Ahmadiyya

Eine Moschee für Echzell

Von Klaus Nissen

Die Theke steht noch. Doch wo früher die Barkeeper in „Dimi`s Restaurant“ Cocktails zubereiteten, beten heute die Frauen der Ahmadiyya-Gemeinde. Die Gewerbehalle am Sauerborn in Echzell wird gerade zur 84. Moschee der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland umgebaut.

Ahmadiyya-Gemeinde freut sich Kontakte

Von außen deutet nichts auf die sakrale Nutzung des Gebäudes hin. Nüchtern wirkt das zweistöckige Haus mit der hellgrauen Metallfassade. Von dem mit Betonsteinen gepflasterten Kundenparkplatz aus kann man die physiotherapeutische Praxis im Vorderhaus besuchen.

Ein paar Schritte weiter liegt seitlich der Eingang zum Hinterhaus. Da erinnert noch immer ein Medaillon mit dem Kopf Alexanders des Großen an die Zeiten, als hier ein griechisches Restaurant seine Gäste beköstigte.

Diese drei Männer leiten die kleine Ahmadiyya-Gemeinschaft von Echzell. Von links der Imam Syed Abrar Shah, der Vorsitzende Mohammad Tariq und der Jugendleiter Azoor Qamar. Foto: Nissen

Doch das ist längst Geschichte. Im April 2022 kaufte die kleine Echzeller Ahmadiyya-Gemeinde das Hinterhaus Am Sauerborn 7. Es wird gerade zum Treffpunkt und Gebetshaus umgebaut. Gemeindevorsteher Mohammad Tariq, der Imam Syed Abrar Shah und der Gemeinde-Jugendleiter Zahoor Qamar führten den Reporter durch das neue Gemeindezentrum.

Die Theke im Erdgeschoss wollen die Ahmadiyya-Muslims gerne loswerden. Denn sie nimmt den hier versammelten Frauen Platz weg. Die Damen der Gemeinde beten momentan hinter einem Vorhang auf deutlich weniger Quadratmetern als die Männer.

Früher war hier ein Restaurant und Fitness-Studio

Eine Steintreppe führt in deren Versammlungsräume im Obergeschoss. Sie mündet in einen gut hundert Quadratmeter großen Saal mit einer Fensterfront und einem asymmetrischen Giebeldach. Auf dem Boden liegt noch der Teppichboden des hier früher ansässigen Fitness-Centers. Der soll raus, erzählt Mohammad Tariq. „Außerdem wollen wir eine große Trockenbauwand zum Treppenhaus hin hochziehen. Aber als wir die Kostenvoranschläge sahen, wurde uns ein wenig schwummrig.“

Nebenan liegt ein Multifunktionsraum und Bibliothek. Da treffen sich die jungen Leute jenseits der Gottesdienste, berichtet Azoor Qamar. „Einmal im Monat reden wir da über Dinge wie Männlichkeit. Oder wie der Islam zum Rassismus steht. Oder was Menschlichkeit ausmacht.“ Manchmal schaue man sich einfach auch ein Fußballspiel an.

In der Heimat werden die Ahmadiyya angefeindet

Der Vorsitzende der Echzeller Ahmadiyya-Gemeinschaft spricht genauso wie der 31-jährige Imam und der Jugendvorsitzende ein lupenreines Deutsch. Mohammad Tariq kam mit seiner Familie als Kind wie viele andere Ahmadiyyas aus Pakistan nach Deutschland, weil ihre Religionsrichtung in der Heimat bekämpft wird.

