„digital melt“ von Mathias Hornung
Von Corinna Willführ
„Holz ist mein Material“, sagt Mathias Hornung kurz und knapp in einem Youtube-Video. Wie der Berliner Künstler mit dem natürlichen Werkstoff umgeht, was er aus diesem schafft, entschließt sich indes nicht so schnell und leicht. Aufschluss darüber gibt die neue Ausstellung des Kunstvereins Bad Nauheim. Sie zeigt noch bis 27. Juni 2021 ausgewählte Arbeiten aus dem aktuellen Zyklus „digital melt“ des Künstlers.Tonnenschwer ist das Exponat, das inmitten der Rotunde in der Galerie in der Trinkkuranlage auf dem Boden platziert, den Blick des Besuchers der aktuellen Ausstellung des Bad Nauheimer Kunstvereins als erstes auf sich zieht. Es ist ein schwarz eingefärbter Druckstock und zugleich die Basis für die beiden 2,50 Meter auf 2,70 Meter großen Grafiken, die seitlich des Raumes von der Decke hängen. Sie geben spiegelverkehrt die Bildelemente wider, die Mathias Hornung in das Material Holz eingeschnitten hat.
Mit Flex und Spatel
„digital melt“ nennt der Berliner Künstler den Zyklus seiner aktuellen Arbeiten. Aus dem Computer oder aus einem 3D-Drucker, wie der Titel vielleicht vermuten lässt, stammen sie nicht. Mathias Hornung vermeidet Hightech-Methoden. Seine Werke sind einzig mit Flex und Spatel, also von Hand geführt, entstanden. Ihnen allen gemein ist eine Grundstruktur aus horizontalen und vertikalen Linien, die Mathias Hornung in Multiplex-Platten, also Platten mit mindestens fünf gleich starken Furnierlagen, fräst. Und doch ist jede Arbeit anders. Denn Hornung bricht – und das im wahrsten Sinne des Wortes – ebendiese Struktur selbst immer wieder auf. Etwa, indem er kleine Rechtecke ausschneidet, geschwungene Linien über die Raster legt oder durch eine unterschiedliche Farbgebung etwa verändert, was als oben und unten wahrgenommen wird. So beziehen seine Werke eine Faszination daraus, das, was scheinbar gleich aussieht, doch individuell und einmalig ist. Und was vermeintlich als Code im Druck reproduzierbar, von brüchiger Struktur und dadurch leicht zerstörbar ist. Nur zwei seiner Arbeiten, zwei 70 mal 70 Zentimeter große Reliefs, hat Hornung betitelt. „Beware of“ lautet der eine „Unsafe area“ der andere.
Hornung, der 1965 in Tübingen geboren wurde, Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule der Bildenden Künste in Stuttgart studierte, sieht sich selbst „Als Hin- und Herwanker zwischen der Zwei- und Dreidimensionalität“. So scheint er in seinen Reliefs eine Möglichkeit gefunden zu haben, beide Ausdrucksformen gleichzeitig umsetzen zu können.
Sinnlich und konzeptuell
„Seine Arbeiten sind Grenzgänge zwischen Grafik, Relief und Skulptur, sind sinnliche und zugleich konzeptuelle Bildgebilde, die Raum und Zwischenraum zwischen Medien und Materialien erspielen. Druck und Druckstock sind eigenständige und doch kommunizierende Teile eines zirkulierenden Prozesses, jeder, auch der in sich selbst gleichsam vervielfältigte Druck, weist zurück auf seine Herkunft. Ursprung und Aufschub, vorher und nachher berühren sich. Die Holzschnitte, die Druckstöcke reflektieren und kommentieren sowohl auf der Ebene des Bildes als auch der Bildhandlung sich selbst und ihre Bedingungen und öffnen sich wechselseitig zu unerwarteter Wahrnehmung“, heißt es in der Pressemitteilung zur Ausstellung.
Nachdem die für den 13. Mai vorgesehene Vernissage noch abgesagt werden musste, freut sich Kurator Johannes Lenz jetzt, am letzten Tag der Ausstellung, Sonntag, 27. Juni 2021, sowohl den Künstler wie auch Dr. Dorothée Bauerle Willert in Bad Nauheim begrüßen zu können. In ihrer Laudatio auf Mathias Hornung und den Zyklus „Digital melt“ wird die Kunsthistorikerin erläutern, auf welche verschiedenen Ebenen im Schaffen Hornungs der Titel verweist. Und sicher auch, wie sich „digital“ als Begriff aus der Physik, der „in Einzelstücke aufgelöst“ meint, und „melt“ für Schmelze, zusammenfügen.
Die Ausstellung „digital melt“ ist bis 27. Juni 2021 dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Um Anmeldung unter kontakt@kunstverein-bad-nauheim.de oder telefonisch unter 06032/8698798 während der Öffnungszeiten der Galerie wird gebeten. Eine Anmeldung über die Handy Apps AlertGermany oder Luca (QR-Codes am Eingang der Galerie) ist ebenfalls möglich. Es gelten die AHA-Regeln.