Klärwerker hassen feuchtes Klopapier
Wer jetzt kein Klopapier hat, muss sich Alternativen suchen. Viele Menschen greifen offenbar zu feuchten Toilettentüchern – aber das kann fatal für die Kläranlagen sein. Im Lahn-Dill-Kreis häufen sich die Klagen über verstopfte Pumpwerke in den Kläranlagen. In der Wetterau sieht es besser aus, sagen die Klärwerks-Betriebsleiter. Doch alle bitten die Bevölkerung: Feuchtes Klopapier, Küchenkrepp oder Papiertaschentücher dürfen nicht in die Toilette geworfen werden. Sie gehören in den Restmüll.Verstopfte Klärwerke
Recht drastisch klingt der Alarmruf, den Nicole Zey aus der Presse-Abteilung des Wetzlarer Landratsamtes verbreitet: „Immer wieder fallen einzelne Schmutzwasserpumpen aus. Das Abwasser kann nicht mehr ungehindert abfließen. (…) Rohre sind beinahe täglich verstopft. Hintergrund ist ein massiver Anstieg im Verbrauch von Feuchttüchern. Diese sind nämlich in unüblich großen Mengen in den Anlagen zu finden und verstopfen die Pumpen und Rohrleitungen.“ Die Kläranlagen sind stärker belastet als üblich, weil das normale, wasserlösliche Toilettenpapier knapp geworden ist und mehr Menschen als sonst den ganzen Tag daheim sind.
Nicole Fey: „Anders als herkömmliches Toilettenpapier, zersetzen sich Feuchttücher kaum. Sie bestehen in den meisten Fällen aus einem Vliesstoff und enthalten zusätzliche Hilfsstoffe wie zum Beispiel Weichmacher. Zusammen mit anderen Inhaltsstoffen der Kanalisation bilden sich dadurch lange, verfilzte und extrem reißfeste Stränge, die sich in den Pumpen festsetzen und diese zum Stillstand bringen.“ Auch Fett im Abwasser führe immer wieder dazu, dass die Rohre im Pumpwerk verstopfen. Fette lagern sich an den Innenwänden ab. So wachse der komplett zu.
In den Büdinger Kläranlagen ist das momentan zum Glück anders, sagt Harald Emrich vom Abwasserverband Seemenbach. Solche Verstopfungen kenne er vor allem aus trockenen Sommern, wenn wenig Wasser durch die Kanäle fließt. Dann stauen sich Feuchttücher, Tampons, Binden, Präservative und andere Fremdkörper an den Abwasserpumpen. Emrich: „Da bilden sich ineinander verdrillte Verzopfungen, die leicht zwei oder drei Meter lang werden können. Wir müssen dann immer wieder die Pumpen ausbauen und händisch säubern.“ Eine schwere, schmutzige Arbeit.
Auch Matthias Seum vom Abwasserverband Oberhessen hat aktuell keine Probleme mit verstopften Pumpen. Dieser Verband reinigt die Abwässer aus Schotten, Nidda, Hungen und Wölfersheim. „Durch die Topografie unseres Verbandsgebietes haben wir den Vorteil, dass wir das Abwasser nur sehr wenig pumpen müssen. Unser Abwasser fließt überwiegend im freien Gefälle den Anlagen zu.“ Allerdings betreibt das Tochter-Unternehmen der Oberhessischen Versorgungsbetriebe an der Niddaer Kläranlage zwei Schneckenpumpwerke. Die sind sehr störungsanfällig gegenüber Feuchttüchern, berichtet Seum. „Dann haben wir noch Pumpwerke im System, die mit Kreiselpumpen arbeiten. Die neigen zur Verstopfung,wenn zu viele Feuchtetücher ins Pumpwerk eingetragen werden.“
Es gibt jedoch ein Gegenmittel. Das zu den Oberhessischen Versorgungsbetrieben gehörende Unternehmen hat in seinen Klärwerken vor den Pumpen Zerkleinerungsanlagen eingebaut – so genannte Mazeratoren. Die zerstückeln alles, was zu den Pumpen fließt, auf zwei bis drei Millimeter. Solche rotierenden Klingen gibt es seit gut drei Jahren auch in der Florstädter Kläranlage des Abwasserverbands Horlofftal. Seitdem gibt es weniger Verstopfungen, berichtet der Betriebsleiter Sven Höller. „Zuvor hatten wir massive Probleme mit den Pumpen.“ Es war harte Arbeit, diese Maschinen von der Größe eines Motorrollers zu öffnen und zu säubern. Moderne Abwasserpumpen können mittlerweile schnell gestoppt werden und den Wasserstrom gegenläufig pumpen, damit Verstopfungen sich auflösen.
Nun landen auch in Florstadt die zerkleinerten Fremdkörper aus den Toiletten nach dem Pumpendurchgang in den Rechen-Gittern vor den Klärbecken. Sie werden automatisch zehn Meter angehoben und in einen großen Container entleert. Am Ende landen die paraffinhaltigen Feuchttücher mit dem anderen Müll auf einer Deponie.
Man kann sich auch mit dem Xylospongium säubern
Solche ausgefeilte Klärtechnik hat einen hohen Preis. Den müssen alle Einwohner über die Abwassergebühr bezahlen. Billiger wäre es, wenn sie auf die Appelle der Klärwerker hörten. In die Toiletten gehören nur menschliche Ausscheidungen und normales Toilettenpapier, sagen Nicole Fey und Matthias Seum. Nicht aber Fett und Speiseöl, Windeln, feuchtes Toilettenpapier, Hygieneartikel, Zigarren- und Zigarettenreste, Katzenstreu, Watte und Wattestäbchen.
Und wenn man noch länger kein Toilettenpapier kaufen kann? Nicole Fey empfiehlt für diesen Fall wiederverwendbare Waschlappen. Oder man macht es wie die alten Römer. Die säuberten sich mit dem leicht selber zu bastelnden Xylospongium – einem Schwamm, den sie an einem als Griff nutzbaren Stöckchen montierten.