Damals landete der jetzt 50-Jährige Transportunternehmer in Nidda, wo schon lange eine Ahmadiyya-Gemeinde existiert. „Wir waren drei Familien. Inzwischen hat die Niddaer Gemeinde 450 Mitglieder“, erzählt Tariq. Später zog er nach Echzell. Die dort lebenden, etwa 20 Ahmadiyya-Muslime trafen sich seit den Neunzigerjahren in der Beienheimer Wohnung eines Gemeindemitgliedes. „Da wurde es immer enger“, berichtet Mohammad Tariq. Jetzt zählt er 68 Mitglieder und hofft auf noch mehr. Also suchte man ein größeres Gemeindezentrum. „Wo eine Moschee entsteht“, sagt Mohammad Tariq, da kommen die Menschen.“

Keine Kuppel, kein Minarett

Die Einwohner von Echzell müssen sich unter dieser Moschee kein Gebäude mit Kuppeldach und Minarett vorstellen, von dem aus der Muezzin fünfmal täglich zum Gebet – dem Azan – ruft. „Wir haben nur einen Innenausbau beantragt und genehmigt bekommen“, sagt der Jugendleiter Azoor Qamar. Der 37-jährige Echzeller verdient sein Geld als Planungsleiter bei einem Unternehmen in Frankfurt. Und hat seinen Teil dazu beigetragen, das Geld für den Kauf und Umbau der Gewerbehalle in eine Moschee aufzubringen.

Die Ahmadiyya-Gemeinden sind zwar Körperschaften öffentlichen Rechts, finanziert werden sie aber aus den Spenden ihrer Mitglieder. Die tragen auch das Gehalt ihres Imams. Der 31-jährige Syed Abrar Shah kümmert sich in Echzell, Altenstadt, Nidda und Büdingen um die religiösen Riten der Gemeinschaft.

Gottesdienste in Deutsch und Urdu

Dazu gehört zum Beispiel das um 13 Uhr beginnende Freitagsgebet. Daran können laut Azoor Qamar auch Menschen anderer Religionen und Überzeugungen teilnehmen. Die Predigt finde stets zuerst auf Deutsch statt und wechsle dann zu Urdu – der Muttersprache der meisten Ahmadiyya.

Der Imam koordiniert mit dem Gemeindevorstand auch die Kontakte zu den Vereinen in Echzell. Die sind den Ahmadiyyas sehr wichtig. Der gemeinsam für Anfang Juli in Echzell geplante Spendenlauf für gemeinnützige Zwecke müsse zwar wegen Terminproblemen verschoben werden. Doch am 8. Juli 2023 werde man am „Charity Walk“ in Altenstadt teilnehmen. Für den 3. Oktober laden die Echzeller zum „Tag der offenen Moschee“ ein. Nach dem Ende der Corona-Epidemie sind nach Auskunft des Imams wieder Besuche bei Altenheim-Bewohnern geplant.

Das Gespräch mit dem Reporter dauert länger als geplant – auch weil der Gast mit Tee, würzigem Gemüsegebäck und süßen Baklava verköstigt wird. Schließlich wird es unruhig, einige Männer mit weißen Kappen auf den Häuptern erscheinen und grüßen freundlich. Es ist Zeit für das vierte Tagesgebet.

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat

Um 1880 gründete Mirza Ghulam Ahmad im damaligen Britsch-Indien die islamische Reformgemeinschaft der Ahmadiyya. Ihre Lehren wurden und werden von anderen Muslimen als ketzerisch abgelehnt. „Liebe für alle – Hass für keinen“ ist ein oft zitierter Kernspruch der Ahmadiyya, die Frauen eine hohe Bedeutung zuweisen.

Auch wegen der Anfeindungen zogen viele Anhänger der Ahmadiyya ins Ausland. Das aktuelle Oberhaupt der rund zehn Millionen Gläubigen lebt in London. In Berlin ließen sich die Ahmadiyya vor genau hundert Jahren als Glaubensgemeinschaft registrieren. Das Jubiläum soll am 1. September bei einem Treffen in Stuttgart gefeiert werden.

Anders als bei der katholischen Kirche unterliegen die Geistlichen, die Imame, nicht dem Zölibat. Die männlichen Mitglieder der Ahmadiyya verteilen sich auf drei Gruppen: die sieben- bis 15-jährigen Atfal, die Chuddam im Alter von 15 bis 40 Jahren und die lebenserfahrenen Ansar. „Mit 40 Jahren hat man eine gewisse Reife erreicht“, sagt Zahoor Qamar. Von den Älteren würden die meisten Impulse für das Gemeindeleben erwartet. Qamar: „Neben der Theologie ist es wichtig, einfach mal zusammen zu kommen.“

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