Richter verbieten Bau bei Wölfersheim
Von Klaus Nissen
Ein Weihnachtsgeschenk verschickte am Freitag, 22. Dezember 2023 der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel. Adressiert ist es an den Umweltverband BUND, der im Namen der Initiative „Bürger für Boden“ gerichtlich den Bau des Rewe-Logistikzentrums zwischen Wölfersheim und Berstadt verhindern will. Der Inhalt des Geschenks: Die Halle darf noch lange nicht gebaut werden.Auswirkung auf Vogelwelt nicht genug erforscht
Die Klage des BUND gegen die Baugenehmigung hat eine aufschiebende Wirkung. Die Bagger und Bauarbeiter dürfen auf dem 25 Hektar großen Acker also keine Grube für die Fundamente der 626 Meter langen und 175 Meter breiten Halle ausheben. Zunächst muss die in unbestimmter Zukunft kommende Hauptverhandlung abgewartet werden. Das bekräftigten die Kasseler Verwaltungsrichter bei ihrer Sitzung am Donnerstag, 21. Dezember 2023.
Schon im Februar 2023 hatte das untergeordnete Verwaltungsgericht in Gießen einen Baustopp verfügt. Dagegen wandte sich die Rewe-Gruppe mit einem Widerspruch – der wurde nun abgelehnt. Und zwar endgültig. Der Beschluss sei nicht anfechtbar, heißt es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofes.
Richter bemängeln Baugenehmigung des Kreises
Ganz besonders freut sich der BUND-Kreisvorsitzende Werner Neumann über die Begründung des jüngsten Gerichtsbeschlusses. „Mit der haben wir auch ein paar Pfunde für unsere weiteren Prozesse gegen das Logistikprojekt.“ Denn der Gerichtshof erklärte, dass „die nach Paragraf 34 des Bundesnaturschutzgesetzes erforderliche Ermittlung der zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf das in unmittelbarer Nähe liegende Natura 2000-Gebiet (…) nur unzureichend erfolgt“ sei.
Der Wetteraukreis als Baugenehmigungsbehörde hätte gründlicher prüfen müssen, wie sich das riesige Gebäude auf das benachbarte Vogelschutzgebiet 5519-401 auswirken würde. Laut BUND wurden in den Bau-Unterlagen zum Beispiel die Schallauswirkungen des Logistikzentrums bei Nachtbetrieb nicht erläutert. Auch nicht, wie sich der zusätzliche Verkehr von täglich 751 Lastwagen und 992 Personenwagen auf das 470 Meter entfernte Vogelschutzgebiet auswirken würde.
Parallel läuft ein Prozess um Einspruchsrecht des BUND
Bereits im September 2023 errangen die Umweltschützer, Landwirte und Kirchenleute von „Bürger für Boden“ einen Etappensieg. Damals ging es um eine „Zielabweichung“. Die hatte die Regionalversammlung Südhessen auf Betreiben der Gemeinde Wölfersheim beschlossen, damit das Areal im Winkel zwischen B455 und der A45 im regionalen Flächennutzungsplan nicht mehr als Landwirtschaftsfläche eingezeichnet ist, sondern als Gewerbeland für Logistik.
Der BUND legte Widerspruch ein. Der wurde zunächst auch vor Gericht abgewiesen mit dem Argument: ein Umweltverband habe kein Einspruchsrecht bei Planungsentscheidungen gewählter Gremien. Erst in der höchsten Instanz bekam der BUND im September mit seinem Anliegen Recht. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig urteilte: Ein Umweltverband wie der BUND dürfe durchaus gerichtlich überprüfen lassen, ob eine Abweichung von Zielen des Regionalplans gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt. Eine Aussage, die grundsätzliche Bedeutung für viele andere Großprojekte in ganz Deutschland bekommt.
Nun müssen die Hauptsacheverfahren abgewartet werden
Werner Neumann, der auch im Landesvorstand des BUND sitzt, wartet nun daheim in Altenstadt auf die schriftliche Urteilsbegründung für das Leipziger Urteils aus dem September 2023. Und auf die ausführliche Begründung des jüngsten Spruchs aus Kassel. Es wird wohl Jahre dauern, bis die Prozesse über die Zielabweichung und die Baugenehmigung über alle Instanzen geführt und entschieden sind. Verhandlungstermine fehlen noch.
Für den Rewe-Konzern ist also unkalkulierbar, ob und wann er seine Nachschub-Zentrale bei Wölfersheim bauen kann. Seit mindestens 2017 plant er sie. Eigentlich sollte der „Logistikpark Wölfersheim A45“ seit Anfang 2023 in Betrieb sein. Weil die bestehenden Lager in Rosbach und Hungen zu klein sind, will Rewe in Wölfersheim die bis zu 45 000 verschiedenen Artikel seines Lebensmittel- und Hygienesortiments lagern und von hier aus in die Supermärkte Mittelhessens und der Rhein-Main-Region ausliefern. Stattdessen wächst weiter Gras auf dem Ackerland. Es gehört Rewe bereits, wird aber nicht bewirtschaftet.