Im Schutt gelesen…
Von Michael Breuer
„Jemand hat dort Schutt planiert. Und das werden sehr wahrscheinlich die Römer gewesen sein“. Mit dieser Feststellung schloss der Archäologe Armin Becker bei einem Vortrag seine Indizienkette, die nahelegt, dass die Siedlung um das römische Forum Waldgirmes wahrscheinlich auch noch nach der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. existiert hat.
Zivile Siedlung
Auf Einladung des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen faßte Becker vor rund 100 Zuhörern den aktuellen Stand der Forschungen zu der römischen Zivilsiedlung rechts des Rheins zusammen. Von 1993 bis 2009 hatte er zusammen mit Gabriele Rasbach die archäologischen Ausgrabungen in Waldgirmes geleitet. Holzuntersuchungen haben gezeigt, das der römische Ort um das Jahr 4 vor Chr. gegründet wurde. Zentraler Punkt war das große Forum – ein Gebäude mit den vermörtelten Fundamentmauern. „Das hat uns damals auf die Idee gebracht, dass es keine militärische sondern eine zivile Siedlung ist“, erinnerte sich Armin Becker.
Der bronzene Pferdekopf
Höhepunkt der archäologischen Grabungen war der Fund eines bronzenen Pferdekopfes. Der gehörte wahrscheinlich zu einer Reiterstatue des Kaisers Augustus. Das 14 Kilo schwere, vergoldete Stück lag festgeklemmt mit Mühlsteinen am Grunde eines elf Meter tiefen Brunnens. Zur Zeit streiten sich der Eigentümer, auf dessen Acker der Pferdekopf gefunden wurde, und das Land Hessen um die Entschädigungszahlung für den Grundstücksbesitzer.
Es wurden aber auch mehr als 150 weitere Überreste von mindestens zwei vergoldeten bronzenen Statuen auf dem Gelände in Waldgirmes gefunden. Diese Metallstücke hätten unter dem Brandschutt, der das Ende der umwehrten Keimzeile dieser römischen Stadt anzeige, gelegen, stellte der Forscher fest.
Das bedeute, dass die Statuen bereits vor der Aufgabe der Siedlung zerstört worden seien. Auch die Analysen von in den Brunnen gefundenen Hölzern legten eine längere Nutzungsdauer der Gebäude nahe. „Die Statuen waren bereits zerschlagen als die Straße in der Siedlung repariert wurde“, sagte Armin Becker und nennt damit ein weiteres Indiz dafür, dass der Ort nach 9. n. Chr. bewohnt war. „Möglicherweise bis 16 n. Chr.“, präzisierte der Altertumsforscher. „Und damit wären wir bei Germanicus“, führte er an.
Rache-Feldzüge
Der römische Heerführer unternahm nach der verlorenen Schlacht im Teutoburger Wald mehrere großangelegte Rache-Feldzüge in Germanien. Im Jahre 15 n. Chr. zog er gegen die Chatten in Nordhessen. Auf dem Weg dahin – das hält Armin Becker für sehr wahrscheinlich – wird der Feldherr mit seinen Legionen die Siedlung in Waldgirmes und als Station genutzt haben. Er wies in diesem Zusammenhang auch auf das benachbarte römische Marschlager in Dorlar hin. Es könne gut sein, so Becker weiter, dass der nahe bei Waldgirmes gelegene Dünsberg die Erhebung sei, die Germanicus laut den Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus als „mons Taunus“ bezeichnet habe. Nach den Beschreibungen des Tacitus hat Germanicus an dem Berg ein Kastell gebaut und den Tross seines Heeres dort zurückgelassen, um auf seinem Kriegszug beweglicher zu sein. Armin Becker, der zur Zeit Grabungen im Archäologischen Park in Xanten leitet, stellte bei seinen Ausführungen dazu detailliert die Quellenlage dar, erläuterte die verschiedenen Theorien zum „mons Taunus“ und zeigte Karten, die den Weg der Römer durch Hessen nachzeichneten.
Im Jahr 16 n. Chr. gab Kaiser Tiberius die Eroberungspläne für das rechtsrheinische Germanien auf. In diesen Zusammenhang stellen die Forscher das Ende der Siedlung in Waldgirmes. Eine Eroberung des Ortes durch die Germanen schließt Armin Becker auf Grund der spärlichen Fundlage aus und hält einen geordneten Rückzug für die sehr wahrscheinliche Variante. Armin Becker: „Die Einwohner haben das mitgenommen, was sie hatten.“
2 Gedanken zu „Römer in Waldgirmes“