Daniel Hisgen

Kirchenmaler aus Lich wiederentdeckt

von Jörg-Peter Schmidt

Es gibt Maler, die in Vergessenheit geraten sind, aber Jahrhunderte nach ihrem Tod in einer anderen Zeitepoche wiederentdeckt werden. Dies ist auch bei dem Licher Daniel Hisgen (1733 – 1812) der Fall. In den vergangenen Jahren hat vor allem Walter Hilbrands (Langgöns) in Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten intensiv über diesen Künstler recherchiert, der mehr als ein Dutzend Kirchen in Mittelhessen mit seinen Gemälden ausgestattet hat.

Buße wegen vorehelichem Beischlaf

Walter Hilbrands: Seit Jahren recherchiert er mit großem Interesse über die Werke Daniel Hisgens. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)

Hilbrands, der als Dozent für das Alte Testament an der Freien Theologischen Hochschule Gießen lehrt und dort Dekan ist, schilderte kürzlich im gut gefüllten Netanya-Saal des Alten Schlosses in Gießen auf Einladung des Oberhessischen Geschichtsvereins (OHG) über Leben und Werk von Hisgen, dessen Vorfahren vermutlich Hugenotten waren. Wie der Referent berichtete, war 1769 die Heirat des Malers mit seiner Frau Phillipina Louisa aus Alten-Buseck nicht nur mit erfreulichen Geschehnissen verbunden. Dies geht aus einem damaligen Eintrag im Licher Kirchenbuch hervor. Darin  wurde festgehalten, dass das Hochzeitspaar „in der Stille copuliret, da sie ob praematurum concubitum coram presbyterio ihre poenitzenz abgelegt.“ Die Ehe wurde also „in aller Stille“ geschlossen, da Hisgens wegen vorehelichen Beischlafs vor dem Presbyterium Buße ablegen mussten.

Fünf Kinder gingen aus der Ehe hervor. Zu den Nachfahren gehörte unter anderem August Hisgen, der mehrere Kinos ins Leben rief, beispielsweise das spätere „Traumstern“ in Lich. Berühmt wurde der Sohn des Enkels Carl Wilhelm. Thomas Lewis Hisgen wanderte  nach Amerika aus und  bewarb sich 1908 (erfolglos) für die „Independence Party“  um das USA-Präsidenten-Amt. 

Hisgen-Gemälde in zwölf Kirchen

Zurück zu Daniel Hisgen selbst: Zwar  war die Begegnung mit der Kirche für ihn und seine Frau aufgrund seiner Buße (welche dies auch immer gewesen sein mag) alles andere andere als optimal, aber sein Leben widmete er dennoch gern  und mit Leidenschaft der Verschönerung der Innenräume von etwa einem Dutzend Gotteshäusern durch seine künstlerischen Arbeiten mit vorwiegend biblischen Motiven. In mehren mittelhessischen Landkreisen findet man in den Kirchen diese vorwiegend in Öl entstandenen Empore-Malereien. Dies ist unter anderem in Ulrichstein-Bobenhausen II (Vogelsbergkreis), Lahnau-Atzbach (Lahn-Dill-Kreis), Langgöns und in dem Langgönser Ortsteil Oberkleen, Reiskirchen-Ettingshausen, Laubach-Freienseen, Fernwald-Albach, Hungen-Nonnenroth, Linden-Leihgestern, Lollar-Odenhausen/Lahn, Lich (alle Kreis Gießen) und Butzbach-Ebersgöns sowie Butzbach-Nieder-Weisel (Wetteraukreis) der Fall.

Eine Szene aus dem Neuen Testament: Der gute Hirte (in der Kirche in Lahnau-Atzbach. (Quelle: Wikipedia/Horst Krug) 

Hisgen war kein Michelangelo oder Da Vinci, dennoch ziehen die Gemälde den Betrachter in den Bann und haben ihre eigene Schönheit, ihren künstlerischen Reiz,  wobei bei einigen der Bilder der Rokoko-Stil unverkennbar ist. In der Kirche in Lahnau-Atzbach gehört zu den dortigen Bildnissen eines, das als Motiv die Rettung des ausgesetzten Kindes Moses zeigt; die Töchter des Pharaos, die den Jungen retten, sind in der Rokoko-Mode gekleidet. Es handelt sich um eines der besten Werke des Lichers, das ähnlich in dem Oberkleener Gotteshaus zu sehen ist. 

Adam und Eva (Bild in der Kirche in Ettingshausen) /(Quelle: Wikipedia/Cherubino).

Hisgen dürfte sich wohl sprichwörtlich im Grabe umgedreht haben, wenn er mitbekommen hätte, was mit seinen Gemälden in Ettingshausen passierte. Hilbrands schilderte aufgrund von Aufzeichnungen des des Pfarrers Hartmut Miethe aus Grünberg, was bedauerlicherweise geschah: In den Jahren 1959 bis 1961 wurde das Gotteshaus erneuert. Dabei wurden die zwölf Tafelbilder achtlos heruntergerissen und lagen Tage lang als Bauschutt auf dem Kirchenvorplatz. Sechs Bilder konnten schließlich, soweit dies möglich war, dank der Restauration des Kirchenmalers Scriba aus Herbstein 1979/1980 wiederhergestellt werden. 

Die Unterschrift des Künsttlers (Quelle: Wikipedia/Inge Steul)

Wie wurde eigentlich im 18. und 19. Jahrhundert ein oberhessischer Künstler  bezahlt? Aus den Rechnungsbüchern in Oberkleen geht hervor, dass 1770 Hisgen für das Ausmalen und Vergolden der Kirche 193 Gulden und acht Kreuzer erhielt. Die Kosten für die Farben und das Gold betrugen weitere 163 Gulden und 76 Kreuzer. Zum Vergleich: Für die damals neue Kirche waren 647 Wagenladungen Steine erforderlich. Hierfür wurden 43 Gulden bezahlt.

Susanne Gerschlauer. Foto: Schmidt)

Der Künstler, der sicherlich durch Auszubildende unterstützt wurde, erhielt also für seine Arbeit und die Farben fast vier Mal so viel. Verdienter Lohn für einen Maler, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist; darüber war  man sich  im Alten Schloss einig. 

Susanne Gerschlauer vom Vorstand des Oberhessischen Geschichtsvereins dankte Walter Hilbrands für seinen Vortrag, der ein Beitrag dazu war,  dass Daniel Hisgen posthum die Anerkennung erhält,  die im Laufe von vielen Jahren verloren gegangen war. 

Titelbild: Eine der schönsten Arbeiten  des Kirchenmalers hat ihren Platz in der Kirche in Langgöns-Oberkleen gefunden. Motiv: Die Rettung des ausgesetzten Kindes namens Moses. Ein ähnliches Bild hängt in der Kirche in Lahnau-Atzbach. (Quelle: Wikipedia/Kurt Hanika)

2 Gedanken zu „Daniel Hisgen“

  1. Sehr geehrter Herr Bauer, ich freue mich, dass Ihnen der Bericht gefallen hat. Gut, dass durch Vortrag mehr über Daniel Hisgen zu erfahren war. Viele Grüße von Jörg-Peter Schmidt

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