Wenn die volle Biotonne stehen bleibt
Von Klaus Nissen
Immer häufiger weigert sich die Müllabfuhr, mit Plastik verunreinigte Abfälle mitzunehmen. Wenn mehr als fünf Prozent des Bio-Abfalls aus Restmüll oder Plastik bestehen, muss der ganze Kram in einen neuen Container und dann als Restmüll entworgt werden. Das ist teuer: Statt 105 Euro pro tausend Kilo muss die Gemeinde dann 189 Euro an den Abfallwirtschaftsbetrieb im Wetteraukreis zahlen.
Zu viel Plastik im Biomüll
Sind ein paar zerkleinerte Plastiktüten im Kompost denn so schlimm? Durchaus, sagt Birgit Simon vom Abfallwirtschaftsbetrieb. Die Plastikfitzel müssen im Humus- und Erdenwerk bei Ilbenstadt von Arbeitern per Hand aus der schmierigen Biomasse gezogen werden. Bald gilt eine strengere Düngemittelverordnung. Und die verbietet, mit Plastik verunreinigten Flüssigdünger aus organischen Abfällen auf die Äcker zu fahren. Damit droht die ganze Entsorgungsmaschinerie zu stocken.
Seit Monaten verstärkt der Abfallwirtschaftsbetrieb den Druck auf Gemeinden, möglichst reinen Biomüll anzuliefern. Immer wieder beanstandete er verunreinigte Lkw-Ladungen. Eine Fuhre aus Karben betraf das zuletzt vor gut einem Monat, sagt Abfallberaterin Ina Katzer im Rathaus an der Nidda. Vor allem dort, wo sich mehrere Haushalte eine Biotonne teilen, lande mehr Plastik als tolerierbar unter dem braunen Deckel. Im Karbener Rathaus überlegt man nun, ob und wie man die Hausverwaltungen bittet, bei den Bewohnern auf mehr Müll-Disziplin zu drängen. Ina Katzer: „Es ist schade, dass die Leute nicht selber daran denken.“
Rewe für sauberen Biomüll
In Karben, aber auch in Rosbach haben die Stadtverwaltungen im Lebensmittel-Konzern Rewe einen Verbündeten. Dort wurde an „Aufstellern“ über die korrekte Biomüll-Entsorgung informiert, und in den Supermärkten gibt es Papiertüten zum Sammeln der Kartoffelschalen und benutzten Kaffeefilter zu kaufen. Rewe kündigte an, keine Plastiktüten mehr an der Kasse auszugeben. Und die vom Handel angebotenen kompostierbaren Plastiktüten werden vom Wetterauer Abfallwirtschaftsbetrieb abgelehnt – denn ihre Zersetzung dauert zu lange, so Abfallberaterin Birgit Simon.
In Bad Nauheim kontrollieren die städtischen Müllwerker sogar jede einzelne Biotonne, berichtet Patricia Hofmann im Rathaus. Es gab viel Ärger – vor allem in Wohnblocks, wo mehrere Haushalte sich eine Biotonne teilen. „Viele Leute sagten, der Müll kommt doch am Ende auf einen Haufen. Sie sahen nicht ein, warum man das Kartoffelnetz aus Plastik nicht in den Biomüll werfen sollte.“ Auch in Altenstadt wird fast jede Biotonne inspiziert, sagt die dortige Abfallberaterin Carolina Luft. In Ranstadt fuhr sogar Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel auf dem Müllwagen mit, um Plastikmüll im Bio-Eimer zu vermeiden.
Restmüll ist deutlich teurer
Die Stadt Niddatal hat bislang keine Mülltonnen-Kontrollen veranlasst – obwohl ein Lastwagen im April 2016 zurückgewiesen und die Fracht teuer als Restmüll entsorgt wurde. Man könne die Tonnen schließlich nicht bis zum Boden auf der Suche nach unerwünschtem Plastik durchwühlen, gibt Abfallberater Mario Müller zu bedenken. Er glaubt auch nicht, dass man die Menschen in großen Wohnanlagen dazu bewegen kann, den Müll sortenrein zu trennen. „Es wird keine Lösung geben“, meint er und fände es sinnvoll, wenn eine Stadt in solchen Wohnquartieren den Abfall ohne Trennung als Restmüll entsorgen dürfte. Das würden die Anwohner im Geldbeutel spüren, weil Restmüll deutliche teurer ist als der mit 18 Cent pro Kilo berechnete sortenreine Bio-Abfall.
Auch Biomüll aus Rosbach ist bereits im Humus- und Erdenwerk zurückgewiesen worden. Laut Abfallberaterin Melanie Grünfelder gibt die Stadt schriftliche Sortier-Hinweise an jene Bürger, die neu eine Biotonne bestellen. Ob das ausreicht, bleibt offen. Zu Tonnen-Kontrollen wie in Bad Nauheim habe die Stadt nicht genug Personal.
Der Biomüll der Bad Vilbeler unterliegt ebenfalls der Plastik-Kontrolle. Er landet nicht bei Ilbenstadt, sondern auf einer Kompostierungsanlage in Maintal-Dörnigheim. Genau 2346 Tonnen organischer Abfälle aus Vilbel lieferten die Bad Vilbeler im vorigen Jahr, so Stadt-Sprecher Yannick Schwander. Die Anlage habe große Siebe, mit denen Plastik und andere Fremdstoffe aus dem Biomüll weitgehend entfernt würden. „Im Großen und Ganzen ist das kein Problem“, so Schwander.
Im Durchschnitt verarbeitet der Wetterauer Abfallwirtschaftsbetrieb pro Bürger im Jahr rund 80 Kilo Biomüll und 50 Kilo Grünschnitt. Wo der Müll gewogen wird, kommen aber nur 60 Kilo zusammen. Viel mehr Biomüll landet dort im eigenen Garten. In der Wetterau haben noch 13 Gemeinden ein Wiegesystem, zum Beispiel in Wöllstadt, Nidda, Büdingen, Ortenberg, Ranstadt undWölfersheim.
Tipps zum Umgang mit Biomüll
Lieber Papier als Plastik: Wer die Küchenabfälle in einer Plastiktüte sammelt, muss die Tüte über der Tonne leeren und das Plastik in den Restmüll werfen. Kompostierbare Plastiktüten gibt es auch – aber die zersetzen sich erst bei 70 Grad Hitze und nach längerer Zeit. Das Kompostwerk will diese Tüten nicht haben. In den zehn Recyclinghöfen und etlichen Rathäusern des Kreises kann man je 50 braune Papiertüten für den Biomüll für wenig Geld kaufen.
Maden und Gestank in der braunen Tonne? Dann sollte man Zeitungspapier knäulen und in die braune Tonne legen. Fleischabfälle wickelt man am besten in Zeitungspapier ein. Gut sind auch Zwischenlagen getrockneten Rasenschnitts in der Tonne, sagen die Abfallberater. Braune Tonnen gehören außerdem stets an schattige Plätze. Und wer es über sich bringt, kann sie nach der Leerung auswaschen.
Komposthaufen statt brauner Tonne: Eigentlich gilt ein Anschlusszwang. Doch wer daheim 25 Quadratmeter Garten und einen Kompostbehälter nachweisen kann, darf die Abschaffung der braunen Tonne im Rathaus beantragen. Das spart je nach Gemeinde etwa zehn bis 26 Cent je Kilo Biomüll. Wer allerdings gekochte Essensreste auf den Kompost wirft, zieht Ratten und anderes Getier an.