Die Wetterau

Die fantastische Landschaft

Von Bruno Rieb

Hexen. Gespenster, Lügner, Mörder, Tierquäler. Die Wetterau aus einem anderen Blick. Die fünf Autoren (v.l.) Ursula Luise Link, Petra Zeichner, Jule Heck, Andreas Arnold und Rita Greve Arnold haben ihrer Vorstellungskraft freien Lauf gelassen. Ihre Kurzgeschichten sind in dem Buch „Fantastische Landschaften: Die Wetterau“ versammelt. Am Freitag, 27. Oktober 2017, lesen sie daraus in Bad Nauheim.

Reale Orte, irreale Geschichten

Bei einer Sitzung des Gemeindeparlamentes im Rockenberger Schloss zum Bau von Windrädern in Oppershofen sieht der Journalist einen Geist. Der setzt sich dem Vorsitzenden auf den Kopf und verabredet sich mit dem Berichterstatter per Handeichen um ein Uhr nachts im Sitzungssaal. Als der Journalist zur verabredeten Stunde erscheint, muss er draußen bleiben. „Nicht öffentliche Sitzung. Der Bürgermeister“ steht an der Tür. Der enttäuschte Schreiberling – „Nix mit Artikel, Serie, Karriere-Upgrade“ – greift immer öfter zur Flasche.

Ursula Luise Link hat sich die Rockenberger Burg zum Schauplatz einer ihrer Geschichten auserkoren. Alle in dem Buch versammelten Erzählungen spielen an realen Orten, so irreal die Erzählung auch sein mag.

Die Autoren vor fantastischer Landschaft: (v.l) Rita Greve, Petra Zeichner, Marie Luise Link, Andreas Arnoldund Jule Heck. (Fotos: Rieb)

Bergeweise Knochen und der Stein der Weisen

Die sagenhaften Friedberger Keller hat Andreas Arnold zum Schauplatz seiner mörderischen Story gemacht. „Meine Mutter ist eine alte Friedbergerin. Sie sprach immer davon, dass die alten Gewölbekeller Friedbergs miteinander verbunden sind. Sie sollen bis zur Burg führen“, lässt er eine der Akteure erzählen. Bergeweise Knochen Verschwundener werden in den Gewölben tief unter der Erde gefunden. Wer oder was treibt hier sein grauenhaftes Wesen?

Die Gambacherin Jule Heck lässt einen Jungen ein Storchenküken aus seinem Nest schütteln und tot treten: „Immer wieder nahm er den kleinen Vogel auf die Spitzen seines rechten Schuhs und kickte ihn vor sich her.“ Die Störche rächen sich grausam.

Petra Zeichner liebt die Büdinger Altstadt und lässt ihre Geschichte über die Alchimistin Margaretha im mittelalterlichen Büdingen spielen. Die hat „das Feuer, darin der Stein der Weisen ist“ entdeckt. Das wirkt Wunder: „Margarethe hielt ihren Arm in der Feuer und zog ihn, noch bevor Noll irgendwie reagieren konnte, wieder heraus. Die Wunde war verschwunden.“ Melchior Noll ist der neue Apotheker der Stadt. Der hält zu Margaretha während die Bäckersfrau „alles Erdenkliche versuchen wird, um unter den Bürgern Stimmung gegen Margaretha zu machen“.

Der Baum als Frau – oder umgekehrt?
Matamorphose, Pastell von Rita Greve

Vom Maler und Holzbildhauer Anton Froebel, der schönen Kora Demeter und dem ältesten Kirschbaum Deutschlands erzählt Rita Greve. Kora war „schlank, ihr Körper schien biegsam wie eine Weidenrute. Helle, grünliche Augen ruhten in ihrem Gesicht wie zwei stille Teiche, umrandet von schön geschwungenen Augenbrauen. Ihr leicht welliges Hatte die Farbe von dunklem Kupfer.“ Der Maler wird tot unter dem Kirschbaum in Blofeld an der Nordseite des Eichelsbergs gefunden. Ein mächtiger Baum mit fünf Meter Stammumfang und einer Krone von 19 Metern. Von diesem Baum hat der Maler eine Vision: „Aus dem Stamm der alten Wildkirche erwuchs eine wunderschöne Frauengestalt. Sie war nackt. Ihr Gesicht umrahmten Blätter, die im Mondlicht golden und kupfern schimmerten. Die Augen hielt sie gesenkt, ihren Mund umspielte ein leichtes Lächeln. Sie stand etwas zurückgeneigt mit erhobenen Armen, verborgen im Geäst. Aber nein, falsch, Äste und Zweige waren ihre Arme. Ich erblickte ein Wesen – halb Mensch, halb Baum. Und Sie haben es längst erraten, sie sah aus wie Kora Demeter.“

Greve, die auch malt, hat die Erzählung mit dieser Vision von der zum Baum gewordenen Kora – oder vom Baum, der zu Kora wurde? – illustriert. Von Greve stammt auch das Cover des Buches, eine Pastellzeichnung eines Waldweges zwischen den Butzbacher Ortsteilen Wiesental und Maibach.

Die Autorengruppe im Fokus.

Das Buch wurde von der Autorengruppe Wetteratur herausgegeben. Der Gruppenname ist ein Kunstwort aus Wetterau und Literatur. Die Autoren des Buches hatten alle ihre ersten literarischen Schritte bereits getan, bevor sie sich zu dem neuen Projekt entschlossen, in einer Anthologie „Sagen, Fabeln, Gruselgeschichten, Mystisch-Mythisches und Fantasy“ zu versammeln.

Die Autorengruppe liest am Freitag, 27. Oktober, um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Bad Nauheim, Zanderstraße 3, aus ihrer Anthologie.

„Fantastische Landschaften: Die Wetterau“, BoD – Books on Demand, Norderstadt, Taschenbuch, 252 Seiten, 10,80 Euro, ISBN: 978-3-740-73306-3.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert