Dürre

Ein paar Liter kehren zurück

Von Klaus Nissen

Schon wieder hat eine Dürre begonnen. Wir müssen endlich und dauerhaft weniger Trinkwasser verbrauchen, fordert ein Bündnis aus etwa 20 Umweltverbänden, Vereinen und Kommunen. Bei einem Wasserlauf soll am Samstag, 16. Juli 2022 ein Teil des Wassers symbolisch zurück auf den Vogelsberg gebracht werden.

Wasserlauf gegen die Dürre

Die Taunus-Kommunen Königstein, Kronberg und Grävenwiesbach haben längst den Wassernotstand ausgerufen, sagt der Hydrologe Hans Otto Wack aus Schotten. Doch in anderen Städten und Gemeinden tue man noch so, als sei das Lebensmittel Nummer eins unbegrenzt verfügbar. Vor allem in Frankfurt. „Abends springen die Gardena-Automaten an und bewässern das Rhein-Main-Gebiet.“ Die privaten Pools sind voll. Der Pro-Kopf-Verbrauch steige von 120 auf gut 250 Liter pro Tag, beklagte Wack am 8. Juli 2022 bei einer Veranstaltung der Naturfreunde Bad Vilbel.

Von Frankfurt bis zur Niddaquelle im Hohen Vogelsberg wollen Aktivisten am 16. Juli 2022 das Trinkwasser zurückbringen. Grafik: www.wasserlauf-2022.de

Damit sich das ändert, mobilisiert das Bündnis seit Monaten für den Wasserlauf. Das Motto:„Wir tragen das Wasser von Frankfurt zurück in den Vogelsberg.“ Möglichst viele Läufer, Radfahrer und Skater sind aufgerufen, am 16. Juli 2022 ab 9 Uhr aus den Frankfurter Stadtteilen zum Alten Flugplatz von Kalbach/Bonames aufzubrechen. Da können sie Nidda-Wasser in Flaschen und Kanister füllen. Es soll dann entlang der Nidda bis zur Quelle hoch oben im Vogelsberg bei Rudingshain gebracht werden.

Auch Landwirte machen mit

Die erste Zwischenstation liegt an der Wettermündung in Assenheim. Die Umweltwerkstadt des Nabu reicht den Teilnehmern dort ab 11 Uhr Getränke. Mit dem „Bibermobil“ will man über Fließgewässer, über Auen und die hier vermehrt siedelnden Biber informieren, so Organisator Frank Uwe Pfuhl. „Die Station Assenheim hat sich unter anderem der Regionalbauernverband als Startpunkt ausgesucht. Wenn die ordentlich mobilisieren – trotz anstehender Weizenernte – dann könnte ein bisschen was los sein.“

Wie viel Trinkwasser im Jahr 2021 aus diversen Quellen gefördert wurde, zeigt diese Statistik der Oberhessischen Versorgungsbetriebe (OVAG).

In Nidda wird es ab 12 Uhr am Bürgerhaus und im Johanniterpark Getränke, Obst und Energieriegel für die Wasserlauf-Teilnehmer geben. Ab 13Uhr ist die Zwischenstation am Nidda-Stausee in Betrieb. Dort gibt es Informationen von den Schutzgemeinschaften Vogelsberg und Deutscher Wald. Gegen 15.30 Uhr erläutert die Schottener Bürgermeisterin Susanne Schaab am Stausee, warum der Ballungsraum künftig weniger Wasser aus dem Vogelsberg abziehen müsse.

Dann starten die Wasserstaffeln zum Endspurt in Richtung Niddaquelle. Er wird vom TGV Schotten organisiert. Nach 490 Höhenmetern und 14 Kilometern wird gegen 17 Uhr das aus Frankfurt mitgebrachte Wasser in die Nidda-Quelle geleitet. Weitere Details zur Aktion stehen auf der Webseite www.wasserlauf-2022.de

Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern

Welchen Sinn hat das Ganze? Alle Menschen der Region und speziell die Frankfurter müssen ihre Wasserkonsum-Gewohnheiten ändern, fordern die Vertreter von Nabu, BUND, Bund und vielen anderen Organisationen. Der Nachschub reiche nicht mehr aus. Sie zitieren eine amtliche Statistik, laut der zwischen 1971 und 2000 die Grundwasser-Neubildung in Hessen um 27 Prozent zurückgegangen sei.

Joachim Arnold (SPD) war Landrat des Wetteraukreises und ist jetzt Vorstandschef des Wasserversorgers OVAG. foto: Nissen

Joachim Arnold, Chef des kommunalen Wasserversorgers OVAG, ergänzt diese alarmierende Feststellung: Wir befänden uns schon seit 2003 in der längsten Trockenperiode der Neuzeit, mahnte er am 8. Juli 2022 bei einer Veranstaltung der Bad Vilbeler Naturfreunde.

