Mundart-Tag

„En Spaß of Platt“ in Eichelsachsen

Von Corinna Willführ

Um Oberhessisch nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, lädt die Mundartgruppe Eichelsachsen zu „En Spaß of Platt“ am Samstag, 12. November 2022. In zwei Veranstaltung wird an diesem Tag der Dialekt der Oberhessen zelebriert.

Katalanisch, Galizisch, Baskisch: In Spanien, dem diesjährigen Gastland, gibt es neben Spanisch drei weitere offizielle Landessprachen. Dazu jede Menge Dialekte, etwa das „Madrileno“, das in der Hauptstadt Madrid gesprochen wird. Bayerisch oder Schwäbisch sind hierzulande zwar keine Landessprachen, aber doch Dialekte, denen mit Wohlwollen begegnet wird. Wer aber kennt das Oberhessische? Auf dass dieses Idiom nicht in Vergessenheit gerät, lädt die Mundartgruppe Eichelsachsen zu „En Spaß of Platt“.

Sie werben stellvertretend für alle Mitstreiter/innen am Oberhessischen Mundart-Tag für die Sprache ihrer Heimat: Karin Zinnel (hinten links), Anna Pfeffer (vorne links) sowie Brunhilde Weber und Marga Zorn von der Mundartgruppe Eichelsachsen. (Fotos: Corinna Willführ)

Kultur, Geschichte und Brauchtum

Dem elfköpfigen Frauenteam, das den Oberhessischen Mundart-Tag am 12. November in Eichelsachsen auf den Weg gebracht hat, geht es nicht nur um „En Spaß of Platt“, also eine vergnügliche Veranstaltung auf Mundart, sondern darüber hinaus um „Kultur, Geschichte und Brauchtum“ ihres Heimatortes, Eichelsachsen (heute ein Stadtteil von Schotten im Vogelsbergkreis), und der Region Oberhessen nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen.

„Ei, eich ho dem Polizeidiener sei Glocke doch schu von weirem gehort, Eich komme groud as em Feld. Wos dann fir Neuigkoire?“ beginnt einer der Beiträge der Mundartgruppe Eichelsachsen. Es ist eine wichtige Nachricht, die der Polizeidiener der Bevölkerung am 26. August 1959 überbringt: Er kündigt den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ an – Die Eichelsächser werden mitmachen, auch, „wenn des owwer ganz schie knapp, en ach e ungünstig Zeit mette en de Ernte ist.“ Alles verstanden?

Die Sprechweise eines Dorfes

Karin Zinnel, eine der Initiatorinnen der Veranstaltungen.

Seit zehn Jahren ist es der Mundartgruppe Eichelsachsen, Frauen im Alter zwischen Mitte 30 und 83 (das ist Anna Pfeffer, der ältesten wichtig), ein Anliegen, „die Sprechweise unseres Dorfs und der umliegenden Region mit ihren Begriffen, ihrer Melodie, verbunden mit der Geschichte und des Brauchtums unserer Heimat zu erhalten. Die oberhessische Mundart, mit allen unterschiedlichen Ausprägungen von Dorf zu Dorf, ist ein Bestandteil der Kultur dieser Region“, sagt Karin Zinnel.

Brunhilde Weber von der Mundart-Gruppe ist 13 Jahre alt, als sie zur Lehre in ein Geschäft nach Schotten kommt. Sie spricht das Idiom ihres Heimatortes. „Hä“ war dort allen klar, dass sie noch etwas nicht verstanden hatte. Als Lehrling musste sie Hochdeutsch lernen: „Also: Wie bitte?“ zu sagen. Das war für sie ein Einschnitt. Wer geredet hat, „wie ihm der Schnabel gewachsen war“, wie es ihn und ihr die Eltern gelehrt hatten, sei diskriminiert worden. Etwa mit Kommentaren: „Da hört man doch, dass die vom Dorf kommst.“ Was nicht selten stand für: „Die weiß nix und die kann also auch nix.“

Scherben nach dem Fastnachtstreiben

Ihr erstes Programm stellte die Mundartgruppe Eichelsachsen in einer Veranstaltung von Stadt und Geschichtsverein Schotten vor. Es folgten unter anderem Darbietungen mit „Das Backspiel“ in Eschenrod und „Birnscheen“ (über die Birnen-Ernte) in Rainrod. Schließlich 2019 vor Corona im DGH-Eichelsachsen ihr Beitrag zu Geschichte und Bedeutung der Spinnstuben.

Anna Pfeffer (83) ist die Älteste der Gruppe. Sie kann sich noch sehr genau an das Fastnachtstreiben an Aschermittwoch erinnern. „Da wurden Scherben vor die Treppen jener geworfen, die tags zuvor am Ende der närrischen Zeit zu Fastnachtsdienstag Kindern und Jugendlichen keinen Obolus beim Sammeln gegeben hatten.“ Eine typische Tradition in Eichelsachsen. Sie wurde in den 1960er Jahren verboten. Denn anders als auf widerstandsfähigen Sandsteintreppen hinterließen die zertöpperten Dippe deutliche Spuren auf Treppen mit „neuartigen Materialien“.

An welche Traditionen erinnern sich die weiteren Akteure des Mundart-Tages? Heine Adolph aus Sichenhausen, Herbert Stoll aus Schotten, Karin Bach aus Unter-Schmitten sowie Hans-Georg Meisinger und Hans-Georg Lippert aus Rainrod?. Sie werden Szenen, Erinnerungen, Anekdoten aus ihren Dörfern, die wie Eichelsachsen heute Stadtteile von Nidda oder Schotten sind, dem Publikum auf ihre Art vermitteln. Einer Zeit ohne Handy, Laptop und Facebook, die jungen Menschen, Jungen (und noch viel weniger Mädchen) einen Zugang zur Welt eröffnete. Meistens noch nicht einmal zur nächsten Stadt.

Oberhessischer Mundarttag am Samstag, 12. November 2022, in Eichelsachsen. Nachmittagsveranstaltung: 14 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus. Eintritt 12 Euro (einschließlich zwei Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee). Abendveranstaltung: 20 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus. Eintritt: 12 Euro einschließlich eines Eichelsächser Staches, das ist ein „Worschtweck“, mit Schwartemagen oder Bierschinken. Mitveranstalter: Männergesangverein Liederkranz Eichelsachsen. Moderation: Dietmar Weber.

Kartenvorverkauf: Samstag, 22. Oktober, 14 bis 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Eichelsachsen.

Titelbild: Blick in einen Innenhof in Eichelsachsen. Auch wenn das Dorf heute ein Stadtteil von Schotten ist, bemühen sich Menschen, dass ihre Identität als Dörfler nicht gering geschätzt wird.

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