49-Euro-Ticket

Bahnreisen beinahe geschenkt

Von Dietrich Jörn Weder

Der Bundesfinanzminister beglückt Bahnfahrer vom 1. Mai an mit einem Deutschland-Ticket für 49 Euro. Sind es arme Leute, die nun endlich billig mit dem Zug fahren können? Rentner, Schüler und Studenten fahren in Hessen heute schon billiger, nämlich für einen Euro pro Tag, und das ist in einigen anderen Bundesländern nicht viel anders.

Mehr Züge nur mit mehr Geld

Die großen Gewinner des 49-Euro-Tickets sind Arbeitnehmer, die für ihre täglichen Fahrten zur Arbeit heute noch meist ein Vielfaches zahlen. Aber verdienen die alle so schlecht, dass sie sich diesen Aufwand nicht leisten können?

Die Verkehrsverbünde, die den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr besorgen, fürchten allesamt, dass ihnen das 49-Euro-Ticket den Spielraum für nötige Investitionen nimmt. Und nur wenn der Fahrplan dichter wird und Busse und Bahnen näher zu den Leuten kommen, werden Autofahrer auf den ÖPNV umsteigen. Nahezu kein Autofahrer hat doch die Bahn gemieden, weil sie zu teuer war.

Kurze Fahrzeiten, Pünktlichkeit und Bequemlichkeit sind gefragt, und da müssten die öffentlichen Verkehrsmittel gewaltig nachbessern. Nimmt ihnen das 49-Euro-Ticket die finanzielle Luft dafür, ist das Ganze ein Schuss ins Knie. Wer schon immer mit der Bahn reiste, fährt nun billiger, aber der Umwelt ist damit auch nicht geholfen. Als langjähriger Bahnpendler wette ich, dass die allermeisten Bahnkunden häufigere und schnellere Verbindungen einem halb geschenkten Ticket vorziehen würden.

Dauerbaustelle: Eigene S-Bahn-Gleise Frankfurt-Bad Vilbel (Foto: Dietrich Jörn Weder)

Vom 9-Euro-Ticket verwöhnt und verführt

Und wer glaubt, er komme nun billiger davon, der hat nicht die ganze, große Rechnung im Blick. Denn, was er am Fahrkartenschalter (wo es ihn noch gibt) weniger bezahlen muss, das gleicht er als Steuerzahler indirekt wieder aus. Auch Christian Lindner kann jeden einkommenden Euro nur einmal ausgeben. Was er zur Verbilligung von Bus- und Bahnreisen zuschießt, kann er für neue Züge und Schienenwege nicht ein zweites Mal ausgeben.

Mit dem Neun-Euro-Ticket für drei Sommermonate des vergangenen Jahres hat sich die Politik in einen unguten Zugzwang gebracht. Der einmal so verwöhnte Bürger verlangt nun angeblich eine dauerhafte Nachspeise. Oder ist er doch klüger als die spendable Ampel und durchschaut das Ganze? – Gleichwohl, wenn der Einzelne dabei einen Schnitt macht, wird er den Gewinn gerne kassieren.

Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten

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