Wasserstoff

So entsteht Gas aus Windstrom

Von Klaus Nissen

Ein Besuch im Energiepark Mainz lehrt viel über Wasserstoff aus Windstrom. Schon 2016 schaute sich der Neue Landbote auf dem Gelände am südlichen Stadtrand von Mainz um. Damals war der Energiepark die weltweit größte Anlage zur Herstellung von Wasserstoff aus Windstrom. Was ist daraus geworden? Mit einer Abordnung der Energiewende-Gruppe „Querstellen – Friedberg“ fahren wir im Oktober 2022 erneut hin. Und erfahren Erstaunliches.

50 Kilo Wasserstoff pro Stunde

Normale Autos fahren künftig mit Batteriestrom. Doch was ist mit schweren Lastwagen, Zügen und Flugzeugen? Die brauchen Wasserstoff, sagt Klaus Stephan. Der Angestellte der Mainzer Stadtwerke zeigt den Wetterauern, wie dieses Gas hergestellt wird. Die schon seit 2015 produzierende Anlage in einem Gewerbegebiet sei längst kein Pilotprojekt mehr. In Deutschland arbeiten laut Stephan schon viele Elektrolyse-Anlagen, die größte stehe bei Köln.

Diese Maschine macht aus Wasserstoff aus Windstrom und Leitungswasser. Drei davon produzieren 1,2 Tonnen pro Tag. Foto: Nissen

Die Mainzer Wasserstoff-Fabrik an der Eindhoven-Allee hat einst 17 Millionen Euro gekostet. Heute wäre sie nach Stephans Schätzung für etwa zehn Millionen zu haben. Der Betrieb der einstigen Forschungsanlage werde nicht mehr mit staatlichen Geldern subventioniert. Denn sie mache Gewinne.

Die Anlage hat sich in den letzten sechs Jahren kaum verändert. Von außen sieht man einen hohen Zaun mit Schiebetor, das Empfangsgebäude, ein paar Industriehallen, Container und Aggregate. Daneben, auf einer luftigen Höhe zehn Kilometer südlich der Mainzer Innenstadt, stehen vier Windmasten der Mainzer Stadtwerke, die jeweils zwei Megawatt Strom liefern können. Sobald der tagesaktuelle Marktpreis für Strom wegen eines hohen Angebots über eine bestimmte Schwelle absackt, beginnt die Wasserstoffproduktion. Auf Dauer, heißt es in einer Publikation des Leibniz-Informationszentrums in Kiel, lohnt die Wasserstoffproduktion aus Windstrom bei einem Strompreis unter drei Cent je Kilowattstunde. Das sei vor allem in den windreichen Gegenden der Ost- und Nordsee und der norddeutschen Bundesländer machbar. Laut Klaus Stephan in Mainz arbeiten seine Elektrolyseure mit Gewinn, sobald sie Strom für weniger als fünf Cent je Kilowattstunde bekommen.

Die einstige Versuchsanlage macht jetzt Gewinne

In Mainz nehmen die Elektrolyseure bis zu sechs Megawatt von den Rotoren ab. Die drei busgroßen Maschinen stehen in einer Halle und summen vor sich hin. Sie laufen automatisch, versichert Klaus Stephan. Menschen kommen hier nur hin, wenn ein Teil gewartet werden muss oder eine Besuchergruppe die vielen Leitungen anstaunt. Der Windstrom spaltet das Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Pro Tag braucht man dafür insgesamt tausend Liter Leitungswasser. Es wird zuvor von seinen mineralischen Anteilen befreit.

Das sind zwei der derei Elektrolyseure. Sie nutzen Windstrom, um Leitungswasser in Sauerstoff und Wasserstoff umzuwandeln. Foto: Nissen

Während der Sauerstoff einfach in die Luft abgelassen wird, sammelt die drei Elektrolyseure des Typs „Silyzer 200“ etwa 50 Kilo Wasserstoff pro Stunde. Das Gas gelangt durch dünne Leitungen bei einem Druck von 80 bar in zwei Tanks mit jeweils 82 Kubikmetern Inhalt. Hinein passen 780 Kilo eiskalter Wasserstoff, die einen Energiegehalt von rund 26 Megawattstunden haben. Vom großen Tank aus werden die schmalen weißen Tankzellen auf speziellen Lastwagen befüllt. Ein Ladevorgang dauert etwa drei Stunden, berichtet Klaus Stephan. Der Fahrer lässt sein Auto dabei allein und steigt in einen anderen, gerade fertig befüllten Lastwagen. Anschließend steuert er den Höchster Chemiepark an, wo das zwei Drittel des Wasserstoffs aus dem Energiepark für diverse Produktionsprozesse gebraucht wird.

