen.“
Flüchtlinge in der Wetterau
Anlass dieser Aussagen war das erste Sommerfest der Wetterauer Erstaufnahmeeinrichtung in Friedberg im Rahmen der Interkulturellen Wochen. Ehrenamtliche, Politiker, Verwaltungsleute, Nachbarn und Gäste kamen dabei zusammen. Die Einrichtung ist ein ehemaliges Kasernengebäude im Süden Friedbergs. Sie kann bis zu 110 Menschen beherbergen, zurzeit sind 40 Personen dort für drei Wochen untergebracht. Nach Erledigung von Formalitäten ziehen die Menschen dann in die Kommunen des Wetteraukreises um.
Landrat Jan Weckler sagte: „Unser Gebäude hier ist viel mehr als nur eine Erstaufnahmeeinrichtung. Hier hat die Volkshochschule des Wetteraukreises ihre Räume zur Durchführung der Integrationskurse. An diesen nehmen meist ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner teil, die ihre Integration-Erfahrungen dann direkt an die aktuell hier Wohnenden weitergeben können. Davon profitieren beide Seiten.“
Allen Menschen gefällt es gut, sie fühlen sich wohl und haben ihre Träume, schreibt der Pressedienst des Wetteraukreises. Tsehaye K. kommt aus Eritrea, ist 38 Jahre alt und hat 17 Jahre als Soldat gedient. Er ist seit wenigen Tagen in Friedberg: „Ich musste fliehen, denn ich wollte nicht mehr kämpfen. Ich war lange unterwegs, und jetzt möchte ich mir ein neues Leben aufbauen. Ich möchte Automechaniker werden, mit Autos kenne ich mich von zu Hause aus gut aus.“ Auch ein anderer Gast hat seine Zukunft im Blick: „Ich bin schon seit zwei Jahren hier, zusammen mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Die Kinder gehen in die Schule und ich bin sehr eifrig dabei, mein Deutsch zu verbessern. In Pakistan habe ich als Fotograf gearbeitet, das möchte ich auch hier in Deutschland“, so Amir M.
Ausbildung und Arbeit sind wichtig
Die Themen Ausbildung und Arbeitsplätze wurden beim Treffen immer wieder angesprochen. Mali P., seit 20 Jahren in Deutschland, engagiert sich für ihre eritreischen Landsleute: „Ohne Ausbildung und ohne Arbeit bist du nichts, weder bei uns zu Hause, und schon gar nicht hier in Deutschland.“ Johannes Hartmann vom Internationalen Zentrum ergänzte: „Würde jetzt, hier und heute ein Arbeitgeber auftauchen und zwei Ausbildungsplätze anbieten, dann würden mindesten zehn junge Menschen vor ihm stehen und sagen: Nimm mich!“
Die Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch warnte davor, die humanitäre Hilfe und das Recht auf Asyl für Verfolgte abzuschaffen: „Unser Grundgesetz auszuhebeln, wie einige Strömungen in Deutschland, aber auch hier in der Wetterau, immer mehr fordern, bedeutet, unser aller Rechte auszuhebeln. Dies kennen wir aus unserer Vergangenheit und wollen dies nicht für unsere Zukunft noch mal erleben müssen.“ Bei der Landtagswahl im Oktober seien alle vor die Frage gestellt, ob sie sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen wollen.