heime schotten sich ab

Corona bringt Wlan ins Heim

Von Klaus Nissen

Jedes Alten- und Pflegeheim ist nun zur festen Burg geworden. Auf Anordnung des Landes Hessen darf seit dem 3. April 2020 außer dem Personal niemand mehr die vom Corona-Virus besonders bedrohten Menschen besuchen. Die Betreuerinnen und Betreuer tragen Mundschutz und sorgen überall dort für räumliche Distanz, wo es möglich ist. Zugleich ist in den Häusern das Zusammengehörigkeitsgefühl viel größer als sonst. Im neuen Heimalltag wird man außerdem kreativer – und rüstet technisch auf.

Heime schotten sich ab

Bisher durfte jeweils ein Besucher für eine Stunde ins Haus kommen, sagt Anja Adolph. Sie ist Inhaberin des Hauses Altenruh in Nidda. Doch schon in den letzten Wochen verzichteten viele Angehörige von sich aus auf einen Besuch, um die pflegebedürftigen Menschen vor einer möglichen Ansteckung schützen. „Die Bewohner kriegen das schon mit“ – das mache ihnen zu schaffen, so die Heimbetreiberin. Auch das Personal mache sich Sorgen über die nähere Zukunft. Bis jetzt habe es zum Glück keine Ansteckungen mit dem Corona-Virus gegeben, sagt Anja Adolph.

Ein Bewohner des Hauses Altenruh in Gedern musiziert mit sichtbarer Freude an der Drehorgel. Hier hat man sich auch schon mit einer Pommes Frites-Aktion den Alltag verschönt. In den Pflegeheimen probiert man jetzt verstärkt Dinge aus, die Spaß machen. Foto: Haus Vogelsberg

Das rund 20-köpfige Personal bewegt sich im Alltag schon seit einer ganzen Weile mit Mundschutzmasken durch das Pflegeheim am Heiligen Kreuz. Die Chefin sagt: „Das ist schon lästig, aber auch vernünftig.“ Auf alle Pflegeeinrichtungen will die Kreisverwaltung 45 000 Schutzmasken verteilen, die ihm vom Land Hessen versprochen wurden. Per Telefon und Mail wurden die Heime darüber informiert – doch das Lieferdatum ist noch unbekannt. Und niemand verlässt sich darauf. Die Belegschaft vom Haus Altenruh bat auf der Facebookseite des Pflegeheims um selbst genähte Masken – möglichst aus Leinen oder Baumwolle. Etliche sind tatsächlich gespendet worden, so Anja Adolph. „Uns ist bewusst, dass diese Masken keinen endgültigen Schutz gegen Viren darstellen. Sie können aber Tröpfcheninfektion eindämmen und so zum Schutz unserer Bewohner und Mitarbeiter beitragen.“

Überhaupt bemüht man sich in den Pflegeheimen, die Sorgen zu überspielen. „Wir haben unser Unterhaltungsangebot hochgefahren, sagt Anja Adolph. „Wir kochen gemeinsam, singen und machen mehr Gymnastik als vorher.“ Um schöne Momente bemüht sich auch das Personal des zur Cura Sana-Kette gehörenden Pflegeheims in Ranstadt. Dort malten die Angestellten ein großes Schild für die Bewohnerinnen und Bewohner – mit der Botschaft, „dass wir sie lieb haben“. Auch die Kinder aus der Notbetreuung malen Bilder für die Heimbewohner, berichtet Christine Woderski von der Leitung des Sozialdienstes. Eine Tagesmutter bringt die dann in den Eingangsbereich des Hauses.

„Wir rücken deutlich zusammen“

„Wir rücken deutlich zusammen“, findet auch Hans-Hermann Rieck. Der Krankenstand im Personal des von ihm geleiteten Hauses Vogelsberg in Gedern sei niedriger als sonst. „Wir haben ein wunderbar engagiertes Team, das sich einiges einfallen lässt.“ Auch hier gab man einen Aufruf zum Nähen von Schutzmasken heraus. Da hätten ihm unbekannte Leute teils sehr schöne Masken ins Haus geschickt. Rieck: „Wir spüren eine ganz tolle Unterstützung durch die Menschen um uns herum.“

Zugleich macht man den fast 80 betreuten Menschen im Haus Vogelsberg zusätzliche Angebote, damit sie unter der räumlichen Isolierung von der Außenwelt nicht zu sehr leiden. Ende März 2020 brachte der Gießener André Lotz seine Drehorgel ins Heim. Ihre Klänge weckten Kindheitserinnerungen. Es wurde mitgesungen und geschunkelt. Auch die eine oder andere Träne der Rührung war zu sehen, erinnert sich Hans-Hermann Rieck. Nun lässt der Einrichtungsleiter das Pflegeheim mit Wlan-Routern ausstatten. Er will den Bewohnern auf Tablet-Computern das Skypen mit ihren Angehörigen ermöglichen. Dieser Kommunikationskanal wird wohl die Corona-Krise überdauern.

Pommes-Duft bringt Lebensqualität

Freude kann man auch mit anderen Kleinigkeiten erzeugen. „Am Montag haben wir unseren Speiseplan über den Haufen geworfen“, erzählt Rieck. Der zentrale Lieferdienst wurde abbestellt. Stattdessen stellten die Angestellten des zur Inneren Mission Darmstadt gehörenden Hauses Friteusen in die Küchen der einzelnen Wohnbereiche. Von dort drang der Geruch der siedenden Pommes Frites in alle Zimmer. „Das war dann ein großes Hallo“, so Rieck. „Unsere Bewohner lieben Pommes.“

In Altenstadt leben rund 70 Menschen jetzt isoliert von der Außenwelt im Elisabeth Selbert-Heim der Arbeiterwohlfahrt. Eine Angestellte sagt: „Wir versuchen alles, um die Stimmung der Menschen zu heben. Wer Fragen zur aktuellen Lage hat, werde ausführlich informiert. Der Kontakt zu Angehörigen finde nun durch ein Fenster im Erdgeschoss statt. Man telefoniere nach draußen – und experimentiere mit der Bildtelefonie via Tablet.

In Ortenberg verteilte Edi Hodzic in seinem Haus Europa an jeden Wohnbereich ein Mobiltelefon. So können die rund 170 Bewohner unter Anleitung per Whatsapp-Video den Kontakt zu vertrauten Menschen halten. „Ansonsten haben wir den Bewohnern und den Angehörigen schrittweise erklärt, warum wir Masken tragen. Nun haben sich alle langsam daran gewöhnt.“

In den Heimen achten die Angestellten noch mehr als sonst auf die Hygiene, versichern die Betreiber. Man wisse, worauf es ankommt, wenn jemand sich infiziert. Und falls Bewohner Corona-Symptome zeigen, werden sie wie im Pandemie-Plan vorgeschrieben in schon vorbereitete, separate Räume verlegt.

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