Auf solchen Anhängern wird der Wasserstoff transportiert. Foto: Nissen

Der grüne Wasserstoff aus Mainz landet auch in einer Wasserstoff-Tankstelle, die schwere Fahrzeuge mit Brennstoffzellen-Antrieb und den Toyota Mirai mit Brennstoff versorgt – den einzigen Serien-Pkw mit Brennstoffzelle. Ab Dezember 2022 kann bei Bedarf mit dem Gas aus dem Energiepark Mainz auch die weltgrößte Zugflotte betankt werden. on Dezember an soll im Taunus die größte mit Wasserstoff betriebene Zugflotte der Welt unterwegs sein. Zum routinemäßigen Fahrplanwechsel will die Taunusbahn ihre Dieselzüge mit 27 schadstofffrei arbeitenden Regionalzüge ersetzen. Die Wasserstoffzüge sollen auf den auf den Linien RB 11 (Frankfurt-Höchst–Bad  Soden), RB 12 (Frankfurt–Königstein), RB 15 zwischen Frankfurt und Brandoberndorf und auf der RB 16 zwischen Friedrichsdorf und Friedberg pendeln. Derzeit gibt es bundesweit etwa 130 Wasserstoff-Tankstellen, berichtet Klaus Stephan. Schon 2023 sollen es 400 sein.

Wasserstoff für Ebersheim

Das energiereiche Gas aus Mainz landet auch in den bislang elf Wasserstoff-Bussen der Städte Wiesbaden und Mainz. Die Stadtwerke wollen laut Stephan ein Drittel der 150 Fahrzeuge zählenden Busflotte mit Wasserstoff antreiben. Solche Busse kosteten jeweils etwa 700 000 Euro und damit gut 200 000 mehr als ein Elektro-Bus. Doch die Reichweite sei erheblich größer. „Und ein Wasserstoff-Bus wird in nur 17 Minuten bekankt. Der ist viel flexibler einsetzbar.“

Auch im regulären Erdgasnetz der Mainzer Stadtwerke landet ein Teil des Wasserstoffs. Der Energiepark speist ihn in eine Stichleitung, die 972 Gaskunden im Stadtteil Mainz-Ebersheim versorgt. Ein etwa zehnprozentiger Wasserstoff-Anteil im Methan ist nach aktuellem Stand erlaubt und unproblematisch.

Klaus Stephan weiß alles über die Produktion von Wasserstoff aus Windkraft. Hier steht er vor den Ladeboxen für die Trailer. Foto: Nissen

Insgesamt ist die ehemalige Versuchsanlage laut Klaus Stephan zu etwa 60 Prozent ausgelastet. In der Zukunft wird wohl noch viel mehr von diesem energiereichen Gas nachgefragt. Die Mainzer Stadtwerke kündigten an, sie würden – wenn es Fördermittel des Bundes gibt – bis 2027 ein fünf Kilometer langes Netz von Wasserstoffleitungen verlegen, um Großabnehmer mit Energie zu versorgen. Ein neuer Elektrolyseur soll im bestehenden Kraftwerk an der Ingelheimer Aue Wasserstoff für die Glasöfen der Schott-Werke produzieren.

Auch im Mainzer Energiepark stellt sich die Gruppe Querstellen-Wetterau mal wieder quer. Aber nur räumlich. Denn die Wasserstoff-Produktion aus Windkraft findet sie richtig gut. Foto: Nissen

Am Ende der Besichtigung stehen die Teilnehmer der Besichtigungstour von Querstellen-Friedberg zwischen dem Gasspeicher und der Trailer-Tankstelle. Da diskutieren sie mit Klaus Stephan über die richtige Strategie angesichts der aktuellen Energie-Engpässe. Einig ist man sich, dass es viel mehr Windkraftanlagen geben müsse, die klimaneutralen Strom herstellen können. Die Gruppe macht sich stark für einen interkommunalen Windpark auf dem Winterstein mit etwa 20 Anlagen. Dort auf der Taunuskuppe könnte man auch Wasserstoff produzieren, meint der Gruppen-Sprecher Hans-Dieter Wagner.

Für Personenwagen ist Wasserstoff zu kostbar

Doch dann schütteln er und andere Besucher aus der Wetterau mit dem Kopf. Denn der Mann von den Mainzer Stadtwerken sieht keine Zukunft in Batterie-Autos. Viel besser sei es, Wasserstoff-Motoren für den Antrieb der Personenwagen zu bauen. Das werde nicht funktionieren, entgegnen die Wetterauer. Denn so viel grünen Wasserstoff könne man auch mit Milliarden-Investitionen nicht herstellen. Wenn sechs Megawattstunden von den vier Mainzer Windmasten in die Elektrolyseure fließen, bleiben durch den 30-prozentigen Umwandlungsverlust „nur“ vier Megawattstunden an Wasserstoff-Energie übrig. Wenn der Strom dagegen direkt in Batterieautos fließt, geht nach einem Praxistest der Auto-Bild nur etwa zwölf Prozent der Energie verloren. Beim Anschluss an eine Wallbox betrage der Energieverlust nur sechs Prozent.

Der erste Bericht des Neuen Landboten über den Energiepark Mainz gibt es hier: https://landbote.info/?s=Wasserstoff

Die Webseite der Mainzer Wasserstoff-Fabrik: www.energiepark-mainz.de

Die Selbstdarstellung der Gruppe Querstellen-Friedberg: www.querstellen-friedberg.dehttp://www.querstellen-friedberg.de

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