2021 habe die OVAG weniger Trinkwasser als in den Vorjahren an die Privathaushalte und Betriebe zwischen Frankfurt und Alsfeld liefern können. Die jährliche Fördermenge sank laut Arnold in den sieben Wetterauer und mittelhessischen Fördergebieten und im einzigen Vogelsberger Brunnen Rainrod auf 29,2 Millionen Kubikmeter. Zusätzlich bezog die OVAG 3,9 Millionen Kubikmeter vom Zweckverband Mittelhessischer Wasserwerke (ZMW), um den Frankfurter Ballungsraum versorgen zu können.

Frankfurter sollen selber mehr Wasser fördern

Damit fließt immer noch viel zu viel Wasser aus dem Vogelsberg, der Wetterau und dem nordhessischen Burgwald ab, finden die Organisatoren des Wasserlaufs. Schuld sei der große Durst der Menschen und Betriebe im Frankfurter Ballungsraum. Während der Vogelsberg Frankfurt zu etwa 35 Prozent mit Wasser versorge, habe das Gewinnungsgebiet inzwischen bis zu 70 Prozent seiner Quellen verloren. Und weil das Frankfurter Rohrnetz löchriger sei als in anderen Regionen gingen dort jährlich etwa sechs Prozent des transportierten Wassers verloren – mit 3,14 Millionen Kubikmetern seien das etwa 20 Prozent der Wassermenge, die die Frankfurter von der OVAG beziehen.

Cécile Hahn von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg beklagt das Trockenfallen vieler Bäche. Das Wasser landet in Frankfurt, meint sie. Foto: Nissen

Obwohl sie auf einem riesigen Grundwasserspeicher liegt, fördert die Stadt Frankfurt nur ein Fünftel ihres Wassers selbst, beklagt Rüdiger Hansen vom BUND Frankfkurt in einer 24seitigen Stellungnahme zum Wasserkonzept der Stadt. Dabei könne die Stadt ihre Eigenförderung mit diversen Maßnahmen umweltverträglich auf 47 Prozent ihres Bedarfs steigern.

Nicht hinnehmbar findet Hansen, dass in Frankfurt noch immer fast ein Drittel des wertvollen Trinkwassers durch Toilettenspülungen fließt. Es müsste zumindest in Neubauten durch Brauch-, Regen- oder Brunnenwasser aus einem zweiten Leitungssystem fließen. Die Frankfurter müssten laut Hansen die Kapazitäten ihrer eigenen Wasserwerke im Stadtwald, Praunheim und Hattersheim ausbauen. Wo immer im Ballungsraum neu gebaut wird, müsse die Installation von Regenzisternen und Versickerungsflächen obligatorisch werden.

OVAG-Chef fordert verschärftes Wassersparen

„Jeder einzelne muss seinen Wasserverbrauch ändern“, fordert auch der Vorstandschef des Strom- und Wasserversorgers OVAG, Joachim Arnold. 2019 führte er für seine Kunden – die Städte und Gemeinden der Landkreise Gießen, Vogelsberg und Wetterau – eine Wasserampel. Sie steht derzeit auf Gelb. Damit empfiehlt die Ovag den Endverbrauchern, das Autowaschen, das Beregnen von Rasenflächen und das Befüllen von Pools zu unterlassen. „Pools sind Egoismus pur. Meines Erachtens sollte man das nicht mehr unterstützen“, sagte der frühere Wetterauer Landrat und SPD-Politiker Arnold während der Bad Vilbeler Diskussion mit Vertretern der Schutzgemeinschaft Vogelsberg. Man müsse alles tun, um das Abfließen von Regenwasser in die Kanalisation und die Flüsse zu verzögern.

Bei Trais-Horloff und Inheiden steht das Grundwasser natürlicherweise so hoch, dass Sümpfe die Horloff begleiten. Doch aktuell sinken die Wasserstände. Foto: Nissen

Damit wirklich gespart wird, appellierte Arnold an die Parlamente der Kommunen, auf Vorrat eine Wasserspar-Verordnung zu beschließen, die in Trockenzeiten wie dem Sommer 2022 sofort in Kraft treten könnte. Dann würde das Befüllen privater Pools mit ohnen Ordnungsgeldern bestraft.

