Impulse aus Mexiko
Wie könnte sich das Ehrenmal in Bad Nauheim entwickeln? Mit der Frage nach der Neugestaltung, welche das Stadtparlament beschlossen hat, setzen sich nicht nur die politischen Gremien auseinander. Auch Studierende der Architektur aus Mexiko haben das jetzt getan. Eine Idee ist es, eine Begegnungsstätte für mehrere Generationen zu schaffen.
Ehrenmal Bad Nauheim: Brücken bauen
„Ich finde es schön, zu versuchen, Brücken zu bauen“, erklärt Prof. Dr. Christof Göbel aus Mexiko-Stadt. Schon mehrfach stellte der 54-Jährige Projekte mit seinen Studenten in Europa auf die Beine, auch in Bad Nauheim. Göbel lehrt an einer großen öffentlichen Universität in dem nordamerikanischen Land.
Ehrenmal Bad Nauheim: Vorhaben mit Studierenden
Seit 2004 ist er schon dort, immer wieder hält er sich aber auch in seiner Geburtsstadt auf. „Ich bin in Bad Nauheim aufgewachsen und fühle mich dieser Stadt zugehörig“, sagt er. Im vergangenen Trimester dachte er über ein Vorhaben mit seinen Studierenden nach, das sich erneut mit Bad Nauheim befassen könnte. Bei einem Besuch im Rathaus kam Göbel im Gespräch mit Volker Buchholz von der Immobilienverwaltung auf zwei Themen.
Dem Thema die Schwere nehmen
Eines war das Ehrenmal am Fuß des Johannisbergs. „Das erschien mir interessant und habe es den Studierenden gerne angeboten.“ Die Diskussion über die Zukunft der Erinnerungsstätte hatte er mitverfolgt, auch dass es eine polarisierende Debatte war. Wie er daher dachte, könnte ein Blick von außen gut sein. „Es wäre eine Möglichkeit, dem Thema ein wenig die Schwere zu nehmen: Was kann man damit machen? Wie kann man es in die heutige Zeit übertragen?“ In Mexiko besteht seinen Worten zufolge eine andere Einstellung zum Tod als in der Bundesrepublik. Anfang November begehen die Menschen dort den „Tag der Toten“, an dem sie bei den Gräbern ihrer Angehörigen zusammen sind.
Künstlerische Freiheit gelassen
Der Professor ließ den jungen Leuten bewusst die künstlerische Freiheit, das Ehrenmal gegebenenfalls auch in Gedanken abzureißen und etwas anderes zu planen. Wissend um den Denkmalschutz, aber für ein ungezwungenes Brainstorming, um sich gedanklich für Lösungen freizumachen. Zunächst recherchierte die Gruppe zu den Hintergründen, zu Kriegerdenkmälern in Deutschland und über den Umgang damit. Anschließend bauten die Studenten ein gemeinsames Basismodell des Originals und setzten sich mit Stadt und Topographie auseinander. „Das Ehrenmal ist sehr groß, hat eine riesige Terrasse und viele Tafeln mit einem historischen Wert“, sagt er. Menschen hat er dort oben bisher kaum gesehen.
Versöhnliche Elemente
Exemplarisch zeigt Göbel zwei der Arbeiten. José Francisco Figueroa Ramón würde das Gebäude abreißen. Das Kreuz an der Wand im Säulengang griff er als Grundform für eine Skulptur auf. „Die Namen der gefallenen Soldaten sind eingemeißelt. Verschlingende, sich umarmende Elemente haben etwas Versöhnliches. Das finde ich eine wunderschöne Geste. Es würde sich gut in eine Grünfläche mit Bäumen einfügen. Das Wasser als Element ist auch sehr ansprechend“, erläutert Göbel.
Begegnungsräume schaffen
Das zweite Beispiel stammt von Víctor Hugo Galván Peréz. Er will aus den beiden Räumen links und rechts des Ehrenmals Räume der Gegenwart und der Zukunft konzipieren. „Es könnte ein Ort der Begegnung sein, wo Ältere zum Beispiel Karten spielen und Kinder Bücher finden können.“ Der Säulengang wäre Raum der Vergangenheit. Solch ein Ort könnte nach Ansicht von Göbel stärker frequentiert und genutzt sein als ein reiner Ausstellungsbereich.
Ein Stadtmuseum auf der Bleiche
Ein anderes Thema war ein Museum zur Stadtgeschichte auf der Bleiche. „Das wäre ein tolles Grundstück für ein Museum, weil es innenstadtnah und an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist.“
Als Beispiel nennt er den Entwurf von Ricardo Alejandro Mendoza Méndez, der die Grünfläche erhalten und das Museum unter die bestehende Parkplatzfläche verlegen würde. Göbel ist mit den Arbeiten nicht nur im Hinblick auf die Entwürfe zufrieden: „Ein solches Studienprojekt ist eine gute Möglichkeit, virtuell andere Länder kennenzulernen.“
Ein weiterer Entwurf für ein Stadtmuseum auf der Bleiche kommt von José Ángel Mejía Diaz ( Foto links)
Info
Würdevolle Gedenkstätte für Opfer
Folgenden Beschluss hatte das Stadtparlament in Bad Nauheim März gefasst: „Das Ehrenmal sowie der direkt angrenzende Bereich im städtischen Eigentum soll im Zuge der Planung der baulichen Sanierung neu konzipiert werden.“ Der Ortsbeirat soll dabei einbezogen werden. Ziel der Neukonzeption solle eine Neugestaltung zur Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Vertreibung sein; dabei solle eine würdevolle Erinnerung an gefallene Soldaten beibehalten bleiben.
Weiter heißt es: „Eine Benennung und kritische Betrachtung von Krieg darf dabei nicht vernachlässigt werden. An Bad Nauheimer Bürgerinnen und Bürger, die in diesem Zusammenhang besonderen Widerstand leisteten, soll angemessen erinnert werden.“ Darüber hinaus sind laut dem Beschluss Informationstafeln zu Gräueln des Krieges und der Vertreibung aufzustellen, unter Angabe von QR-Codes zu thematisch verbundenen Inhalten. „Der Magistrat wird mit der Umsetzung beauftragt; entsprechende Mittel sind zu veranschlagen. Die Vorschläge des Ortsbeirates und der AG Geschichte sollen berücksichtigt werden.“
Das Ehrenmal solle für Besuchergruppen der Stadt sowie Schulklassen jederzeit zugänglich sein. Eine Nutzung des Ehrenmals für Feiern, Veranstaltungen und Demonstrationen ist hingegen zu unterbinden, gegebenenfalls unter Erstellung einer Satzung – falls erforderlich. Das Parlament forderte den Magistrat mit seinem Beschluss auf, die angedachte Regelung hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit zu prüfen. ihm