Goldene Zeit gab es nur für wenige
Reichtum und Armut, Glück und Verderben, Macht und Ohnmacht: Das Städel Museum wirft einen ungeschönten Blick auf die soziale Wirklichkeit der Amsterdamer Gesellschaft im 17. Jahrhundert. Noch bis zum 23. März 2025 ist die Ausstellung mit bedeutenden Werken von Rembrandt und seinen Zeitgenossen am Schaumainkai 63 in Frankfurt zu sehen.In Amsterdam machten nicht alle ihr Glück
Im 17. Jahrhundert ist Amsterdam die Metropole Europas. Wirtschaft und Handel boomen, die Bevölkerung wächst rasant, Kunst und Wissenschaft florieren.
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Eine einflussreiche Bürgerschaft prägt die Geschicke der Stadt, festgehalten in ausladenden Gemälden der niederländischen Meister. Allen voran Rembrandt Harmensz van Rijn, aber auch die Künstler Jakob Backer, Ferdinand Bol, Govert Flinck, Bartholomeus van der Helst oder Jan Victors spiegeln in den Gruppenbildnissen das Selbstverständnis der Stadtgesellschaft.
Die Blüte Amsterdam wurzelt im Kolonialismus
Doch die Blüte Amsterdams hat ihren Preis, sie wurzelt in kolonialistischer Handelspolitik und einer strikten Gesellschaftsordnung. Das Städel Museum blickt auf eine vermeintlich „goldene Zeit“ und gibt in Kooperation mit dem Amsterdam Museum Einblick, welche Regeln den Alltag der Menschen damals bestimmten.
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Die Ausstellung vereint rund 100 Gemälde, Skulpturen und Druckgrafiken niederländischen und internationalen Museen, darunter Meisterwerke aus dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen oder dem Muzeum Narodowe in Warschau. Dieser Bestand wird durch Werke Rembrandts und seiner Zeitgenossen aus der Sammlung des Städel Museums ergänzt.
Die Maler verewigen auch die Armen
Viele Gemälde zeigen in Lebensgröße Gruppen von reichen Bürgern in teuren, meist schwarzen Kleidern und Hüten. Ihre oft ausladenen Kragen sind stets blütenweiß. Es sind beispielsweise die Mitglieder der Chirurgengilde, die sich um den nackten Leichnam eines Mannes gruppieren. Objekt der Fortbildung ist ein Straftäter, dem nach der Hinrichtung auch noch die Sezierung bevorsteht. Nach dem Verständnis jener Zeit ist das eine Verstärkung der Strafe, da der Betroffene nur mit einem unversehrten Körper auf ein erträgliches Fortleben im Jenseits hätte hoffen können.
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„Unsere Ausstellung stellt auch jene Menschen Amsterdams vor, die zu dieser Zeit als ‚nicht bildwürdig‘ galten und deswegen in vielen Gemälden kaum porträthafte Spuren hinterlassen haben.“ Das sagt Jochen Sander, der Kurator der Ausstellung und stellvertretende Direktor des Städel.
Das traurige Schicksal der Elsje Christiaens
Wer vor 380 Jahren in Amsterdam arm war, geriet leicht in Lebensgefahr. Die Ausstellung erzählt die Geschichte der aus Dänemark zugewanderten Elsje Christiaens. Die 18-jährige hat 1664 ihre geringen Ersparnisse schon nach wenigen Wochen in der teuren Großstadt aufgebraucht, bevor sie eine Arbeit fand. Ihre Zimmerwirtin wollte sie hinauswerfen, als sie keine Miete bekam. Im Streit griff die junge Dänin eine Axt und erschlug die Wirtin.
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Elsje wurde verhaftet, als Mörderin zum Tode verurteilt und wenige Tage danach auf dem Dam öffentlich erwürgt. Die Hinrichtung wird zum Massenspektakel, weil in Amsterdam seit 21 Jahren schon keine Frau mehr zum Tode verurtelt worden war.
Und weil Elsje im Prozess kein Einsehen in ihre Schuld eingestand, wird das Urteil noch verschärft. Ihre Leiche bindet die Justiz der bürgerlichen Stadt mitsamt der Axt an einen Galgen auf der dem Hafen vorgelagerten Insel und lässt ihn dort jahrelang hängen.
Geertruyd Nachtglas machte ihr Glück am Tresen
Trotzdem wird der Justizvollzug in jener Zeit als fortschrittlich angesehen. Denn Dieben hackt man nicht mehr die Hand ab, sondern lässt sie im Zuchthaus nützliche Arbeit machen. Die Männer müssen im „Rasphuis“ jahrelang mit Sägen die aus Brasilien gelieferten Stämme der Rotholzbäume raspeln. Die Späne dienen zur Herstellung eines roten Farbstoffs für die Tuchwebereien.
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Straffällige Frauen landen im alten Amsterdam im „Spinhuis“ Sie spinnen Wolle für die Textilindustrie. Wer ein Eintrittsgeld zahlt, kann die Zwangsarbeiter im Rasphuis und Spinhuis besichtigen. Das soll die Gefangenen demütigen.
Die Ausstellung erzählt auch Erfolgsgeschichten. Frauen konnten zu Wohlstand und Ansehen kommen, wenn sie unternehmerisches Geschick zeigten. Geertruyd Nachtglas zum Beispiel übernahm von ihrem Vater die Schankwirtschaft des Schützenhauses der Kloveniers-Gilde. Sie machte so viel Umsatz, dass sie 1668 mit 61 Jahren in den Ruhestand gehen und heiraten konnte.
Noch viel reicher wurde Aechje Oetgens. Mit 17 Jahren heiratete die Patriziertochter 1578 den Investor Barthold Cromhout. Sie wird Vorsteherin des Burgerweeshuis – eines städtischen Waisenhauses. Das ist ein hohes Ehrenamt. Nachdem die katholischen Klöster und Stifte Ende des 16. Jahrhunderts aufgelöst sind, entstehen die Waisenhäuser, in denen die Kinder eingekleidet, genährt und mit Bibelunterricht traktiert werden.
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Nach dem Tod ihres Mannes führt Aechje Oetgelns die internantionalen Handelsgeschäfte weiter. Als sie mit 78 Jahren stirbt, hinterlässt sie ihren Nachkommen 425 000 Gulden.
Auch im Städel: Fotos aus dem alten Frankfurt
Wer sich in Amsterdam-Bildnissen nicht völlig verliert, kann in einer weiteren Städel-Ausstellung ins alte Frankfurt eintauchen. Zu sehen sind dort bis zum 1. Juni 2025 etwa 80 frühe Fotos des Fotografen Carl Friedrich Mylius aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Straßenzüge, in den kein einziges Auto zu sehen ist. Und ein meterlanges Panorama der Mainufer. Die Sachsenhäuser Seite ist damals noch mit Strandabschnitten und Fischerboten besetzt. Dort lebte die ärmere Schicht der Dienstboten und Arbeiter.
Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten? im Städel Frankfurt, Schaumainkai 63 am südlichen Mainufer. Bis 23. März 2025, Eintritt 18 Euro. Öffnungszeiten: Dienstag, Mitwoch, Freitag, Samstag undSonntag von 10 bis 18 Uhr, donnerstag von 10 bis 21 Uhr.