Der Pegel darf nicht unter 145 Metern über Normalnull sinken

Die OVAG selbst drosselt laut Arnold die Wasserpumpen, sobald sich der Grundwasserpegel dem Minimalwert von 145 Metern über dem Meeresspiegel nähert. An vielen Messstellen werde er intensiv beobachtet. In wenigen Jahrzehnten könnten die Regenfälle nicht mehr für den Nachschub aus den Wasserhähnen reichen, befürchtet der OVAG-Vorsitzende. Wenn es weiter so wenig regnet, drohe der Grundwasserpegel bis 2050 um bis zu 4,8 Zentimeter pro Jahr zu sinken. Zum Ende des Jahrhunderts seien jährliche Senkungs-Raten von 7,6 Zentimetern möglich. Um das zu vermeiden, startete die OVAG ein vom Land Hessen finanziell unterstütztes Wasser-Monitoring, an dem sich laut Arnold bislang 19 Kommunen beteiligen.

Joachim Arnold unterstützte auch die Forderung von Naturschutzverbänden, hessenweit mit einer neuen Abgabe auf Grundwasser-Entnahmen („Wassercent“) den Bau von Rückhaltebecken und Systemen zur Brauchwassernutzung zu finanzieren. Umweltministeristerin Priska Hinz (Grüne/Bündnis 90) lässt den Sinn einer solchen Abgabe momentan prüfen. Aktuell ist Hessen eines von nur drei Bundesländern ohne Grundwasserabgabe.

Die Frankfurter wollen garnicht ernsthaft Trinkwasser sparen, meint Hans Otto Wack von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg. Foto: Nissen

In Bad Vilbel zeigten sich die Naturfreunde und die Vertreterder Schutzgemeinschaft erfreut über die Einigkeit mit dem Chef des Wasserversorgers. Verschiedener Meinung war man in der Frage, ob der starke Durst der Frankfurter für das Trockenfallen der Quellen und Bäche im Hohen Vogelsberg verantwortlich ist. Arnold betonte, die Wasserleitungen würden nicht aus den „schwebenden Grundwasseretagen“ in den höheren Vogelsberg-Lagen gespeist. Cécile Hahn und Hans-Otto Wack von der Schutzgemeinschaft sehen das anders. Und sie nannten die Frankfurter mitschuldig am Trockenfallen des Vogelsberges. Die OVAG verschweigt nach Ansicht von Cécile Hahn von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg genauso wie das Frankfurter Versorgungsunternehmen Mainova, dass man durch den Weiterverkauf des mittelhessischen Trinkwassers an weitere Kommunen Millionenumsätze mache. Das müsse gestoppt werden, heißt es in einer Denkschrift der Schutzgemeinschaft.

Vor 30 Jahren waren die Hessen im Kampf gegen Trinkwasserverschwendung viel weiter, beklagt der Schottener Hydrologe Hans Otto Wack. Damals drosselte man nach einer Trockenperiode die Wasserförderung und führte die Grundwasserabgabe ein, mit der viele Zisternenbauten und andere Sparmaßnahmen finanziert wurden. Doch 2003 schaffte die CDU/FDP-Landesregierung sie ersatzlos ab.

Das Wasserhaushaltsgesetz werde von Frankfurt ignoriert

Die in Hessen regierenden Grünen ernteten bei der Veranstaltung in Bad Vilbel Kritik, weil sie sich nicht genug wirksame Maßnahmen gegen Trinkwasservergeudung durchgesetzt hätten. Der Magistrat von Frankfurt bekam noch mehr Schimpfe ab: Er verstößt laut Wack schon seit 2002 gegen den Paragrafen 50 des Hessischen Wasserhaushalts-Gesetzes. Demnach müsse eine Kommune zuerst die eigenen Wasservorkommen nutzen, bevor sie Trinkwasser von auswärtigen Versorgern einkauft. Doch niemand bestrafe die Stadt für diesen Gesetzesverstoß.

So kann man sich nach einer Grafik der OVAG die Grundwassespeicher unter dem Vogelsberg vorstellen. Unterschiedliche Meinungen gibt es, ob die „schwebenden Grundwasseretagen“ in der Höhe eine Verbindung zur „Zone der durchgehenden Grundwassersättigung haben, aus der die OVAG das Trinkwasser für Süd- und Mittelhessen pumpt. Grafik: OVAG

Und anstatt es selber zu nutzen oder wenigstens versickern zu lassen, pumpe Frankfurt das eigene Grundwasser in die Kanalisation, um Tiefgaragen und die Kellergeschosse von Hochhäusern trocken zu halten. Empörend findet Wack auch, dass bei großen Neubauten in Frankfurt alle Wassersparmaßnahmen von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abhängig gemacht würden. Das könne man sich nicht mehr leisten. In der größten Stadt Hessens habe man den Ernst der Lage noch nicht erkannt. „Es ist Unwilligkeit. Die wollen einfach nicht!“

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