Landkreis und RP mahnen zum Sparen
Es ist heiß und es regnet viel zu wenig – schon jetzt stufen Experten das Jahr 2022 als Dürrejahr ein. Der Landkreis Gießen und das Regierungspräsidium (RP) Gießen rufen zum Wassersparen auf.Der Wald ist gestresst, Dürreschäden sind vielerorts sichtbar und Gewässer tragen viel zu wenig Wasser, stellt der Kreis Gießen fest und reagiert mit einer Allgemeinverfügung.
Gewässer müssen geschützt werden
Demnach ist als Lebensgrundlage die Wasserentnahme aus oberirdischen Gewässern wie Bächen, Flüssen oder Seen in jeglicher Form bis auf Weiteres verboten, um die Gewässer für Mensch und Natur zu schützen. Einzig erlaubt sind Benutzungen im Rahmen einer bestehenden wasserrechtlichen Zulassung.
Beeinträchtigung der Lebensräume
„Nach den aktuellen Abflussdaten für Fließgewässer ist für den Landkreis Gießen praktisch flächendeckend ein kritischer Wert erreicht und wir können eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensräume, die vom Wasser abhängen, nicht mehr ausschließen. Besonders verschärft ist die Situation dadurch, dass es in den vergangenen Jahren generell viel zu wenig geregnet hat und die Grundwasserstände erkennbar sinken. Da macht 2022 leider keine Ausnahme“, sagt Christian Zuckermann, Umweltdezernent des Landkreises Gießen.
Verschlechterung der Gewässerzustände aufzuhalten
Besonders wichtig sei es nun, die Gewässer vor weiteren Störungen durch eine Verringerung der Wasserführung zu schützen sowie die Verschlechterung der Gewässerzustände möglichst aufzuhalten, denn „zusätzliche Belastungen wie Wasserentnahmen würden zu einer weiteren Beeinträchtigung des Ökosystems führen“, erläutert Zuckermann weiter. Insbesondere an kleineren Gewässern bestehe das Risiko, dass dadurch Tiere verenden.
Wer trotz des Verbots Wasser aus oberirdischen Gewässern entnimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet werden kann.
Wie man Wasser sparen kann
Gerade hinsichtlich des Klimawandels ist eine nachhaltige Wassernutzung wichtig, um den Grundwasserpegel zu halten. Dabei kann jeder Einzelne helfen, indem er
· Regenwasser als Brauchwasser nutzt.
· duscht statt badet
· das jährliche neue Befüllen von Pools meidet
· sich als Hobby-Gärtner bei der Bewässerung auf relevante Bereiche wie den Gemüseanbau fokussiert. Denn Rasen ist robust und muss nicht intensiv bewässert werden – auch wenn er bräunlich scheint.
· Gemüse nicht unter fließendem Wasser, sondern in einer Schüssel wäscht. Denn das spart Wasser und kann sogar für das nächste Blumengießen wiederverwendet werden.
· wenn er im Sommer mit einem sauberen Auto glänzen möchte, dieses in der Autowaschanlage wäscht. Denn das Waschwasser wird vor Ort aufbereitet und wiederverwendet, sodass kaum Abwasser anfällt.
· als Bauherr Flächenversiegelungen reduziert, um versickerungsfähige Freiflächen zu erhalten. Eine breite Versickerungsfläche minimiert zusätzlich das Hochwasser-Risiko.
Weitere Fragen beantwortet der Fachdienst Wasser- und Bodenschutz des Landkreises Gießen unter 0641 9390 3573.
Die Allgemeinverfügung gibt es zum Nachlesen unter lkgi.de
Befürchtungen auch beim RP in Gießen
Auch die Obere Wasserbehörde beim Regierungspräsidium Gießen hat die Situation der heimischen oberirdischen Gewässer im Blick. „Zwei der fünf mittelhessischen Landkreise haben bereits per Allgemeinverfügung verboten, Wasser aus der Lahn und ihren Nebengewässern, aus Bächen sowie aus Seen und allen anderen oberirdischen Gewässern zu entnehmen“, fasst Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich in einem Pressetext seiner Behörde zusammen. Auch in anderen Teilen Hessens gibt es bereits derartige Verbote.
Niederschläge reichen einfach nicht aus
Obwohl es in den vergangenen Wochen ab und zu geregnet hat, reichen die Niederschläge in Mittelhessen nicht aus, um den sinkenden Wasserständen unserer heimischen Gewässer entgegenzuwirken“, sagt Gabriele Schramm, Leiterin des Dezernats „Oberirdische Gewässer, Hochwasserschutz“. Die Situation bereitet ihr und den Kolleginnen und Kollegen Sorgen. „Wir stehen derzeit erst am Beginn des Sommers. Die Ferien haben noch nicht einmal begonnen, und bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Sommers müssen zwei untere Wasserbehörden ein Entnahmeverbot aussprechen, damit die Tiere und Pflanzen in unseren heimischen Gewässern nicht geschädigt werden“, gibt sie zu bedenken.
Auch für die Tiere ergeben sich Probleme
An sich ist es nicht ungewöhnlich, dass die Pegelstände in dieser Jahreszeit niedrig sind, ergänzt Brigitta Mikus aus dem Fachdezernat. Doch über die Jahre sei die Tendenz beispielsweise an der Lahn eindeutig: Im Mittel ist immer weniger Wasser im Fluss. Die Wassermenge ist aber nur ein Aspekt. „Die hohen Temperaturen und die starke Sonneneinstrahlung tun ihr Übriges: Der Sauerstoffgehalt im Wasser schwankt stark, der pH-Wert steigt an.
Und Letzterer ist im Fall der Lahn zeitweise mit Werten um 9 ziemlich hoch“, ergänzt Andrea Krapp vom Dezernat „Kommunales Abwasser, Gewässergüte“. Das hat Folgen. „Der hohe pH-Wert greift zum Beispiel die Kiemen der Fische an und die Konzentration an fischgiftigem Ammoniak kann ansteigen. Zudem wird zeitweise wenig Sauerstoff im Wasser gelöst“, erklärt die Expertin. Das bedeutet Dauerstress, auch für die Fortpflanzung. Im schlimmsten Fall können die Tiere sterben.
Verbot von Wasserentnahme hilft
Eine Entspannung der Situation ist mit Blick auf die Wettervorhersage erstmal nicht in Sicht. Die aktuell niedrigen Wasserstände in den heimischen Gewässern, noch vor Beginn des eigentlichen Hochsommers, seien das Ergebnis von mehreren zu trockenen Jahren, in denen es viel zu wenig geregnet hat. „Durch die derzeit hohen Temperaturen und die lange Sonnenscheindauer ist auch die Verdunstungsrate unserer Gewässer viel zu hoch, sodass nur ein Verbot der Wasserentnahme hilft, den Wasserspiegel zu stabilisieren“, betont Gabriele Schramm.
Für die Bevölkerungen in Mittelhessen sei dies auch ein „Alarmsignal“, mit Wasser sehr sparsam umzugehen. Denn auch die Grundwasserstände zeigen mancherorts unterdurchschnittliche Werte an. Diesen Entwicklungen kann derzeit nur mit Sparsamkeit entgegengewirkt werden, ist die Dezernatsleiterin überzeugt.
Titelbild: Die Lahn bei Lollar-Friedelhausen (Foto: RP Gießen)