Kartoffeln sind knapp und teuer
Von Michael Schlag
Kartoffelanbau ist immer schwierig, mal ist es zu trocken, mal zu heiß, mal zu nass. In diesem Jahr kam alles drei zusammen und alles zum falschen Zeitpunkt. Und wenngleich es in den vergangenen Wochen sehr viel Regen gab, bleibt die Hauptsorge der Kartoffelbauern, ob man in Zukunft genug Wasser für den Anbau haben wird.Zu nass, zu heiß, zu trocken
„Wir stehen momentan an einem Wendepunkt“, sagt Thomas Buch, Leiter der Fachstelle Wasser und Bodenschutz beim Wetteraukreis. Er sprach auf dem Wetterauer Kartoffeltag auf dem Laupushof in Bad Vilbel von einer dramatischen Entwicklung: „Wir schieben seit dem Jahr 2018 fast einen gesamten Jahresniederschlag an Defizit vor uns her.“ Ihn sorgen weniger die sogenannten „Niederschlags-Anomalien“, die habe es auch früher gegeben. Schon im Zeitraum von 1880 bis 1920 herrschte große Trockenheit – mehr noch als heute. Damals aber waren die Temperaturen bei weitem nicht so hoch, das heißt „der Verdunstungseffekt nimmt heute einen viel größeren Raum ein.“
Mark Mitschke vom Kartoffelberatungsdienst ergänzte aus der Praxis: In den 1990er Jahren habe man mit zwei, vier, oder sechs Millimetern Verdunstung am Tag gerechnet, „mittlerweile reden wir von acht, neun Millimetern und irgendwann kommst Du nicht mehr dagegen an.“ Und jetzt steht man vor der Frage: Wo soll in Zukunft das nötige Wasser herkommen? Die Entnahme von Grundwasser, von Oberflächenwasser, die Verwendung von gereinigtem Abwasser „wird immer mehr zum Thema in unserer Region“, sagt Thomas Buch.
Pflanzen haben extrem schlecht angesetzt
Man sollte sich auch nicht von den heftigen Regenfällen in den zurückliegenden Wochen täuschen lassen, sagt Buch, insgesamt besteht weiterhin Trockenheit. Die Niederschlagssumme eines Jahres möge ja stimmen, aber die Anzahl der Tage, an denen dieser Niederschlag fällt, ist sehr viel geringer geworden. Mit einem Gewittersturm von 60 Millimetern sei die Monatsbilanz ja rechnerisch ausgeglichen, „aber die Natur hat nichts davon und das werden wir in der näheren Zukunft wahrscheinlich öfter erleben.“
Unter den Bedingungen haben die Kartoffelpflanzen auf dem Acker in diesem Jahr extrem schlecht „angesetzt“, das bedeutet, sie haben nur sehr wenige Anlagen für Knollen gebildet. Erst konnten sie wegen des anhaltenden Regens im Frühjahr nur spät ausgepflanzt werden. Und dann kam sofort die Trockenheit, die Bodentemperaturen stiegen im Juni auf bis zu 30 Grad. Das ist viel zu hoch, nur bis 20 Grad setzt eine Kartoffelpflanze überhaupt Knollen an. So passierte es auch beim Sortenversuch des Kartoffelberatungsdienstes auf dem Laupushof in Bad Vilbel – Massenheim. Erst am 16. Mai konnte der Betrieb den Versuch anlegen und „danach haben sie fast keinen Regen bekommen,“ sagt Betriebsleiter Steffen Laupus. Eine Pflanze der Sorte Emiliana zum Beispiel bildet in einem normalen Jahr gut 20 Knollen im Kartoffeldamm. Mit 10 Knollen war es in diesem Jahr gerade einmal die Hälfte. Und damit war die Emiliana im Anbauversuch schon eine der besten, berichtete Heiko Höllmüller vom Kartoffelberatungsdienst.
Erst am 20. Juli gab es in Bad Vilbel wieder Regen, und dann gleich in Mengen wochenlang. Und so willkommen die Niederschläge auch waren, für die Kartoffeln brachten sie neue Probleme. Denn eigentlich hatte die Kartoffel ihr Wachstum schon abgeschlossen, da löste der große Regen neues Wachstum aus, was außen die Schalen reißen ließ. Wachstumsrisse, Nasen und Beulen häufen sich, das ist alles im Handel schlecht zu verkaufen, denn „der Verbraucher will schöne Kartoffeln,“ sagt Mark Mitschke vom Kartoffelberatungsdienst.
Der Handel erwartet jetzt eine knappe Versorgung. Deutschland ist der größte Kartoffelproduzent in Europa, aber bei fast allen Bundesländern steht ein Minus vor den Anbauflächen. Besonders stark war der Rückgang des Kartoffelanbaus in Hessen auf jetzt 3.800 ha (-10%). Und nach Trockenheit und hohen Temperaturen „sind keine Höchsterträge mehr zu erwarten,“ sagt Thomas Anhäuser vom Pflanzenzüchter Europlant in Lüneburg. Und so stehen immerhin die Kartoffelpreise für die Erzeuger jetzt sehr erfreulich, nämlich etwa doppelt so hoch wie in den beiden Jahren zuvor um die Erntezeit.
Titelbild: Heiko Höllmüller vom Kartoffelberatungsdienst bespricht die Ergebnisse des Sortenversuchs.