Rettungsversuch für Riesenhalle
Von Klaus Nissen
Mit einem neuen Bebauungsplan versucht die Gemeinde Hammersbach, den drohenden Abriss der Riesenhalle im Gewerbegebiet „Limes“ zu verhindern. Der Aufstellungsbeschluss spaltete die örtliche Grünen-Fraktion. Und nach Einschätzung des Bürgermeisters bleibt unsicher, wer die Planungshoheit hat.Riesenhalle bekommt Bebauungsplan
Schon seit Jahresbeginn 2023 sollen jeden Tag dutzende Lastwagen die neue Logistikhalle des Elektroteile-Händlers Hager ansteuern. Die Dietz AG hatte 2022 den gut 300 Meter langen und 15 Meter hohen Bau für das saarländische Unternehmen errichtet.
Doch das Millionenprojekt stockt. Kein Mensch arbeitet dort; die 26 Lkw-Tore sind noch nie benutzt worden, der große Parkplatz steht ebenso leer wie die ganze Lagerhalle.
Ein Formfehler im Planungsverfahren und mehrere Klagen von Umweltschützern, Landwirten und Kirchenleuten haben zu dieser Situation geführt. Der Zweckverband Interkommunales Gewerbegebiet Limes (Zwigl) hatte 2016 die Westerweiterung des gemeinsamen Areals von Hammersbach, Büdingen und Limeshain ohne die notwendige einstimmige Mehrheit beschlossen.
Die Riesenhalle darf nicht genutzt werden
Zusätzlich wendete sich nach der Kommunalwahl von 2021 die neue schwarz-grüne Mehrheit in Hammersbach gegen die Versiegelung des Ackers zwischen einer schon bestehenden Halle und der Autobahn 45. Im Jahr 2022 setzte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel den Bebauungsplan außer Vollzug. Die neue Hager-Halle darf nicht genutzt werden. Auch der Innenausbau stockt. Er wird von der Bauaufsicht wegen der unklaren Rechtslage momentan nicht genehmigt, sagt Bürgermeister Michael Göllner auf Anfrage.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält die riesige Logistikhalle für einen Schwarzbau. Er verlangt per Verwaltungsgericht vom Kreisbauamt eine Abrißverfügung. Gerade habe man die Klagebegründung abgegeben, so das BUND-Vorstandsmitglied Werner Neumann aus Altenstadt.
In der Hammersbacher Koalition ist der Widerstand gegen das neue Logistikzentrum allerdings zusammengebrochen. Grüne und CDU beantragten am 13. Juni 2023 die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans. „Wir jubeln nicht über diese Halle“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Antje Schöny. „Es ist eine Menge Beton darin verbaut worden. Aber ihr Abriss wäre energetisch nicht vertretbar.“ Wegen der komplexen Gerichtsverfahren sei absehbar, dass die Halle in den nächsten zehn bis 15 Jahren nur so dastehe. Außerdem könne deswegen auch kein Baugrund an örtliche Kleinunternehmen vergeben werden.
Nun will die Gemeinde die Riesenhalle legalisieren
Nach dem Willen der Koalition soll deshalb die Gemeinde Hammersbach die Westerweiterung des Gewerbegebiets legalisieren. Die Dietz AG müsse sich verpflichten, die schon fertige Halle zusätzlich mit einer „extensiven Wandbegrünung“, mit einer zusätzlichen Fotovoltaik-Anlage und mit Ladesäulen für Elektrofahrzeuge zu ergänzen.
Die SPD-Fraktion wollte lieber, dass der Zweckverband das Problem löst. Dessen Verbandsversammlung solle den Bebauungsplanbeschluss von 2016 wiederholen, forderten die Sozialdemokraten. In der Hoffnung, dass diesmal keine Gegenstimme anfällt. Der Antrag wurde aber abgelehnt.
In jeder Fraktion gibt es einen anderen Plan
Die Grünen-Gemeindevertreterin Irmgard Beck wiederum beantragte, die Gemeinde möge nur für die nördliche Fläche des Erweiterungsgebietes einen Bebauungsplan machen – um dort kleine Betriebe anzusiedeln.
Bei der Abstimmung hatte die Koalition wegen der grünen Abweichlerin keine eigene Mehrheit. Mit Hilfe der SPD wurde der schwarz-grüne Bebauungsplan dann aber doch beschlossen. Die Dietz AG ist laut Bürgermeister Göllner bereit, die Öko-Nachbesserungen auf ihre Kosten vorzunehmen. Auch die Firma Hager wolle die Anlage möglichst bald in Betrieb nehmen.
Wird das alles funktionieren? Hat der Zweckverband oder die Gemeinde Hammersbach die wahre Planungshoheit über die zwölf Hektar östlich des Rasthofs Langen-Bergheim? Das sei eine „diffizile Situation“ und könne auch er nicht genau sagen, meint Michael Göllner.
BUND fordert den Abriss
„Illegales Bauen sollte nicht legalisiert werden“, schimpft derweil der Wetterauer BUND-Kreisvorsitzende Werner Neumann. Es sei ein fatales Signal, dass die Hammersbacher Koalition nun sämtliche Trümpfe aus der Hand gebe. Sie dürfe nicht vergessen, dass die Dietz AG im November 2021 gut 200 000 Tonnen besten Mutterbodens abfahren ließ und damit gegen das Baugesetzbuch verstoßen habe. Die von der Koalition geforderten „Biodiversitätsdächer“ könnten die immense Zerstörung des Bodens und der Natur nicht gutmachen.
Was nun? „Die tote Gabelstapler-Turnhalle muss radikal umgebaut werden“, forderte gestern Kim Sen-Gupta von der Bürigerinitiative „Schatzboden“. Klar sei, dass für 20 oder 30 Kleinbetriebe neues Betriebsgelände gebraucht werde. Die sollte man in der schon fertigen Hager-Halle ansiedeln.
Was tatsächlich aus dem riesigen Neubau wird, entscheiden irgendwann die Gerichte.